Frankreich bereitet sich auf die nächste Eskalation vor –Regierung warnt vor „Spannung“

In Frankreich wächst die Wut über Macrons Rentenreform. Es kommt zu zahlreichen Festnahmen. Die Regierung will mit den Gewerkschaften sprechen.
Paris – Die Proteste in Frankreich verschärfen sich. Die Wut über die Rentenreform trieb erneut Hunderttausende Menschen auf die Straßen. Demonstrierende zündeten Mülleimer an und plünderten Supermärkte. In Paris und anderen Städten mussten zahlreiche Polizisten anrücken, sie setzten teils auch Tränengas ein.
175 Polizisten wurden laut Innenministerium verletzt und etwa 200 Menschen bei den Streiks in Frankreich festgenommen. Französische Behörden sind angesichts der Situation in Sorge über eine neue Gelbwesten-Bewegung. Präsident Emmanuel Macron hält trotzdem weiter an seiner Rentenreform fest.
Streik gegen Rentenreform – Frankreich bereitet sich auf die nächste Eskalation vor
Die Gewerkschaften kündigten einen elften landesweiten Aktionstag für den sechsten April an. Anfang kommender Woche will Premierministerin Élisabeth Borne Vertreter der Gewerkschaften empfangen, wie französische Medien übereinstimmend berichteten. „Offensichtlich gibt es Spannungen wegen der Reform, wir müssen zuhören“, sagte sie jüngst gegenüber AFP. „Wir müssen das Land beruhigen und den Franzosen schnell Antworten geben“.
Laurent Berger, Chef der Gewerkschaft CFDT, sagte am Mittwoch (29. März 2023) im Sender France Info: „Ich werde hingehen, um zu erklären, warum diese Reform eine Sackgasse ist, warum die 64 Jahre abgelehnt werden.“ Man müsse verstehen, dass es eine tiefe Ablehnung der Reform und einen starken Groll gegen die Art und Weise gebe, wie die Dinge dabei gelaufen seien. Berger forderte zuvor die Einsetzung eines Vermittlers und das Aussetzen der Reform. „Wir nehmen uns eineinhalb Monate Zeit und sagen, dass die Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre vorerst nicht umgesetzt wird“, schlug er vor. Das wäre eine geeignete „Geste zur Befriedung“, sagte er dem Sender France Inter.
Proteste in Frankreich: Macron hält weiter an Rentenreform fest
Erst am Montag (27. März) hatte Präsident Macron die Minister der Regierung zu einer Krisensitzung einberufen. Macron hatte betont, dass er mit den Gewerkschaften wieder ins Gespräch kommen wolle. Allerdings wolle er nicht über die Kernpunkte der Reform verhandeln. „Das Rentengesetz liegt hinter uns“, sagte Regierungssprecher Olivier Véran. Derzeit befasse sich der Verfassungsrat mit der Reform, seine Entscheidung wird in etwa drei Wochen erwartet.
Die Reform sieht insbesondere die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre vor. Die Wut vieler Demonstranten gegen das Vorgehen der Regierung, die sich dabei auf einen viel kritisierten Verfassungsartikel gestützt hat, um das umstrittene Vorhaben ohne Abstimmung darüber durchs Parlament zu bringen. Durch Streiks hoffen sie, Macron zu besiegen und Verhandlungsdruck ausüben zu können.
Proteste in Frankreich gegen Macrons Rentenreform – zahlreiche Transportmittel fallen aus
Medienberichten zufolge waren die Demonstrationen in Frankreich am zehnten Aktionstag insgesamt weniger gewalttätig als die Proteste beim Aktionstag der vergangenen Woche. Auch die Teilnehmerzahl war geringer. Das Innenministerium sprach von 740.000 Demonstranten in ganz Frankreich, die Gewerkschaft CGT von landesweit rund zwei Millionen Teilnehmern. Vergangenen Donnerstag waren es 3,5 Millionen Demonstrierende. Die Polizei zählte in Paris 93.000 Demonstrierende, während die CGT 450.000 Teilnehmer in der französischen Hauptstadt meldete.
Am Dienstag (28. März 2023) fielen erneut zahlreiche Transportmittel aus. Im westfranzösischen Lorient blockierten Demonstranten Eisenbahngleise mit brennenden Barrikaden. Wegen des anhaltenden Streiks in den Raffinerien und Treibstoffdepots hätten mittlerweile 15 Prozent der Tankstellen nicht mehr alle Kraftstoffsorten im Angebot, sieben Prozent hätten gar keinen Treibstoff mehr, heißt es. Nach Angaben des Bildungsministeriums waren auch Lehrerinnen und Lehrer an dem Streik beteiligt.(bohy/AFP)