Parlamentswahl in Frankreich: Alles Wichtige zur Wahl
Am 12. und 19. Juni entscheidet Frankreich bei der Parlamentswahl über die Zusammensetzung der Nationalversammlung. Die Abstimmung kann Macron in Bedrängnis bringen.
Paris – Mit der Parlamentswahl in Frankreich steht kurz nach der Präsidentschaftswahl gleich die nächste wichtige Abstimmung an. Am 12. und 19. Juni 2022 entscheiden die Menschen über die Zusammensetzung der Nationalversammlung, dem Unterhaus des Parlaments. Knapp zwei Monate nach seiner Wiederwahl als Präsident der Grande Nation gerät Emmanuel Macron dabei unter Druck. Neben Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National hat sich ein neues linkes Bündnis um Jean-Luc Mélenchon gegen Macron gebildet.
Abstimmung | Parlamentswahl in Frankreich |
---|---|
Was wird gewählt? | Nationalversammlung |
Wer wird gewählt? | 577 Abgeordnete |
Wahlsystem | Mehrheitswahl in zwei Wahlgängen |
Legislaturperiode | Fünf Jahre |
Datum des ersten Wahlgangs | 12. Juni 2022 |
Stichwahl | 19. Juni 2022 |
Behält der Staatschef nach der Wahl der Nationalversammlung seine Mehrheit im Parlament oder gibt es eine ihm kritisch gegenüberstehende Mehrheit in der Nationalversammlung? Die Menschen in Frankreich können diese Frage am 12. und 19. Juni 2022 beantworten.
Parlamentswahl Frankreich: Wahlsystem – Wie wird das Parlament gewählt?
Bei der alle fünf Jahre stattfindenden Parlamentswahl in Frankreich werden die 577 Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt, wovon 539 das Festland und 27 die Überseegebiete repräsentieren. Die Politiker:innen werden in einer Mehrheitswahl in 577 Wahlkreisen gewählt. Dabei gibt es 566 sogenannte französische Wahlkreise und elf Auslandswahlkreise. In jedem davon wird eine Person gewählt.
Ergebnisse der französischen Parlamentswahl
Die Ergebnisse der Parlamentswahl können Sie in unserem Ticker zur Frankreich-Wahl abrufen.
Bei der Parlamentswahl in Frankreich gibt es zwei Wahlgänge:
- Erster Wahlgang (12. Juni 2022): Gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhält, wenn seine Stimmenzahl mindestens einem Anteil von 25 Prozent der Wahlberechtigten im Wahlkreis entspricht. Wenn niemand die Bedingungen erfüllt, kommt es zur Stichwahl.
- Zweiter Wahlgang (19. Juni 2022): In die Nationalversammlung zieht ein, wer die relative Mehrheit erhält. Gewählt ist also, wer die meisten Stimmen erhält. Bei der Stichwahl darf kandidieren, wer im ersten Wahlgang von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wahlberechtigten gewählt wurde.
Wahlberechtigt sind alle Menschen, welche die französische Staatsbürgerschaft haben, mindestens 18 Jahre alt sind und ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.
Parlamentswahl in Frankreich: Welche Aufgaben hat die Nationalversammlung?
Die Nationalversammlung ist eine der zwei Kammern des französischen Parlaments und wird im Gegensatz zum Senat, dessen Mitglieder indirekt bestellt werden, direkt vom Volk gewählt. Zu den wichtigsten Aufgaben der französischen Nationalversammlung gehört die Gesetzgebung. Für folgende Politikbereiche ist das Parlament in Frankreich nach Artikel 34 der Verfassung zuständig:
- Staatsbürgerliche Grundrechte und Freiheiten
- Festlegung von Verbrechen und Vergehen
- Steuern
- Haushalt
- Verteidigung
- Verwaltung von Gebietskörperschaften
- Unterrichtswesen
- Eigentumsrecht
- Arbeitsrecht
- Finanzierung der Sozialversicherung
Damit ein Gesetz in Kraft treten kann, müssen sowohl die Nationalversammlung als auch der Senat zustimmen. Alternativ kann die Regierung einen Vermittlungsausschuss einrichten. Letztendlich kann die direkt gewählte Nationalversammlung den Senat jedoch auch überstimmen.
Eine weitere Aufgabe der Nationalversammlung in Frankreich ist die Kontrolle der Regierung, die gegenüber dem Parlament rechenschaftspflichtig ist. Die Abgeordneten haben demnach das Recht, die Regierung schriftlich oder mündlich zu befragen. Zudem kann die Nationalversammlung Untersuchungsausschüsse oder Enquete-Kommissionen einsetzen.
