US-Geheimdienste hören wohl deutsches Verteidigungsministerium ab

Der Freund hört mit: Laut den Pentagon-Leaks überwachen die Geheimdienste das Verteidigungsministerium von Boris Pistorius. Versprochen war mal was anderes.
Berlin – Spionage in den eigenen Reihen: Die USA sollen einem Medienbericht zufolge die Kommunikation im deutschen Verteidigungsministerium überwachen. Das legt ein Geheimdokument offen, das im Zuge des US-Leaks öffentlich gemacht worden ist und über das jetzt die Zeit zusammen mit der ARD berichtet hat. Demnach haben die US-Sicherheitsdienste ein Treffen von deutschen Behördenvertretern mit einer chinesischen Delegation bespitzelt. Droht den deutsch-amerikanischen Beziehungen ein neuer Abhörskandal wie einst bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)?
Dem Bericht zufolge soll das Treffen am 20. Februar dieses Jahres stattgefunden haben. Die Ministerialen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollten dabei mit chinesischen Militärs über eine Entspannung im Verhältnis beider Länder debattieren. Zuvor hatte es in der Bundesregierung eine enge Abstimmung zu dem Thema gegeben.
Pentagon-Leaks: US-Geheimdienste sollen Verteidigungsministerium von Pistorius überwacht habe
Bei dem Gespräch verfolgten die Deutschen laut den Pentagon-Leaks aber offenbar eine klare Linie, die durchaus im Sinne der USA war. Denn nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste hätten sie gegenüber der chinesischen Delegation „klargemacht, dass keine weitere Kooperation im Verteidigungsbereich“ möglich sei, solange Peking intransparent und abgeschottet agiere, notierten die Abhörspezialisten laut der Zeit in ihrem Papier zur Überwachung des Verteidigunsministeriums. In der Ampel-Koalition sei man sich „bewusst, dass die Volksrepublik China angesichts großen US-amerikanischen Drucks eine ‚Charme-Offensive‘ begonnen“ habe. Die Ablehnung einer vertieften Kooperation verstehe man als einen „Akt der Solidarität mit den USA“.
So steht es in dem nun bekannt gewordenen Geheimdokument aus den Pentagon-Leaks. Klassifiziert ist es mit dem Zusatz „signal intellegence“ (si) – was auf Abhörmaßnahmen bei Telefon, Chats und E-Mails hindeutet. Nach Recherchen von Zeit und ARD deckt sich der Inhalt der amerikanischen Aufzeichnungen ziemlich genau mit dem Gesprächsinhalt. Eine offizielle Stellungnahme wollte das Verteidigungsministerium zu dem Vorgang aber bislang nicht abgeben.
US-Spionage auf Verteidigungsministerium geht auf US-Leak von Jack Teixeira zurück
Inwieweit das Dokument echt ist, ist unklar. Das Papier ist ein Teil der Pentagon-Leaks, die in der vorvergangenen Woche öffentlich gemacht worden sind. Der 21-jährige Nationalgardist und IT-Spezialisten Jack Teixeira von der Massachusetts Luftnationalgarde hatte die geheimen US-Dokumente abfotografiert, teilweise abgeschrieben und dann über eine Online-Plattform geleakt. Nur wenige Tage später nahm das FBI den Maulwurf auf seiner Veranda fest. Nun droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Seine Aktion hatte unter anderem Geheimnisse rund um den Ukraine-Krieg verraten.
Abhöraktion wie bei Merkel? In Berlin löst Überwachung des Verteidigungsministeriums Stirnrunzeln aus
Im Fall des Verteidigungsministeriums ist weniger der Inhalt des deutsch-chinesischen Gesprächs brisant. Vielmehr dürfte in der deutschen Politik die Tatsache ein Stirnrunzeln auslösen, dass die US-Geheimdienste weiterhin deutsche Behörden belauschen. Vor knapp zehn Jahren hatte der NSA-Skandal die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf Jahre nachhaltig zerstört, als bekannt geworden war, dass die Amerikaner sogar Bundeskanzlerin Merkel abgehört hatten. „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“, hatte die Regierungschefin bei einem Besuch in Washington gesagt und dabei dem damaligen Präsidenten Barack Obama das Versprechen abgetrotzt, dass die Aktivitäten abgestellt werden würden.
Doch Obamas Versprechen galt womöglich nur auf Merkel persönlich bezogen. Vor den deutschen Behörden machen die US-Sicherheitsdienste weiterhin nicht Halt. Doch in Berlin will man den Fall erst mal nicht zu hoch hängen – auch mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die deutschen Dienste auf einen Austausch mit den amerikanischen Partnern angewiesen sind. In der ARD mahnte Grünen-Politiker Konstantin von Notz zur Umsicht. „Man muss jetzt erstmal mit den Amerikanern sprechen und klären“, sagte er, „wie es zu der Spionage kommen konnte.“ (jkf)