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Politischer Umbruch bei den Provinzwahlen in den Niederlanden

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Von: Peter Riesbeck

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Die Wut der Bevölkerung hat Wahlfolgen. Hier eine Protestaktion gegen Umweltauflagen für die Landwirtschaft.
Die Wut der Bevölkerung hat Wahlfolgen. Hier eine Protestaktion gegen Umweltauflagen für die Landwirtschaft. © Imago

Bei den Regionalwahlen erleidet die Regierung der Niederlande Verluste – die „Bauer Bürger Bewegung“ ist die große Überraschung.

Die Niederlande haben gewählt. Und manches ist anders. Die Protestpartei BauerBürgerBewegung (BBB) erzielte einen großen Überraschungserfolg bei den Regionalwahlen. Sie kam landesweit auf rund 19 Prozent und wurde stärkste politische Kraft. Das Resultat bekommt auch der liberale Regierungschef Mark Rutte zu spüren. Die Ergebnisse in den Provinzen bestimmen die Zusammensetzung der Ersten Kammer, eine Art niederländischer Bundesrat. Dort gibt es für Rutte künftig mehr Gegenwind. Seine rechtsliberale Volkspartei VVD erlitt leichte Verluste und erzielte knapp 13 Prozent. Doch muss Rutte auch links neue Konkurrenz fürchten. Das neue Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen kam gemeinsam auf knapp 19 Prozent.

Neue Farbenlehre – 5 Fakten zur Wahl: 1 Sie war die Sensation des Abends: Caroline van der Plas und ihre Protestpartei BauerBürgerBewegung (BBB). „Das hatte ich nicht erwartet“, sagte die ehemalige Agrarjournalistin. In der ländlichen Provinz Overijssel im Norden des Landes holte BBB ein Drittel der Stimmen. Der Erfolg ging vor allem zu Lasten der Christdemokraten.

Das Volk fühlt sich im Stich gelassen

1 Sie war die Sensation des Abends: Caroline van der Plas und ihre Protestpartei BauerBürgerBewegung (BBB). „Das hatte ich nicht erwartet“, sagte die ehemalige Agrarjournalistin, 55. Da waren gerade die ersten Ergebnisse reingekommen. In der ländlichen Provinz Overijssel im Norden des Landes holte BBB ein Drittel der Stimmen. Aus dem Stand. Der Erfolg ging vor allem zu Lasten der Christdemokraten. Geschickt hatte van der Plas den Unmut über die Klimapläne von Ruttes Regierung kanalisiert. Bis 2030 soll der Stickstoffbelastung durch die Landwirtschaft halbiert werden.

Van der Plas gelang es, nicht nur die Bauern zu mobilisieren. Sie machte aus dem Protest eine Bewegung vom Land gegen die städtischen Zentren zwischen Amsterdam und Rotterdam. Jägergrün statt Sonnenblume. So konnten sich nicht nur Landwirte wiederfinden, sondern auch jene auf dem Land, die sich durch die ausgedünnte Infrastruktur von der Schließung von Dorfschulen bis zum fehlenden Arzt abgehängt fühlen. „Die Menschen sehen die Höfe als Kern ihres Dorfs“, stellte van der Plas am Wahlabend nochmal klar. Sie macht den Landwirt zum Symbol für den Aufstand vom flachen Land.

„Es geht nicht um Stickstoff, es geht um Menschen“, sagte die Politikerin. Land gegen Stadt ist das neue Cleavage - nicht nur in den Niederlanden. Gegen die Brüche der Klimawende formiert sich Protest, das zeigt auch der Unmut über Verbrenner-Aus und Sanierungsvorgaben für Gebäude aus Brüssel. Doch machte van der Plas eins klar. Sie will mit ihrer Partei mitgestalten. In den Regionen. Und in der Ersten Kamer, dem Senat. Das macht ihre Partei so besonders. BBB macht zwar mobil gegen Den Haag. Die neue Bewegung erschöpft sich nicht im Protest.

2 Regierungschef Mark Rutte lächelte etwas gequält. An Wahlabenden ist eigentlich er der Sieger. Seit 2010 sind Rutte und seine rechtsliberale Partei an der Macht. Der Premier hat mit dem rechten Populisten Geert Wilders regiert, mit den Sozialdemokraten und nun mit Christdemokraten und den linksliberalen von Demokratie 66.

Stadt versus Land

Mal machte er auf strikte Zuwanderungspolitik, mal auf strikten Eurorettungskurs. Rutte regiert in seiner vierten Amtszeit zaudernd. Jetzt folgte ein Rückschlag bei den Regionalwahlen für die zwölf Provinzen. „Wir sind noch immer eine große Partei und sind bereit Verantwortung zu übernehmen“, meinte Rutte. Dann legte er nach und erklärte: „Überall im Land müssen neue Regionalregierungen geformt werden.“ Die Botschaft war klar: Die Liberalen sind Gestaltungspartei. Das Regieren für den Regierungschef wird jedoch schwieriger.

3 Rot und Grün dominierte die Saalbeleuchtung. Schließlich feierten die Sozialdemokraten von Fraktionschefin Attje Kuiken und die Grünen von Frontmann Jesse Klaver zusammen. Beide Parteien traten bei einer Wahl im Land erstmals als gemeinsames Bündnis an. Trotz der guten Stimmung – der ganz deutliche Erfolg für die neue Allianz blieb aus. Caroline van der Plas und ihre BBB standen im Mittelpunkt am Wahlabend. Dennoch entsteht links der Mitte eine neue Machtperspektive. Sozialdemokraten und Grüne bilden in der Ersten Kammer eine gemeinsame Fraktion.

4 Dann stellt sich auch die K-Frage bei der neuen Linken in den Niederlanden. In vielen Talkshows traten die Sozialdemokratin Kuiken und der Grüne Klaver gemeinsam auf. „Wir haben uns in der Vergangenheit nach Kompromissen das Leben gegenseitig schwer gemacht. Wo schimmert’s jetzt mehr grün? Und wo mehr sozialdemokratisch“, so Klaver. Auf alles hatte das rot-grüne Duo eine gemeinsame Antwort.

5 Die neue Kluft zwischen Stadt und Land macht es jenen schwer, die ebenfalls auf Protest setzen. Rechtspopulist Geert Wilders etwa oder ganz weit Rechtsaußen Thierry Baudet vom Forum, bei der letzten Regionalwahl 2019 noch stärkste Kraft. Seine Partei hat sich zerlegt. Auch, weil sie sich dem Politbetrieb komplett verweigerte. So ist die Wählerschaft abgewandert zur neuen Partei BBB.

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