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Parität in Deutschlands höchstem Gericht auf der Kippe

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Von: Ursula Knapp

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Zwei Frauen und ein Mann müssen in Karlsruhe 2023 turnusgemäß ihren Hut nehmen.
Zwei Frauen und ein Mann müssen in Karlsruhe 2023 turnusgemäß ihren Hut nehmen. © Imago

Einer scheidenden Richterin beim Bundesverfassungsgericht soll ein Mann ins Amt folgen.

Kaum ist der Weltfrauentag vorbei, sind die Reden zur Gleichberechtigung gehalten, da droht die paritätische Besetzung von Männern und Frauen am Bundesverfassungsgericht verloren zu gehen. Für ein Gericht, das über die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Männern und Frauen wachen soll, wäre das ein beschämendes Signal.

Momentan laufen im Bundesrat die Beratungen zur Nachwahl der Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz, deren zwölfjährige Amtszeit zu Ende ist. Eine Wiederwahl ist am Bundesverfassungsgericht ausgeschlossen, also wird eine neue Kandidatin gesucht, die die nötige Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen des Bundesrates auf sich vereinigen kann – eigentlich. Momentan sind aber nur Kandidaten im Gespräch, und genau das würde das bestehende Gleichgewicht zwischen Karlsruher Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern zum Kippen bringen.

Von den insgesamt 16 Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts sind momentan acht Frauen. Wird Verfassungsrichterin Britz aber nun mit einem männlichen Bewerber besetzt, sind es nur noch sieben – bei neun Männern. Mit der über Jahrzehnte mühsam errungenen Parität zwischen Männern und Frauen am Bundesverfassungsgericht wäre es schon wieder vorbei. „Das ist ein fatales Signal!“, erklärte jetzt Tanja Keller, Bundessprecherin der Neuen Richtervereinigung.

Auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) hat sich eingeschaltet. „Es muss bei einer paritätischen Besetzung des Bundesverfassungsgerichts bleiben!“, mahnte djb-Präsidentin Maria Wersig.

SPD und Grüne haben bisher viele Frauen vorgeschlagen

Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch. Christiane Schmaltz, bisher Richterin am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, und die Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts in Kassel, Miriam Meßling, bringen alle Voraussetzungen mit. Beide waren bereits wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Bundesverfassungsgericht. Schmaltz ist stellvertretendes Mitglied des Landesverfassungsgerichts Schleswig-Holstein und sogenannte Ad-hoc-Richterin am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, was bedeutet, dass sie jederzeit in Verfahren eingesetzt werden kann. Meßling machte nicht nur Karriere als Sozialrichterin, sondern war auch an den Mannheimer Verwaltungsgerichtshof abgeordnet und arbeitete im Stuttgarter Justizministerium.

Für die Nachwahl der scheidenden Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz hat die SPD das Vorschlagsrecht – so will es die Absprache mit Union, Grünen und FDP. Die SPD favorisiert anscheinend Lars Brocker, den Präsidenten des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts, der auch den Verfassungsgerichtshof des Landes führt. Eigentlich ist es unverständlich, dass ausgerechnet die SPD die Parität zum Kippen bringen könnte. Doch muss man zur Ehrenrettung sagen, dass die SPD fünf der acht derzeit amtierenden Verfassungsrichterinnen vorgeschlagen hat – die Union nur zwei, die Grünen eine (sie dürfen allerdings auch nicht so viele Richter:innen vorschlagen) und die FDP keine.

Am 31. März soll im Bundesrat gewählt werden, dann wird sich entscheiden, ob die Worte des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Gehör finden. Der lobte noch Ende Februar die paritätische Besetzung am Bundesverfassungsgericht. Wörtlich sagte Steinmeier: „Nichts spricht dafür, das Rad an dieser Stelle noch einmal zurückzudrehen.“

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