Parlamtswahl in Frankreich: Das Verhältnis der Nationalversammlung zur Regierung
Die französische Regierung ist außerdem von der Mehrheit der Nationalversammlung abhängig. Die Abgeordneten können die Regierung zum Rücktritt zwingen, indem sie mit einer Mehrheit von 289 der 577 Mitglieder einen Misstrauensantrag beschließen. Umgekehrt kann die Premierministerin bzw. der Premierminister das Parlament bitten, ihr das Vertrauen auszusprechen und die Abstimmung mit der Zustimmung zu Gesetzesinitiativen verbinden.

Zwar wählt die Nationalversammlung die Premierministerin bzw. den Premierminister nicht, wie es beispielsweise in Deutschland der Fall ist, sondern diese:r wird vom Präsidenten ernannt. Dennoch ist durch die Möglichkeit der Abwahl die Regierung von einer Mehrheit im Parlament abhängig. Deshalb ist es üblich, dass der Präsident, im Jahr 2022 Emmanuel Macron, eine:n Kandidierende:n der größten Fraktion zur Premierministerin bzw. zum Premierminister ernennt.
Präsident und Premierminister:in: Warum ist die Parlamentswahl in Frankreich für Macron wichtig?
Frankreich hat eine doppelköpfige Exekutive: neben der Präsidentin bzw. dem Präsidenten und Staatschef gibt es die Premierministerin bzw. den Premierminister, die bzw. der Chef:in der Regierung ist. Emmanuel Macron hat als Präsident die zentrale Rolle der französischen Politik inne und ernennt und entlässt beispielsweise die Regierung. Dennoch ist es laut Verfassung Aufgabe der vom Parlament abhängigen Regierung, die Politik Frankreichs zu bestimmen und zu leiten. So fasst die Regierung im Ministerrat Beschlüsse über Dekrete und Verordnungen.
In der politischen Praxis ist es meistens so, dass Präsident:in und Premierminister:in aus demselben politischen Lager stammen, so dass die Präsidentin bzw. der Präsident über alle grundlegenden politischen Fragen in der Innen- und Außenpolitik entscheiden kann. Je nach Ausgang der Parlamentswahl in Frankreich kann es aber dazu kommen, dass eine andere Partei als die des Präsidenten die Mehrheit in der Nationalversammlung hat und die Regierung deshalb aus einem anderen politischen Lager kommt. Beide Teile der Exekutive stehen sich dann gegenüber.
Parlamentswahl in Frankreich: Was bedeutet Kohabitation?
Dieser Zustand wird als Kohabitation bezeichnet. Im Fall der Kohabitation übernimmt die Premierministerin bzw. der Premierminister vor allem die Innenpolitik, während die Präsidentin bzw. der Präsidentin auf Teile der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik beschränkt bleibt. Bei einem Sieg einer anderen Partei bzw. eines anderen Bündnisses bei der Wahl zur Nationalversammlung würde Macron also die Entscheidungsmacht über innenpolitische Themen verlieren. Der Präsident hat jedoch die Macht, das Parlament aufzulösen, was zu Neuwahlen führt.
Prognosen, Hochrechnungen und Ergebnisse der Frankreich-Wahl
Die Wahl am 12. und 19. Juni wird mit Spannung erwartet. Wann gibt es erste Prognosen und Hochrechnungen?
Seit Reformen 2002 findet die Parlamentswahl in Frankreich jedoch kurz nach der Präsidentschaftswahl statt, um den Zustand der Kohabitation zu verhindern. Die Menschen stimmen daher ähnlich ab, so dass der neugewählte Präsident auch eine Mehrheit in der Nationalversammlung innehat.
Parlamentswahl in Frankreich: Welche Parteien und Bündnisse treten an?
Bei der Parlamentswahl in Frankreich im Juni 2022 treten eine Reihe von unterschiedlichen Parteien an. Favorit auf einen Sieg bei der Abstimmung über die neue Nationalversammlung ist jedoch die Bewegung La République en Marche von Präsident Emmanuel Macron. Dennoch zeigt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Frankreich, dass der Staatschef Konkurrenz bekommt.
Bei der Wahl zur Nationalversammlung in Frankreich haben sich mehrere Parteien zu Bündnissen zusammengeschlossen. Damit wollen sie vermeiden, dass sich Kandidierende aus einem politischen Lager in einem Wahlkreis gegenseitig Stimmen wegnehmen und dadurch Bewerber:innen der politischen Gegner:innen ins Parlament einziehen. Stattdessen teilen sie die Wahlkreise unter sich auf und treten mit einer gemeinsamen Person an.
