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Österreichs große Grenzschutz-Show

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Von: Adelheid Wölfl

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"Pro Borders" heißt die Übung an der Grenze zu Slowenien.
"Pro Borders" heißt die Übung an der Grenze zu Slowenien. © afp

Nahe Slowenien setzt FPÖ-Innenminister Kickl eine Polizeiübung in Szene. Angeblich will er damit ein "Trauma" der Österreicher überwinden. "Pro Borders" heißt die Übung - ein Begriff der rechtsextremen Identitären.

Viele gähnen. Es ist fünf vor acht – manche Journalisten sind noch nicht einmal im Zelt, aber Österreichs Innenminister will offenbar zeigen, was Pünktlichkeit und Ordnung bedeuten. Herbert Kickl (FPÖ) verkündet, es ginge darum ein, „klares Signal in die Welt zu senden“. Denn: „Wir haben noch die Bilder aus 2015 in Erinnerung.“ Sie seien nicht nur dramatisch, sondern auch traumatisch gewesen, erklärt er und meint damit sicher nicht die Kriegstraumata, die manche der Flüchtlinge aus Syrien mitgenommen haben, sondern er meint das Trauma, dass die Österreicher vermeintlich erlitten, als „Zigtausende Fremde in Kolonnen auf unsere Grenze“ zukamen. Er spricht vom 21. Oktober 2015. Diese Fremden seien „durchgewunken“ worden, erinnert Kickl. Dies habe das Gefühl einer gewissen Ohnmacht und Ängste in der Bevölkerung erzeugt. Die politisch Verantwortlichen hätten damals „gesetzlose Zustände“ zugelassen. Das dürfe „nie mehr wieder“ passieren.

Das neue „Nie mehr wieder“ in der neuen österreichischen Geschichtsschreibung unter Türkis-Blau ist also der Herbst 2015. Deshalb wird an diesem sonnigen Junitag in den Weinbergen an der südsteirischen Grenze geübt, wie man verhindern kann, dass Tausende „Fremde“ eine Grenze überrennen. „Fremde“, es ist wohl das meist verwendete Wort an diesem Morgen. Die Veranstaltung heißt „Pro Borders“ und offenbart ausgerechnet an der grünen Grenze zu Slowenien, wie die FPÖ tickt: Das Nationalstaatliche steht im Vordergrund, das Europäische wird misstrauisch beäugt.

Kickl porträtiert die Aktion, an der etwa 500 Polizisten und 220 Soldaten teilnahmen, als eine Übung, die das Vertrauen stärken solle. Offensichtlich soll die Vorführung eine Art kollektive psychotherapeutische Behandlung sein, damit sich die Österreicher von ihrem Schrecken erholen. Doch obwohl der österreichische Staat in Spielfeld die Fähigkeit demonstrieren will, künftig mit einem massenhaften Andrang von Migranten professionell umgehen zu können, werden in dem ehemaligen Flüchtlingszelt, das zum Pressezentrum umfunktioniert wurde, auch die Ängste befördert. Denn hier wird suggeriert: Es kann jederzeit wieder passieren.

Auf der anderen Seite der grünen Grenze in Slowenien schüttelt man über die österreichische Veranstaltung den Kopf, eine Kooperation schien dem Innenministerium in Ljubljana aus mehreren Gründen nicht sinnvoll zu sein. Vor allem, weil es keinerlei Anzeichen gibt, dass so etwas wie 2015 wieder stattfinden könnte – schließlich gibt es keinen offenen Flüchtlingskorridor mehr. Manche hier nennen die Show sogar „gruselig“.

Die Bundesstraße vor dem Grenzgebäude wurde zu einem Freilufttheater umgebaut – im Polizeisprech: „Aktionsraum“. Politiker und Polizisten sitzen auf der Bühne wie in einem Amphitheater, daneben stehen die Journalisten – Dutzende sind auch aus dem Ausland gekommen. Sogar ein kleines Zollhäuschen wurde aufgebaut. Daran bewegen sich Menschen mit bunten Rucksäcken vorbei – sie spielen Migranten. „Die hätten sie wenigstens schminken können“, sagt einer der Journalisten enttäuscht, als er eine blonde Frau mit Pferdeschwanz sieht.

Aus dem Lautsprecher in Richtung Migranten-Schauspieler tönt es: „Sie befinden sich am Grenzübergang zwischen Österreich und Slowenien. Bitte bewahren Sie Ruhe.“ Einer der Beobachter meint trocken. „Die verstehen ja kein Deutsch!“ Offensichtlich wird Theater und Realität hier doch ein bisschen vermischt. Die Polizei redet von ihrer „Drei-D-Philosophie“: „Dialog, Deeskalation und Durchgreifen.“

Dann wird der „Ernstfall“ geprobt – es kommen immer mehr Migranten-Darsteller, reißen an den Gittern, ballen die Fäuste, rufen: „Lasst uns rein!“. Polizeieinheiten rücken an, demonstrieren, wie man sich entgegenstellt, wie man Wartezeiten einräumt, damit die Migranten geordnet in die „Registrierstraße“ gelangen. Auch ein Radpanzer mit Schwenkflügelgitter kommt zum Einsatz. Dann beginnen die Hubschrauber über Spielfeld zu kreisen, sie sollen zeigen, dass innerhalb einer Stunde weitere Polizisten aus Wien hierhergebracht werden können. Die Polizisten der neuen Grenzschutztruppe tragen blaue Mützen und einen blauen Puma an ihrem Oberarm. Kickl meint, die „sprungbereite Großkatze“ sei ein Symbol für die Flexibilität der Truppe.

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