USA: Gewährt der Oberste Gerichtshof Polizisten bald quasi-absolute Immunität?

Polizeigewalt in den USA gelangt ohnehin nur selten zur Anklage. Nun gibt es neuen Anlass zur Sorge.
Washington, D.C. - Unterstützer der Black Lives Matter Bewegung in den USA kämpfen hart für Gerechtigkeit: Nachdem der schwarze US-Amerikaner George Floyd am 25. Mai 2020 von einem Polizisten getötet wurde, brach eine nationale und internationale Protestwelle los.
Im Juni 2021 folgte das historische Urteil: Das Gericht hatte den Ex-Polizisten zu 22 Jahren und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Jury hatte ihn des Mordes zweiten Grades für schuldig befunden. In Deutschland entspricht das in etwa einer Verurteilung für Totschlag in einem besonders schweren Fall.
George Floyds Tötung war dabei kein Einzelfall. Eine Besonderheit des amerikanischen Justizsystems, die sogenannte „qualifizierte Immunität“ (Englisch: qualified immunity) schützt. Sinn und Zweck dieses Konzeptes ist es, die Beamten vor Schadensersatzansprüchen zu schützen.
USA: Qualifizierte Immunität gewährt Polizisten Schutz
Wendet ein Polizist jedoch Gewalt an, so kann im Zuge der qualifizierten Immunität – nicht so bei einer absoluten Immunität – geprüft werden, ob er gegen sogenanntes „klar als etabliert geltendes Recht“ verstoßen hat.
Ein Prüfungsverfahren, dass auf Präzedenzfällen beruht: Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und der Bezirksgerichte in ähnlichen Fällen, aus denen die Handlung des Polizisten als klar gegen das Recht verstoßend beurteilt wurden, können als Grundlage für ein Verfahren herangezogen werden. Die qualifizierte Immunität ist dann ausgehebelt.
Wie das US-amerikanische Nachrichtenportal Vox nun berichtet, wurden im Zuge eines Gerichtsverfahrens Meinungen einiger Richter des Obersten Gerichtshofes bekannt, die sich dafür aussprachen, die Möglichkeit für dieses Prüfungsverfahren auf Präzedenzfälle des Obersten Gerichtshofes einzuschränken.
Polizeigewalt in den USA: Der Weg zur Anklage wird möglicherweise noch schwerer
Vor dem Hintergrund, dass viele der Fälle, in denen über das Bestehen der qualifizierten Immunität entschieden wird, vor den Bezirksgerichten entschieden werden und gar nicht erst bis zum Obersten Gerichtshof durchdringen, würde dies einen enormen Einschnitt für die Kläger bedeuten, so Vox weiter.
Die 13 Bezirksgerichte verhandelten insgesamt über 50.000 Fälle in einem Jahr, der Oberste Gerichtshof hingegen lediglich 60 bis 80 Fälle. Somit entfiele ein großes Volumen an Rechtsgrundlage für ähnlich gelagerte Fälle. In der Konsequenz käme die qualifizierte Immunität schließlich mehr einer absoluten Immunität gleich.
Welche Richter die Vorschläge zu der Änderung unterbreitet hatten und wer ihnen zustimmte, konnte laut Vox nicht in Erfahrung gebracht werden. Es sei außerdem ein einigermaßen überraschender Vorgang, da noch im Jahre 2017 ein sehr konservativer Richter sich für ein Überdenken der Regelung zur qualifizierten Immunität ausgesprochen habe. (na)