Rechtsextreme „Proud Boys“ wegen Sturm auf Kapitol angeklagt

Die selbsternannten „Proud Boys“ sind gewaltbereit, rechtsextrem und Fans von Donald Trump. Vier von ihnen wird nun der Prozess gemacht.
Washington D.C. – Als am 6. Januar 2021 ein wütender Mob das Kapitol stürmte, waren die „Proud Boys“ ganz vorne mit dabei. Die rechtsextremen Paramilitärs gelten als Schlägertruppe im Einsatz für Donald Trump und sollen den terroristischen Angriff auf das Parlamentsgebäude als Wortführer mitverantwortet haben. Vier von ihnen wird nun der Prozess gemacht.
Namentlich handelt es sich dabei um Ethan Nordean, Joseph Biggs, Zachary Rehl und Charles Donohoe. US-Bezirksrichter Timothy Kelly erteilte dem Antrag der Verteidiger der Männer eine klare Absage, die beantragt hatten, das Verfahren einzustellen. Ihre Begründung: Die „Proud Boys“ hätten am 6. Januar lediglich ihr im Ersten Verfassungszusatz verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen.
Richter Kelly, der von Donald Trump höchstpersönlich eingesetzt worden war, sah dies offenbar anders und führte an, dass die Anstiftung zum Aufruhr nicht mehr unter den Schutz der Meinungsfreiheit fällt. Das Gericht sei nicht von der Ausführung der Angeklagten überzeugt, schreib Kelly in seiner 43-seitigen Stellungnahme, wonach die am 6. Januar erfolgte Auszählung der Stimmen der Wahlleute nicht verfassungsgemäß gewesen sei.
Militante Fans von Donald Trump: „Proud Boys“ drohen nach Sturm auf Kapitol bis zu 20 Jahre Haft
Darüber hinaus hätte diese ausreichend Möglichkeiten gehabt, ihre Meinung kundzutun und zu protestieren, begründete Richter Kelly seine Entscheidung. Die Behauptung der Verteidigung, wonach die vier „Proud Boys“ wegen vergleichsweise nichtiger Taten wie bloßen Sitzstreiks, dem Verbrennen von Flaggen oder dem Tragen schwarzer Armbänder vor Gericht gestellt würden, ließ der erfahrene Jurist nicht gelten. Vielmehr werde ihnen eine (Mit-)Verantwortung für Zerstörung von (Staats-)Eigentum, Auseinandersetzungen mit Strafverfolgungsbehörden und körperliche Gewalt zur Last gelegt.
Der wichtigste Anklagepunkt sei jedoch der Versuch, ein offizielles, staatliches Verfahren zu behindern. Die Staatsanwaltschaft hat diesen Anklagepunkt in den Mittelpunkt des Verfahrens gestellt, im Fall einer Verurteilung winken den „Proud Boys“ bis zu 20 Jahre Haft. Gemeinsam mit den vier „Proud Boys“ müssen sich Hunderte weitere Angeklagte aus dem ganzen Land demselben juristischen Vorwurf stellen. Die Welle der strafrechtlichen Ermittlungen erinnert somit an die großen Mafia-Verfahren Mitte der 1980er-Jahre.
Pikant: Eine der aufsehenerregenden Prozesswellen gegen führende italoamerikanische Mafiosi aus New York City zwischen 1985 und 1986 führte ausgerechnet Rudy Giuliani als damaliger Chefankläger der Staatsanwaltschaft. Nun hat alles den Anschein, als ob sich Giuliani selbst der Justiz stellen muss. Gemeinsam mit Donald Trump hatte dessen damaliger Anwalt in den Wochen vor dem 6. Januar 2021 und noch am Tag des Sturms auf dem Kapitol von der Bühne aus das Märchen verbreitet, wonach die Präsidentschaftswahlen verschoben worden seien. Und anschließend wenig verhohlen zum gewalttätigen Kampf aufgerufen.
Rudy Giuliani gemeinsam mit „Proud Boys“ angeklagt
Der Fall der „Proud Boys“ gilt als einer der schwerwiegendsten Verschwörungsfälle im Rahmen der Kapitol-Unruhen. Die Entscheidung von Richter Kelly kann als weitere Motivationsspritze für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen gesehen werden, sich auf die erste Welle von Prozessen im Zusammenhang mit US-Kapitol-Unruhen vorzubereiten, die im Februar beginnen. Schließlich hat dieser sich mit seiner Entscheidung, so sehen es etwa Kommentator:innen der Mediengruppe CNN, klar an die Seite der Strafverfolgungsbehörden gestellt.
Rudy Guliani übrigens, der mit den „Proud Boys“ in einer gemeinsamen Klageschrift auftaucht, soll zeitnah vor den Sonder-Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses geladen werden. Allgemein wird mit Spannung erwartet, ob der ins Wanken geratene Ex-Topjurist kooperieren wird. Oder, wie andere loyale Mitstreiter an der Seite von Donald Trump, ein Erscheinen verweigern. In diesem Fall könnte ein weiteres Verfahren auf Trumps ehemaligen Anwalt zurollen. (Mirko Schmid)