Erdogan denkt über Wahl-Verschiebung in der Türkei nach – Opposition ist dagegen
Nach dem schweren Erdbeben in der Türkei gerät Präsident Erdogan weiter unter Druck. Die Regierung denkt deshalb über eine Verschiebung der Wahl nach.
Frankfurt - Trotz des schweren Erdbebens in der Türkei sollen die bevorstehende Wahl wie ursprünglich geplant im Mai diesen Jahres stattfinden, wenn es nach der Oppositionspartei CHP geht. „Sie reden davon, die Wahlen zu verschieben. Ich versichere hiermit, dass die Wahlen planmäßig stattfinden werden“, sagte Oppositionsmitglied Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) im Rahmen einer Pressekonferenz am 15. Februar, wie die Internetseite hurriyetdailynews.com berichtet. Nach einer Vorverlegung des Wahltermins vonseiten Erdogans sollten bis vor kurzem am 14. Mai statt ursprünglich im Juni der Präsident und das Parlament neu gewählt werden.
Name | Kemal Kılıçdaroğlu |
Geboren | 17. Dezember 1948 |
Partei | Cumhriyet Halk Partisi (CHP) |
Hintergrund von Kılıçdaroğlus Äußerung in Richtung des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (AKP) ist die Aussage von Bülent Arınç, ehemaliger Vizepremier und Gründungsmitglied der AKP, der vor dem Hintergrund der Erdbebenkatastrophe eine Verschiebung der Türkei-Wahlen bis ins nächste Jahr ins Auge fasste. Dies sei notwendig, so Arınç, um eine angemessene Wahl-Infrastruktur in den betroffenen Gebieten aufbauen zu können. Daraus kann man entnehmen, dass bis dahin seiner Ansicht nach Erdogan allem Anschein nach einfach weiterregieren solle.

Türkei: Oberste Gericht hat laut Opposition nicht die Befugnis, die Wahl zu verschieben
Kemal Kılıçdaroğlu widerspricht laut hurriyetdailynews.com dieser Aussage. Die Wahlen könnten nicht verschoben werden, es sei denn, es herrsche der Kriegsfall. Und selbst dann müsste die Entscheidung vom Parlament getroffen werden. Er berief sich auf Artikel 78 und 101 der türkischen Verfassung.
- Artikel 78: Erscheint wegen eines Krieges die Durchführung von neuen Wahlen unmöglich, kann die Große Nationalversammlung der Türkei die Aufschiebung der Wahlen um ein Jahr beschließen.
- Besteht der Aufschiebungsgrund weiter, kann dieser Vorgang gemäß dem im Aufschiebungsbeschluss enthaltenen Verfahren wiederholt werden.
- Werden in der Großen Nationalversammlung der Türkei Mandate frei, findet eine Zwischenwahl statt. Die Zwischenwahl wird in der Wahlperiode einmal durchgeführt, die Zwischenwahl findet nicht vor Ablauf von dreißig Monaten nach der allgemeinen Wahl statt. Hat aber die Zahl der frei gewordenen Mandate fünf Prozent der Gesamtzahl der Mitglieder erreicht, wird beschlossen, die Zwischenwahlen innerhalb von drei Monaten durchzuführen.
- Innerhalb eines Jahres vor den allgemeinen Wahlen ist eine Zwischenwahl unzulässig.
- Verbleibt, außer in den oben genannten Fällen, eine Provinz oder ein Wahlkreis ohne Abgeordneten in der Großen Nationalversammlung der Türkei, erfolgt am ersten Sonntag nach Ablauf von neunzig Tagen eine Zwischenwahl.
- Artikel 101: Die Amtszeit des Präsidenten der Republik beträgt fünf Jahre. Eine Person darf höchstens zwei Mal zum Präsidenten der Republik gewählt werden.
- Wer als Kandidat in der allgemeinen Abstimmung von den gültigen Stimmen die einfache Mehrheit erhalten hat, ist zum Präsidenten der Republik gewählt. Wird im ersten Wahlgang diese Mehrheit nicht erreicht, wird am dieser Abstimmung folgenden zweiten Sonntag eine zweite Abstimmung durchgeführt. An dieser Abstimmung nehmen die beiden Kandidaten mit den höchsten Stimmen im ersten Wahlgang teil, wer als Kandidat die einfache Mehrheit der Stimmen erhält, ist zum Präsidenten der Republik gewählt.
- Kann einer der beiden Kandidaten, die zur Teilnahme am zweiten Wahlgang berechtigt sind, aus irgendeinem Grund nicht teilnehmen, rückt jeweils der Kandidat mit den nächst meisten Stimmen im ersten Wahlgang nach. Verbleibt in der zweiten Abstimmung nur ein Kandidat, wird die Abstimmung in der Form des Referendums 58 Geändert 2017. 59 Geändert 2001, 2017. 60 Geändert 2007, 2017. Verfassung der Republik Türkei (Übersetzung mit Regelungen des Gesetzes über die Verfassungsänderung) 30 © Übersetzung Prof. Dr. Christian Rumpf 1982 – 2017 durchgeführt. Erhält der Kandidat nicht die Mehrheit der gültigen Stimmen, wird nur die Wahl zum Präsidenten der Republik wiederholt. Solange die Wahlen nicht abgeschlossen sind und ein neuer Präsident der Republik sein Amt antritt, verbleibt der bisherige Präsident der Republik im Amt.
- Quelle: Die Verfassung der Republik Türkei
Demnach hätten weder das oberste Gericht noch das Parlament die Befugnis, die Wahlen selbst vor dem Hintergrund dieser Katastrophe zu verschieben, so Kılıçdaroğlu. Anberaumt waren die Wahlen normalerweise im Juni diesen Jahres. Präsident Erdogan hatte in der Vergangenheit verkündet, dass er seine verfassungsmäßige Autorität dazu nutzen wolle, die Wahlen auf den 14 Mai vorzuverlegen. Als Begründung nannte er die Sommerzeit, in der viele in den Ferien sind.
Mit der Katastrophe ist die Stimmung im Land aber gekippt. Aufgrund von Berichten über chaotische Rettungsmaßnahmen und nur zögerlich anlaufende Hilfe für die Opfer gerät Erdogans Regierung zunehmend unter Druck. In der Vergangenheit hatten die Zustimmungswerte für Erdogan aufgrund zunehmender wirtschaftlicher Probleme immer weiter abgenommen. Durch eine Verschiebung der Wahlen könnte Erdogan die Situation fürs erste aussitzen, bis sich die aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung gelegt hat.
Zuletzt hatte ein türkischer Botschafter in Deutschland das Vorgehen der türkischen Regierung verteidigt. (Niklas Müller)