Pöbeleien in der Linksfraktion

Im Streit über den Kurs der Vorsitzenden Sahra Wagenknecht stellen sich mittlerweile auch Verbündete gegen sie.
Der vorläufig letzte Akt folgte am Dienstag. Da traf sich die 69-köpfige Linksfraktion im Bundestag und nahm den Streit aus der Vorwoche wieder auf – wenn auch in zivilisiertem Ton, wie ein Teilnehmer gegenüber der FR berichtete. Derselbe Teilnehmer sagte aber auch, der Streit könne durchaus wieder eskalieren. Leider sei „nichts ausgeschlossen“. In der Sitzung zuvor soll es Gebrüll und Pöbeleien gegeben haben.
Bekannt ist, dass sich die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zuletzt mehrmals durch Fraktionschefin Sahra Wagenknecht herausgefordert fühlten. Dabei ging es um Wagenknechts Flüchtlingsskepsis ebenso wie um ihre Forderung, nur allein mit ihrem Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch als Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl zur Verfügung zu stehen – oder eben gar nicht. Letzter Akt war das Werben der 48-Jährigen für eine linke Sammlungsbewegung, in dem manche Parteifreunde den Versuch sehen, die Führungsgremien an den Rand zu drängen und die Linke zu einer Art Wagenknecht-Wahlverein umzufunktionieren.
Kipping und Riexinger widersprachen stets – woraufhin Wagenknecht im „Neuen Deutschland“ wissen ließ, eine Partei, in der es dauernd Streit gebe, werde schlecht geführt. Daraufhin wiederum schrieben 25 der 69 linken Parlamentarier Mitte März einen Brief. Darin heißt es: „Mit Erstaunen nehmen wir die inzwischen wiederholt öffentlich vorgetragene Kritik unserer Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht an der Arbeit der Parteispitze wahr. Wir teilen diese Einschätzung nicht. Im Gegenteil finden wir, dass sich die Partei seit dem Göttinger Parteitag von den davor liegenden Auseinandersetzungen gut erholt hat und sich weiterhin gut entwickelt.“ Der einstige Parteistratege Thomas Falkner tat kund, es sei die Fraktion, die „falsch geführt“ werde, „getrieben von Selbstdarstellung nach außen und Erpressung nach innen, in Dauerattacke auf die Parteiführung. So geht’s nicht!“ Der Brief war seinerseits Ausgangspunkt der lautstarken Auseinandersetzung in der Fraktion.
Gegenseitige Vorwürfe in der Linken
Neu ist, dass sich der Druck Wagenknechts auf Kipping und Riexinger jetzt gegen sie selbst zu wenden scheint. Neu ist ebenso, dass auch Vertreter des linken Parteiflügels auf Distanz gehen – wie Ulla Jelpke aus Nordrhein-Westfalen oder Tobias Pflüger aus Baden-Württemberg, die den Brief unterschrieben.
Dass es Wagenknecht gelingt, die beim Parteitag Anfang Juni in Leipzig erneut kandidierenden Vorsitzenden zu stürzen, scheint eher unwahrscheinlich. Umgekehrt nennt es ein Fraktionsmitglied „Signale für eine weitere Konfrontation“, dass sich der Kipping-Vertraute Jörg Schindler um das Amt des Bundesgeschäftsführers bewirbt und die ihr ebenfalls nahestehende thüringische Bundestagsabgeordnete Martina Renner als stellvertretende Parteivorsitzende gehandelt wird.
Bezeichnend ist, dass beide Seiten der jeweils anderen vorwerfen, was ihnen selbst zur Last gelegt werden kann. So beklagen die 25 Unterzeichner des Briefes zu viel „Kommunikation über Medien“. Gleichwohl, sagt ein bekannter Linke, sei ebendieser Brief schneller in der Presse gelandet als bei der Betroffenen. Zugleich stellte der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich in einem eigenen Schreiben fest, in der Fraktion herrsche der „pure Hass“. Ähnlich hatte sich der damalige Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi bereits 2012 geäußert. Derselbe Ulrich hatte Kipping zuvor einen „krankhaften Neidkomplex“ gegenüber Wagenknecht attestiert. Er tat es wie ein Internet-Troll – nämlich bei Facebook.
Ein um Neutralität bemühtes Fraktionsmitglied sagt: „Es gibt keine Unschuldslämmer, auf keiner Seite.“ Der jetzige Zustand dürfe „kein Dauerzustand sein“.