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Die USA schlittern in die nächste Corona-Welle

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Von: Sebastian Moll

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Schnell vorbei statt Schlange stehen: eine Teststation in New York.
Schnell vorbei statt Schlange stehen: eine Teststation in New York. © Getty Images / AFP

In den USA lässt eine neue Mutation die Neuinfektionen ansteigen. Ein Coronavirus-Berater der Regierung warnt vor „katastrophalen Folgen“ für den Herbst.

Washington D.C./New York – Joe Biden machte sich nicht die Mühe, zumindest der Form halber eine Maske anzulegen, als er sich anschickte, am Montag vor einer ebenfalls weitgehend unmaskierten Menge seine Feiertagsrede zum Gedenken an die gefallenen US-Soldat:innen zu halten. Er tut das schon lange nicht mehr, schon seit Monaten.

Dabei hatte Joe Biden erst wenige Tage zuvor beim Gipfel zur Corona-Krise einen eher nüchternen Ton angeschlagen. Die USA hatten gerade die traurige Marke von einer Million Corona-Toten passiert und Biden bat die Anwesenden inständig darum, im Kampf gegen das Virus nicht nachzulassen. „Diese Pandemie ist nicht vorbei“, sagte Biden. „Es gibt noch viel zu tun.“

Coronavirus in den USA: 3000 Krankenhaus-Aufnahmen täglich

In der Tat stellt die Pandemie die US-Regierung gerade wieder vor eine große Herausforderung. Seit Beginn des Monats schießen die Infektionszahlen in Teilen des Landes wieder dramatisch in die Höhe. Alleine in der dritten Maiwoche erhöhte sich die Rate der Neuinfektionen um 19 Prozent.

3000 Menschen wurden täglich mit Covid-Symptomen in Krankenhäuser aufgenommen. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebte zu Beginn der letzten Maiwoche in Gegenden mit einer mittleren bis hohen Ansteckungsgefahr.

Corona-Neuinfektionen schnellen hoch – Verantwortlich ist die Omikron-Variante BA 2.12.1

Dafür verantwortlich ist die Omikron-Variante BA 2.12.1, die zuerst im Februar in einer Region des Staates New York unweit der kanadischen Grenze auftauchte. Sie ähnelt neuen Varianten, die sich in Südafrika und Neuseeland verbreiten und von denen angenommen wird, dass sie noch wesentlich infektiöser sind als die bisherige. Die Symptome, die BA 2.12.1 auslöst, sind mit früheren Varianten vergleichbar.

Diese neue Omikron-Variante macht in den USA mittlerweile 58 Prozent der Neuinfektionen aus, die ihrerseits die Marke von mehr als 100 000 pro Tag wieder überschritten haben. Das ist zwar noch deutlich weniger als die Höchstmarke von 800 000, die im Januar erreicht wurde, aber auch mehr als der nationale Tiefstand von 27 000 im März. Dr. Anthony Fauci, der Berater des Weißen Hauses in Sachen Corona, weigerte sich in einem Interview zwar, von einer „neuen Welle“ zu sprechen. Die Zahlen aber, so Fauci, „sind sehr ernüchternd“.

Coronavirus im Herbst und Winter: US-Behörden warnen vor Herbst und Winter

Fauci hütet sich nicht zuletzt deshalb noch davor Alarm zu schlagen, weil die Anzahl der Todesfälle bislang noch nicht wieder nach oben gehen. In den USA sterben knapp unter 300 Menschen am Tag an Covid – eine Zahl, die in den vergangenen Wochen sogar leicht nach unten gegangen ist.

Dennoch warnen die Gesundheitsbehörden davor, die Situation auf die leichte Schulter zu nehmen. Laut Schätzungen des Amtes zur Seuchen-Bekämpfung und Prävention CDC könnten sich im Herbst und Winter bis zu 100 Millionen Menschen in den USA neu mit dem Virus infizieren. „Wenn wir darauf nicht richtig vorbereitet sind, dann kann das katastrophale Folgen haben“, sagt Ashish Jha, der neue Koordinator für die Covid-Bekämpfung im Weißen Haus.

Corona in den USA: „Wir können nicht bei jeder neuen Welle in Panik verfallen.“

Einer ausreichenden Vorbereitung auf den Herbst und Winter steht jedoch Überdruss entgegen. So wie Joe Biden keine Masken mehr trägt und sich sorglos durch Menschenansammlungen bewegt, wollen auch andere Politiker:innen das überaus unpopuläre Thema nicht mehr anfassen.

Coronavirus in den USAAktuelle Werte aus dem Mai
Anstieg der NeuinfektionenRate der Neuinfektionen um 19 Prozent erhöht (dritte Maiwoche)
Krankenhausaufenthalte3000 neue Aufnahmen in Kliniken wegen Covid-Symptomen (dritte Maiwoche)
Anteil Menschen in Gegenden mit mittlerer bis hoher AnsteckungsgefahrFast ein Drittel der Bevölkerung (dritte Maiwoche)
Tote pro Tagknapp 300

So kündigte vergangene Woche der neu gewählte New Yorker Bürgermeister Eric Adams an, dass er trotz steigender Inzidenzen weder neue Beschränkungen auferlegen noch eine Maskenpflicht an öffentlichen Orten wiedereinführen wolle: „Wir können nicht bei jeder neuen Welle in Panik verfallen. Wir müssen die Dinge am Laufen halten.“

Covid-Berater: „Das wird zu einem unnötigen Verlust von Leben führen.“

Wie schwer es mittlerweile ist, in den USA mit dem Corona-Virus politisch Staat zu machen, erfährt zur Zeit die Regierung im Kongress. Die Bitte des Weißen Hauses um zehn Milliarden Dollar für weitere Tests und Coronavirus-Impfungen hängt seit Wochen im Kongress fest. Die Republikaner haben ihre Zustimmung an Einwanderungsfragen geknüpft. Sollte Biden, wie angekündigt, Asylsuchende an der mexikanischen Grenze ins Land lassen, werden die Republikaner ihm die Stimmen für die Corona-Politik verweigern.

Jha sieht dieses Gefeilsche als zynisch an. „Das wird zu einem unnötigen Verlust von Leben führen.“ Deshalb appelliert er, bei steigenden Inzidenzen wieder Beschränkung einzuführen. Die Resonanz auf solche Appelle ist freilich bislang eher spärlich. (Sebastian Moll)

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