1. Startseite
  2. Politik

Die Pharma-Flüsterer

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Betreibt das Grüne Kreuz Verbrauchertäuschung?
Betreibt das Grüne Kreuz Verbrauchertäuschung? © Screenshot

Das Deutsche Grüne Kreuz gibt neutral wirkende Gesundheitsinformationen heraus - oft bezahlt von Konzernen. Von Matthias Thieme

Von Matthias Thieme

Hans Freiherr von Stackelberg ist ein äußerst höflicher und redegewandter Mann - er könne Menschen mit seinem Charisma verzaubern, heißt es in seinem Umfeld. Mit Impfstoffen und vielen anderen Pharma-Produkten kennt der Freiherr sich bestens aus. Auch mit den Ängsten der Menschen vor Krankheiten und Medikamenten. "Durch unsere Informationen sind ganz viele Menschen vor schlimmen Krankheiten gerettet worden, manche sogar vor dem Tod", sagt von Stackelberg, der in Marburg Vorstand und Geschäftsführer des Deutschen Grünen Kreuzes (DGK) ist.

Schweinegrippe, Zeckenimpfung, Migräne, Brustkrebs oder Demenz - das DGK bietet neutral wirkende Informationen. Doch jetzt beklagt sich der Freiherr, man wolle seine Organisation kaputtmachen. Manche Medien behandelten ihn so abschätzig, als betreibe er einen Zuhälterring. Was ist geschehen?

Branchen-Kenner wie Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des Arznei-Telegramms, haben große Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des DGK und seiner Tochterfirmen. Hans von Stackelberg hat den Verein mit der Gründung zahlreicher Ableger zu einer Familienunternehmung aufgebaut, die nach eigenen Angaben jährlich sieben bis acht Millionen Euro Umsatz macht. Mit seiner Frau Barbara und seinem Sohn Daniel kontrolliert von Stackelberg praktisch das ganze Konstrukt.

Der Name Grünes Kreuz sei geschickt gewählt, um vom Image des Roten Kreuzes zu profitieren, so Becker-Brüser im Arznei-Telegramm. Noch schlimmer: Mit seinen kommerziellen Tochtergesellschaften schöpfe der Verein "wesentliche Einnahmemöglichkeiten im Pharma-Bereich ab", lasse sich von Firmen bezahlen und verschleiere die Sponsoren. "Dadurch wird das DGK zum verlängerten Arm des Pharmamarketings", heißt es im Arzneimittel-Telegramm. Unter dem Deckmantel der Prävention propagiere der DGK-Verbund Produkte, "deren Nutzen nicht durch aussagekräftige Studien belegt ist". Die kommerziellen Ziele seien "derart dominant, dass die Gemeinnützigkeit des DGK fraglich erscheint".

Lange war von Stackelberg ein Meister seines Metiers, ein sanfter Pharma-Flüsterer mit großem Erfolg: Die Presse- und Informationsdienste des DGK-Verbunds erreichten eine addierte Tagesauflage von mehr als einer Milliarde im Jahr und seien damit "die am meisten nachgedruckten Gesundheitsinformationen im Bundesgebiet", so das DGK. "Hinzu kommen jährlich bis zu 1500 Radiosendungen und etwa 200 TV-Beiträge, die in Zusammenarbeit mit dem DGK produziert werden".

Wie dabei gearbeitet wird, haben Branchen-Insider der FR berichtet: Mit bestimmten Gesundheitsthemen gehe man auf Sponsorensuche und schließe Verträge. Wenn Pharmaunternehmen Geld bereitstellen, werde eine Kampagne geplant. Am Ende stünden etwa Aktionen, Broschüren, Plakate und vor allem Texte für die Presse. Diese enthielten oft keine Produktnamen, sondern die Wirkstoffe bestimmter Hersteller. Der Abdruck werde anhand unauffällig in den Text eingebauter Suchworte ausgezählt, das Ergebnis dem Geldgeber mitgeteilt.

Zudem vermittelte die DGK-Tochtergesellschaft Kilian auch Moderatoren von Gesundheitsmagazinen in öffentlich-rechtlichen TV-Sendern an Unternehmen, etwa die MDR-Moderatorin Alexandra Rubin und die HR-Moderatorin Anne Brüning. "Die haben jetzt von ihren Sendern nahegelegt bekommen, das nicht mehr zu machen", sagt Hans von Stackelberg auf FR-Anfrage. "Es ist lächerlich - es gab keinen einzigen Fall, in dem Themen in der Sendung untergebracht wurden."

Er mache kein Geheimnis daraus, dass er "mit vielen Pharma-Herstellern in Kontakt" sei, sagt Stackelberg. Dass Geld fließt, bestätigt er: "Wir können unsere Arbeit nicht anders leisten, wir müssen Geld von Dritten nehmen." Es gebe Beiträge ohne Finanzierung ebenso wie "Kampagnenthemen, die von Sponsoren finanziert werden, damit sie mit Nachdruck in die Öffentlichkeit kommen." Meist zahle nicht nur ein Hersteller, sondern "alle Hersteller einer Substanzgruppe". So versuche man etwa gemeinsam mit Herstellern, die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs voranzubringen.

Von Stackelberg gehörte nach eigenen Angaben bis vor einem halben Jahr ein Impfstoffunternehmen in der Schweiz, das zeitweise mehr als zehn Millionen Euro Umsatz hatte. Einen Interessenkonflikt sieht von Stackelberg nicht: "Wir sind nicht abhängig von der Industrie", sagt er, "wir würden kein Thema anfassen, von dem wir nicht überzeugt sind."

Auch interessant

Kommentare