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Pressefreiheit in Deutschland nur noch „zufriedenstellend“ - Bundesregierung will Medienvertreter besser schützen

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Von: Sophie Vorgrimler

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Zahlreiche Menschen nahmen an einer Demonstration der Initiative „Querdenken“ auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart teil.
Bei den Demonstrationen der Initiative „Querdenken“ kommt es - wie in Stuttgart - häufiger zu Angriffen auf die Presse. © Christoph Schmidt / dpa

Um die Pressefreiheit in Deutschland ist es nicht gut bestellt, heißt es von „Reporter ohne Grenzen“. Die Bundesregierung möchte reagieren. Wie, bleibt wage.

Berlin - Angriffe auf die Presse in Deutschland haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen: Seit 2015 wird bei AFD-Veranstaltungen die „Lügenpresse“ beschimpft, 2020 gab es einen Übergriff auf ein Kamerateam der ZDF-„Heute Show“ mit mehreren Verletzten, bei einer „Querdenken-Demo“ im Januar 2021 wurden auf Pressevertreter Steine geworfen. Nur Beispiele von Angriffen auf Vertreter der Presse zu verschiedenen Anlässen.

Diese traurigen und besorgniserregenden Zwischenfälle gegen die Pressefreiheit - und somit die Meinungsfreiheit und die Demokratie - haben die „Reporter ohne Grenzen“ am vergangenen Dienstag (20.04.2021) dazu bewogen, die Skala der Pressefreiheit in Deutschland herabzustufen. Die Bundesregierung hat darauf jetzt reagiert.

„Reporter ohne Grenzen“ macht Corona-Demos verantwortlich: Deutsche Pressefreiheit nicht mehr „gut“

„Das ist nichts, was wir unbeteiligt zur Kenntnis nehmen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch (21.04.2021) in Berlin. In letzter Zeit kommt es besonders häufig am Rande der Demonstrationen von Corona-Leugnern zu Angriffen auf Pressevertreter. Deshalb möchte die Bundesregierung jetzt die Schutzvorkehrungen für Medienvertreter verbessern. Die Einsatzkonzepte der Polizei für entsprechende Demonstrationen würden das Risiko von Angriffen auf Medienvertreter „künftig noch stärker berücksichtigen“, sagte der Sprecher weiter. Der Vertreter des Ministeriums bezog sich in der Stellungnahme konkret auf die Einschätzung von Reporter ohne Grenzen.

Die Organisation hatte am Vortag sein aktuelles Ranking für Deutschland bezüglich der Pressefreiheit heruntergesetzt. Bis dato galt es offiziell als „gut“ - jetzt ist es nur noch „zufriedenstellend“. Auch dafür werden insbesondere die gestiegene Anzahl an Übergriffen von gewaltbereiten Corona-Leugnern am Rande von Corona-Demonstrationen verantwortlich gemacht. Viele Corona-Leugner glauben an eine Verschwörung, in der alle Medien einen korrupten Zusammenschluss bilden, der im Auftrag einer Obrigkeit Unwahrheiten über das Corona-Virus und die Pandemie berichten - dementsprechend groß ist die Wut auf Pressevertreter vor Ort.

Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit in Deutschland auf Stufe mit USA, Frankreich und Südafrika

Jedes Jahr gibt die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ eine Karte heraus, in der die Pressefreiheit der Länder weltweit verzeichnet ist. Mit der Einschätzung „zufriedenstellend“ ist Deutschland für das Jahr 2020 auf einer Stufe mit der Pressefreiheit von beispielsweise Frankreich, den USA oder Südafrika. Eine gute Lage können nur sehr wenige Länder vorweisen - etwa Costa Rica, Finnland und Portugal. Die Lage in Polen weist der Einschätzung der Reporter ohne Grenzen nach „erkennbare Probleme“ auf, in Russland liege eine „schwierige Lage“ vor und in Kuba beispielsweise gebe es „erkennbare Probleme“ bezüglich der Pressefreiheit.

Grundlagen sind ein Fragebogen zu verschiedenen Aspekten journalistischer Arbeit sowie die von ermittelten Zahlen von Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Medienschaffende im Kalenderjahr 2020. Und die haben in Deutschland zugenommen.

Pressefreiheit in Deutschland: Innenministerium will Befund der Reporter ohne Grenzen ernst nehmen

Diesen Befund wolle man im Bundesinnenministerium ernst nehmen, sagte der Ministeriumssprecher weiter. Erste Schritte in diese Richtung seien bereits in Angriff genommen worden. Sie sollen weiter verbessert werden: So ist der Schutz von Medienschaffenden ein Teil der Einsatzkonzepte bei der Polizei. Wenn klar ist, dass eine Demonstration ansteht, in der die Demonstrierenden der Presse gegenüber eine generell ablehnende oder feindliche Haltung haben, werden Bereiche eingerichtet, in denen Journalisten einen Rückzugsort haben, an dem sie vor Übergriffen geschützt sind. Das möchte man ausbauen.

Die Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer reagierte ebenfalls auf den Bericht von „Reporter ohne Grenzen“. Sie rief zur Verteidigung der Pressefreiheit auf. „Jeder Angriff auf Journalistinnen und Journalisten ist einer zuviel“, sagte sie. „Das Recht auf freie journalistische Berichterstattung muss garantiert werden.“ Solche Taten müssten „deshalb mit aller Härte und Konsequenz des Rechtsstaats verfolgt werden“. (Sophie Vorgrimler mit dpa)

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