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Wurde Oury Jalloh angezündet? Neues Brandgutachten zweifelt an Version der Polizei

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Von: Katja Thorwarth

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Oury Jalloh verbrannte in einer Dessauer Gefängniszelle. Viele gehen von Mord durch die Polizei aus.
Oury Jalloh verbrannte in einer Dessauer Gefängniszelle. Viele gehen von Mord durch die Polizei aus. © Wolfgang Kumm/dpa

2005 verbrennt Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle. Ein neues Brandgutachten bestärkt Zweifel an der Behördenversion, dass sich Jalloh selbst angezündet hat.

Berlin/Dessau - Oury Jalloh verbrannte vor 17 Jahren in einer Zelle in Dessau. Laut Behörden soll sich der Mann selbst angezündet haben, doch sind die genauen Hintergründe seines Todes bis heute unklar. Nun wollen seine Familie, Freunde und Freundinnen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die damals Dienst tuenden Polizisten erzwingen.

Hintergrund ist ein neues Brandgutachten des britischen Brandsachverständigen Iain Peck, das am Mittwoch (03.11.2021) in Berlin von dem Forensiker vorgestellt wurde. Darin kommt Peck zu dem Ergebnis, dass der an Händen und Füßen gefesselte Oury Jalloh von Polizeibeamten angezündet worden sein muss und zuvor „höchstwahrscheinlich“ mit einer brennbaren Flüssigkeit wie Benzin übergossen worden war.

Oury Jalloh in einer Gefängniszelle verbrannt - Gutachten liefert neue Ergebnisse

Von der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ unterstützt, fordert die Familie des aus Sierra Leone stammenden Jalloh von der Bundesanwaltschaft die Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen Mordes gegen Polizeibeamte des Reviers. Zudem werde sie eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen die Generalstaatsanwaltschaft von Sachsen-Anhalt stellen, kündigte die Initiative am Mittwoch an. Diese hatte ihre Ermittlungen dazu 2018 eingestellt.

Man wolle mit dem neuen Brandgutachten „Fakten- und Beweislage vergrößern und den öffentlichen Druck erhöhen“, sagte Nadine Saeed von der Initiative. Der Weg über die Bundesanwaltschaft werde gewählt, weil es kein Vertrauen mehr in die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt gebe.

Der Sachverständige Peck baute für das Gutachten die Zelle 5 im Keller des Polizeireviers Dessau originalgetreu nach. Einziger Unterschied: Für eine Videodokumentation wurde die vierte Wand der ansonsten komplett gefließten Zelle aus feuerfestem Glas errichtet.

Laut Behörden hat sich Oury Jalloh in gefesseltem Zustand selbst angezündet

Mit einem Dummy in den Körpermaßen von Jalloh stellte der Brandgutachter die Abläufe an diesem 7. Januar 2005 in Echtzeit nach. Die offizielle Behördenversion, wonach sich der damals 36-jährige Jalloh an Händen und Füßen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze fixiert selbst angezündet haben soll, hält er deshalb für unwahrscheinlich.

Mehrere entsprechend durchgeführte Brandversuche waren laut Peck vergeblich und gaben das auf Fotos festgehaltene Brandbild der damaligen Zelle nicht wieder. Erst als Peck 2,5 Liter Benzin über dem Dummy ausgoss und den Körper anzündete, entstand ein Bild mit vergleichbaren Brandschäden. Bewegungsversuche hätten darüber hinaus mit einer an vier Punkten fixierten Person auf einer Matratze in Originalgröße gezeigt, dass Jalloh weder den Bewegungsspielraum noch andere Möglichkeiten hatte, die Matratze selbst anzuzünden, sagte Peck.

Oury Jalloh wurde vor seinem Tod schwer misshandelt

In den vergangenen Jahren waren andere Brandgutachter, Mediziner und Kriminologen zu einem gleichen Ergebnis gekommen. Zudem kam ein forensisches Gutachten des Frankfurter Radiologen Boris Bodelle 2019 zu dem Schluss, dass Jalloh vor seinem Tod schwer misshandelt wurde. Trotzdem sah die Staatsanwaltschaft bislang keine neuen Ermittlungsansätze. (ktho/epd)

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