Frankreich-Wahl: Macron ruft Bündnis Ensemble ins Leben
Auch Emmanuel Macrons zu „Renaissance“ umbenannte Partei La République en Marche (LREM) hat sich vor der Parlamentswahl mit mehreren liberalen Parteien zum Bündnis Ensemble Citoyens (etwa „Gemeinsame Bürger“) zusammengeschlossen. Dazu gehören folgende Parteien:
Partei | Ausrichtung |
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La République en Marche! | Liberal, progressiv, pro-europäisch |
Mouvement démocrate (MoDem) | Zentristisch, liberal |
Horizons | Mitte-rechts |
Agir | rechts-liberal |
Territoires de Progrès | sozialdemokratisch |
En commun | grün, pro-europäisch |
Parti républicain, radical et radical-socialiste | liberal |
Das Bündnis hat kein festes, gemeinsames Programm für die Frankreich-Wahl. Stattdessen bekennen sich die Parteien zu einer Reihe von gemeinsamen Zielen, wie etwa die Unterstützung der Europäischen Union, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, Emanzipation sowie Umwelt- und Klimaschutz.
Parlamentswahl in Frankreich: Jean-Luc Mélenchons linkes Bündnis „NUPES“
Zahlreiche Parteien des linken Lagers haben sich vor der Parlamentswahl in Frankreich 2022 zur „Nouvelle Union populaire écologique et sociale“, kurz NUPES, zusammengeschlossen. Das Bündnis, das übersetzt etwa „neue ökologische und soziale Volksunion“ heißt, wird von Jean-Luc Mélenchon und seiner Partei La France insoumise angeführt. Folgende Parteien gehören zum Linksbündnis:
Partei | Ausirchtung |
---|---|
La France insoumise | linksradikal, ökologisch, EU-kritisch |
Parti Socialiste | sozialdemokratisch |
Parti communiste français | kommunistisch |
Europe Écologie-Les Verts | grün |
Auch die einstige sozialdemokratische Volkspartei Parti socialiste (PS), die grüne Europe Ecologie – Les Verts und die Parti Communiste gehören dazu. Die Parteien im Bündnis haben die Wahlkreise vor der Wahl der Nationalversammlung unter sich aufgeteilt.
NUPES setzt sich unter anderem für die Anhebung des Mindestlohns, die Senkung des Renteneintrittsalters, einen ökologischen Wandel und den Ausstieg aus der Atomenergie ein.
Marine Le Pen und Rasssemblement National hoffen auf Wahl zur Nationalversammlung in Frankreich
Marine Le Pen und ihre rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) hoffen auf die Wahl der Nationalversammlung. „Die Partie ist noch nicht gelaufen, es stehen noch Parlamentswahlen an“, sagte Le Pen nach der Präsidentschaftswahl. Sie werde „den Kampf weiterführen“. Das Ergebnis zeige ein „großes Misstrauen des Volkes“. Bisher konnte der RN bei Parlamentswahlen jedoch keine großen Erfolge feiern.
Parlamentswahl in Frankreich: Die Ergebnisse und die Sitzverteilung der Nationalversammlung 2017
Bei der Parlamentswahl 2017 wurde Macrons Partei La République en Marche mit 28,21 Prozent stärkste Kraft. Die Ergebnisse der übrigen Parteien im ersten Wahlgang:
Partei | Ergebnis in Prozent |
La République en Marche | 28,21 |
Les Républicains | 15,77 |
Front National | 13,20 |
La France insoumise | 11,02 |
Parti socialiste | 7,44 |
Europe Écologie-Les Verts | 4,30 |
Mouvement démocrate | 4,11 |
Union des Démocrates et Indépendants | 3,03 |
Divers droite | 2,76 |
Sonstige | 10,16 |
In Folge des Mehrheitswahlrechts hat der relative Anteil der Stimmen jedoch keinen Einfluss auf die Sitzverteilung in der französischen Nationalversammlung. Letztendlich sah die Sitzverteilung nach der Parlamentswahl in Frankreich 2017 wie folgt aus:
Partei | Sitze |
---|---|
La République en marche | 308 |
Les Républicains | 112 |
Mouvement démocrate | 42 |
Parti socialiste | 30 |
Union des Démocrates et Indépendants | 18 |
La France insoumise | 17 |
Divers gauche | 12 |
Parti communiste français | 10 |
Front National | 8 |
Divers droite | 6 |
Régionaliste | 5 |
Parti radical de gauche | 3 |
Divers | 3 |
Europe Écologie-Les Verts | 1 |
Debout la France | 1 |
Extrême droite | 1 |
(Max Schäfer)