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Der Papst der Linken

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Von: Wolfgang Kunath

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Willkommensgruß für den Papst in La Paz.
Willkommensgruß für den Papst in La Paz. © REUTERS

Die linke bolivianische Regierung hatte jahrelang Probleme mit der katholischen Kirche. Seit 2009 herrscht in dem Land eine scharfe Trennung zwischen Staat und katholischer Kirche. Doch Franziskus jubeln sie zu.

Die Beziehungen haben sich entspannt, aus kaum verhohlener Feindschaft ist Freundschaft geworden. „Jetzt fühle ich, dass ich einen richtigen Papst habe“, sagte Boliviens Präsident Evo Morales nach mehreren Treffen mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche, zu der die Regierung über Jahre hinweg schwierige Beziehungen unterhielt. Franziskus wiederum lud Morales im Vatikan zum Abendessen ein, und entgegen den Bräuchen des Protokolls gestattete er, dass Morales die Reise des Papstes nach Bolivien bekanntgeben durfte und nicht der Vatikan.

Zwischen der linken Regierung Morales und dem bolivianischen Klerus hat es jahrelang gefährlich geknistert. 2009 hatte das Land eine Verfassung verabschiedet, die Staat und katholische Kirche scharf trennte. Die Bischöfe sahen ihre Kirche vom Staat auf eine Stufe gesetzt mit winzigen, unbedeutenden evangelikalen Gemeinschaften. Zum Entsetzen des Klerus wurde nicht mehr katholischer Religionsunterricht an den Schulen erteilt, sondern eine Art Weltanschauungskunde, und Boliviens Kardinal Julio Terrazas wurde als Rechter angefeindet.

Dass die linke Regierung auf Distanz zur Kirche ging, mag aktuelle Gründe gehabt haben. Aber im Hintergrund stand stets auch die historische Rolle der Kirche, die Hand in Hand mit der weltlichen Macht für die Eroberung und Kolonisierung Verantwortung trägt. Nicht, dass es in Lateinamerika an Beispielen für die Einheit von Schwert und Bibel gefehlt hätte. Aber was sich auf dem armen, kargen Altiplano Boliviens abgespielt hat, ist wohl ein besonders krasses Beispiel.

Die Eroberer brachten die Priester gleich mit. Ihre Orden erlangten gewaltigen Reichtum, der nicht nur auf Grundbesitz fußte, sondern auf Geldverleih – die Priester waren nebenher die Bankiers der weltlichen Herren. Ohnehin waren Staat und Kirche durch eine Art Konkordat eng verflochten; die eine Sphäre der Kolonialherrschaft war von der anderen abhängig.

Hand in Hand mit weltlicher Macht

Die Leidtragenden waren die Indianer. Zum Zwecke der Christianisierung wurden sie zwangsumgesiedelt, ihre traditionellen Sozialverbände zerbrachen. 1553 wurde ein Tribut eingeführt, den die Indianer den geistlichen Herren darbringen mussten – Arbeitsleistungen und Naturalien, wobei die Kirchenmänner allerdings lieber Bares sahen. 1537 hatte Papst Paul III. die Indianer in einer Bulle ausdrücklich als Menschen definiert. Ein Akt päpstlicher Barmherzigkeit? Manche Historiker sehen die Menschwerdung des Indianers durch den Papst eher als notwendige Voraussetzung für die Christianisierung und das damit zusammenhängende Ausbeutungssystem.

Auch nach der Unabhängigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts konnte die katholische Kirche ihre Machtstellung fast immer unangefochten behaupten. Erst im 20. Jahrhundert trennten sich Staat und Kirche nach und nach, auch wenn der Einfluss der Katholiken groß blieb.

Und endlich änderte sich auch deren Haltung: In den Sechzigern begann die Bischofskonferenz, die haarsträubenden sozialen Zustände offen anzuprangern. So genannte Minen-Priester machten sich für die Rechte der Arbeiter im Bergbau stark. Die Politisierung der Kirche ging so weit, dass ein marxistischer Flügel entstand, der sich das Heil auf Erden ohne Sozialismus nicht mehr vorstellen konnte. Was den Bischöfen viel zu weit ging; sie schlossen die linken Brüder aus.

Nach fast 500 Jahren der Christianisierung behauptet sich immer noch ein bunter, spezifisch bolivianischer und im Übrigen äußerst tourismuskompatibler Synkretismus, der zum Beispiel eine jungfräuliche Tochter des Inka-Sonnengottes in die Jungfrau Maria verwandelt. Und die Synchretisten sind nicht nur die Nachfahren der Bolivianer, die schon vor den Spaniern im Andenhochland lebten.

In El Alto, der ärmlichen Schwesterstadt von La Paz, die Franziskus am Mittwoch kurz besuchen wollte, lebt seit Jahrzehnten der aus Bayern stammende Priester Sebastian Obermaier. Er baut eine Kirche nach der anderen – alle mit bayerisch anmutenden Türmen. Aber bei den Fundamenten beugt sich Pater Obermaier den örtlichen Sitten. In jedes ist ein Lama-Fötus eingemauert, als Tribut an die Erdgöttin Pachamama.

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