Polizeigesetz in Hessen: Palantir lässt die Polizei tief blicken

Daten sammeln ist erlaubt, um Straftaten aufzuklären. Werden aber Dateien verknüpft, sind weitere Rückschlüsse möglich
Obwohl die Karlsruher Richter:innen den Einsatz von Software zur Datenanalyse bei der Polizei nicht grundsätzlich verboten haben, sehen sie trotzdem den Datenschutz in Gefahr – und bestehen deshalb darauf, dass der Gesetzgeber der Technologie klare Grenzen setzt. Im Fokus stehen hierbei vor allem zwei Punkte: die Verknüpfung unterschiedlicher Datenbanken und die automatisierte Auswertung.
Alle Daten, die bei der Polizei gespeichert sind, wurden irgendwann einmal erhoben – meist im Zuge eines Ermittlungsverfahrens. In polizeilichen Datenbanken schlummern die unterschiedlichsten Informationen über Menschen. Während es bei Straftäter:innen oder Verdächtigen beispielsweise Fingerabdrücke oder DNA-Proben sein können oder bei Zeug:innen persönliche Kontaktdaten, existieren über bestimmte Gruppen in Deutschland noch umfassendere Datensammlungen. Wer in Deutschland Asyl beantragt, kann je nach Bundesland intensiv durchleuchtet werden. Auch organisierte Fußballfans, denen die Polizei oft pauschal Gewaltbereitschaft zuschreibt, müssen damit rechnen, dass persönliche Informationen in Datenbanken der Polizei landen, von der Schuhgröße über politische Einstellungen bis hin zur vermuteten Position in der Hierarchie der Fanszene. Oft landen die Daten bei der Polizei, ohne dass die betroffenen Personen davon erfahren.
All diese Daten werden erhoben und gespeichert, um einem bestimmten Zweck zu dienen. Mit ihnen sollen Verbrechen aufgeklärt oder verhindert werden. Werden sie aber mit anderen Datenbanken verknüpft, lassen sie größere Rückschlüsse zu, als es ursprünglich nötig war.
Datenanalyse mit Palantir: Mittels Handyortung können Profile erstellt werden
Mittels Handyortung können Bewegungsprofile von Menschen erstellt werden, die einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre darstellen. In den USA verlor ein Priester seinen Job, weil LGBTQ-feindliche Aktivist:innen die Daten einer queeren Datingplattform von einem Datenhändler kauften und sie mit den Bewegungsdaten des Priesters verknüpften. Jeder Datensatz für sich hätte den Mann nicht geoutet, kombiniert ließen sie aber tieferen Einblick in diesen intimen Lebensbereich zu.
Diese Art der Analyse ist oft den Ermittlungen bei besonders schweren Straftaten vorbehalten. Eine Ausweitung auf andere Bereiche ist technisch aber möglich und würde nur einer Gesetzesänderung bedürfen. Dazu kommt bei der Software, wie sie bei der hessischen Polizei zum Einsatz kommt, dass die Daten automatisiert ausgewertet werden. Die Software, die von der umstrittenen US-Firma „Palantir“ stammt, ist in der Lage, selbstständig Verbindungen zwischen den einzelnen Datensätzen herzustellen und Muster zu erkennen, die menschlichen Betrachter:innen verborgen bleiben.
Datenanalyse mit Palantir: Rassistische Stereotype verfestigen sich
Fachleute vermuten, dass derartige Software in Zukunft eine größere Rolle spielen wird, da in vielen Ermittlungsverfahren immer größere digitale Datenmengen ausgewertet werden müssen. Die Automatisierung hat aber auch zur Folge, dass immer öfter Unbeteiligte ins Visier der Polizei geraten werden. Denn um eine Verbindung herzustellen, müsste ein Mensch gezielt danach suchen, also einen Verdacht haben. Die Software kann diese Suchen auf Knopfdruck viel schneller durchführen und so viel mehr mögliche Verbindungen überprüfen. Da in Datenbanken der Polizei auch Informationen über Zeug:innen oder Angehörige liegen, könnte ein loser Kontakt zu einem Verdächtigen ausreichen, damit die Software Alarm schlägt.
Problematisch könnte das vor allem für marginalisierte Menschen sein. Aufgrund rassistischer Stereotype der menschlichen Ermittler:innen schaut auf die Software bei ihnen genauer hin. Denn: Wer häufiger verdächtigt wird, über den werden mehr Daten erhoben und über den findet die Software durch Verknüpfung dieser vielfältigen Daten auch mehr Verbindungen zu Verdächtigen.