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Prigoschin holt Putin-Vertrauten zu sich – „Schlächter von Mariupol“ arbeitet jetzt für Wagner-Söldner

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Von: Marcus Giebel

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Generaloberst Michail Misinzew (l.), hier mit Verteidigungsminister Sergei Schoigu (m.) und Präsident Wladimir Putin, arbeitet nun offenbar für die Wagner-Gruppe (Archivbild).
Generaloberst Michail Misinzew (l.), hier mit Verteidigungsminister Sergei Schoigu (m.) und Präsident Wladimir Putin, arbeitet nun offenbar für die Wagner-Gruppe (Archivbild). © Mikhail Klimentyev/imago-images

Raus bei Wladimir Putin. Rein in die Wagner-Truppe. Der sogenannte „Schlächter von Mariupol“ ist im Kreml nicht mehr erwünscht, findet aber eine neue Aufgabe.

Moskau – Jewgeni Prigoschin lässt im Ukraine-Krieg kaum eine Gelegenheit ungenutzt, die russische Militärführung um Verteidigungsminister Sergei Schoigu öffentlich zu kritisieren. Schlecht vorbereitet, falsche Taktik, zu wenig Munition. Seine Vorwürfe in Richtung der Vertrauten von Kreml-Chef Wladimir Putin sind vielfältig. Wie viel Substanz hinter seinen Worten steckt, lässt sich schwer sagen. Genauso könnten die verbalen Angriffe aus seiner Sicht Mittel zum Zweck sein, um seine Stärke und Unabhängigkeit zu demonstrieren.

Jedenfalls hält den Chef der berüchtigten wie gefürchteten Söldner-Gruppe Wagner die offenbar ablehnende Haltung nicht davon ab, ehemalige russische Führungskräfte anzuwerben. So berichtet der Blogger Alexander Simonow, der sich selbst als „Kriegsberichterstatter und Experte für die politisch-militärischen Aktivitäten der NATO und der westlichen Länder“ bezeichnet, dass sich Generaloberst Michail Misinzew dem Prigoschin-Lager angeschlossen hat.

Video: Chef der Söldnergruppe Wagner kritisiert russische Armeeführung scharf

„Schlächter von Mariupol“ arbeitet für Wagner: Video zeigt Gespräch über Taktik

Auf Telegram veröffentlichte Simonow zwei Videos, auf denen der 60-Jährige zu sehen ist, der demnach nun als stellvertretender Kommandeur bei Wagner fungiert. Ein Clip zeigt Misinzew, der im aktuellen Krieg vom Westen den Beinamen „Schlächter von Mariupol“ bekam, in einem Trainingslager der Truppe. Im anderen besucht er deren Stellungen in der seit Wochen heftigst umkämpften Stadt Bachmut in der Oblast Donezk.

Dabei trägt er Militärkleidung mit dem Wagner-Abzeichen. In einer von Anton Gerashchenko, Berater des ukrainischen Innenministers, verbreiteten und mit englischen Untertiteln versehenen Sequenz unterhält sich Misinzew mit einem Mann in olivgrüner Jacke über das taktische Vorgehen. Daneben steht ein weiterer Militär, der eine Schutzweste trägt und einen großen Teil seines Gesichts hinter einem Tuch versteckt.

Misinzew vom Kreml entlassen: Generaloberst sorgte wohl für Zerstörung von Aleppo und Mariupol

Misinzew war bereits im Syrien-Krieg ein wichtiger ausführender Arm von Putin. Er koordinierte die Bombardierungen der in Schutt und Asche gelegten und seither als Mahnmal für die russische Zerstörungswut geltenden Stadt Aleppo. Im vergangenen Jahr soll er die Belagerung der am Ufer des Asowschen Meeres gelegenen Stadt Mariupol verantwortet haben. Auch hier wurden ganze Straßenzüge dem Erdboden gleichgemacht. Mariupol existiert quasi nur noch auf dem Papier.

Im September stieg Misinzew zum stellvertretenden Verteidigungsminister auf, doch auch er musste erfahren, wie schnell der Kreml die führenden Köpfe seit Beginn der Invasion austauscht. Ende April bekam er seine Papiere. Während der russische Militärkorrespondent Alexander Sladkow über die Hintergründe rätselte, schrieb der Militärblogger Semjon Pegow, die Abberufung zähle zu einer „Reihe von Entlassungen von Führungskräften, die wahrscheinlich mit Putins Besuch in der Ukraine zusammenhängen, bei dem die Offiziere an der Front die Gelegenheit hatten, die wirkliche Lage zu erklären“.

Jewgeni Prigoschin schimpft in die Kamera
Hält sich mit Kritik an der russischen Militärführung nicht zurück: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin soll sich in der Nähe von Bachmut aufhalten. © IMAGO / ZUMA Wire

Wagner holt Generaloberst von Putin: Hoffnung auf schnelleren Munitionsnachschub?

Bereits am 29. April hatte Prigoschins Presseabteilung angekündigt, dass Wagner sich um die Dienste von Misinzew bemühen wolle. Dazu muss man wissen: Trotz seiner harschen Kritik am russischen Vorgehen in der Ukraine äußert der Söldner-Chef für einige Generäle auch immer wieder Lob. Zuletzt auch für Misinzew.

Im Telegram-Kanal Grey Zone, der Wagner zumindest nahestehen soll, ist zu lesen, Misinzew sei einer der wenigen hohen Beamten gewesen, die versucht hätten, der Knappheit bei der Munition entgegenzuwirken und dabei auch Prigoschins Truppe nicht vergessen hätten. In Richtung Kreml heißt es weiter: „Er ist nicht der erste und sicher nicht der letzte General, der in der Bürokratie und der Speichelleckerei keinen Platz mehr hat.“

Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War schätzt, dass sich Wagner von Misinzew auch verspricht, schneller an russische Militärgüter heranzukommen. Prigoschin selbst bestätigt den prominenten Zugang nicht, auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters ließ er wissen, in Kriegszeiten blieben solche Angelegenheiten geheim. (mg)

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