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Öl-Boykott tritt in Kraft: Kein Diesel mehr aus Russland – was heißt das für die EU?

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Von: Romina Kunze

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Knapp ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine reagiert der Westen mit weiteren Sanktionen. Nun greift ein Öl-Boykott in der EU.

Brüssel – Die westlichen Reaktionen auf Russlands Überfall auf die Ukraine nehmen weiter Formen an. Bereits seit Anfang Dezember 2022 darf kein russisches Rohöl mehr per Tanker in die EU eingeführt werden, kurz nach dem Jahreswechsel kappte Deutschland auch Importe über die Pipeline „Druschba“. Seit Sonntag (5. Februar) kommt nun mit dem Boykott von Diesel eine weitere Sanktion gegen Russland im Ukraine-Krieg hinzu.

Künftig wird die EU keine Raffinerieprodukte, zu denen etwa Diesel, Benzin oder Schmierstoffe zählen, mehr aus Russland abnehmen. Gleichzeitig will sie in Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Partnern Russland dazu zwingen, die Preise für Erdölprodukte zu begrenzen und künftig nur noch unter Marktpreis verkaufen zu dürfen. Die neuen Maßnahmen durch die EU sollen es Kreml-Chef Wladimir Putin schwerer machen, seinen Angriffskrieg zu finanzieren. Zu erwarten sind aber auch Folgen für Deutschland.

Öl-Boykott der EU: Werden Diesel und Co. knapp, wenn nicht mehr aus Russland importiert wird?

Sorgen, dass die Vorräte unter dem Boykott der EU in Deutschland knapp werden könnten, müsse es laut der Bundesregierung keine geben. „Die allgemeine Versorgungssicherheit und die Sicherheit der Versorgung mit Kraftstoffen ist gewährleistet“, gab ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Entwarnung.

Ein Ölterminal in Russland. (Symbolfoto)
Die EU will Russland gemeinsam mit internationalen Partnern dazu zwingen, Erdölprodukte wie Diesel künftig unter Marktpreis an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. (Symbolfoto) © Stringer/dpa

Auch der Mineralölverband Fuels und Energie sieht keinen Grund zu Bedenken: Nur rund 12,5 Prozent des Diesel-Verbrauchs deckte Deutschland laut Branchenverband 2022 aus Russland. Ersatz dafür komme künftig aus den USA, Westeuropa und dem arabischen Raum, teilt Fuels und Energie mit Blick auf den Öl-Boykott der EU mit. Benzin werde dagegen nicht aus Russland importiert. Für den Notfall gebe es eine Kraftstoffreserve für 90 Tage.

Wird Diesel an der Zapfsäule durch den Öl-Boykott der EU teurer?

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor knapp einem Jahr sind die Benzinpreise in Deutschland geradezu explodiert. Auch nun, mit dem Boykott der EU von Diesel-Importen aus Russland, sei das nicht ausgeschlossen. Zwar sei das nun in Kraft tretende Embargo lange angekündigt worden, weshalb sich wichtige Häfen darauf vorbereiten konnten und die europäischen Diesellager „voll bis zum Anschlag“ seien, wie der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Doch Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft weist darauf hin, dass Diesel auf dem Weltmarkt knapp sei. Der Import-Stopp aus Russland hieße für die EU, den Kraftstoff aus entfernteren Gegenden kaufen zu müssen - beispielsweise aus dem Mittleren Osten. Und da die Kapazität der Spezialschiffe, die für einen solchen Transport benötigt werden, begrenzt und die Import-Wege nun zudem deutlich länger seien, sei der Diesel-Transport insgesamt teurer, so der Wirtschaftsexperte.

Wie viele Erdölprodukte importierte die EU vor dem Boykott aus Russland?

Noch im Oktober 2022 exportierte Russland nach den jüngsten Zahlen des EU-Statistikamtes Eurostat Erdölerzeugnisse wie Diesel im Wert von mehr als 2,3 Milliarden Euro in die EU. Allein nach Deutschland gingen damals Produkte im Wert von rund 558 Millionen Euro.

Schiffscontainer (Symbolbild)
Die europäischen Diesellager seien laut Energie-Experten „voll bis zum Anschlag“. (Symbolbild) © U. J. Alexander/IMAGO

Es besteht Zweifel daran, dass die EU diese Mengen durch alternative Lieferanten ersetzen kann. So führt der russische Energie-Experte Alexej Belogorjew an, dass bisher Russland alleine tägliche 600.000 Barrel Öl lieferte, während die USA, Saudi-Arabien und Indien zusammen genommen auf 200.000 Barrel kämen. Trotzdem erwarten Experten, dass die Sanktionen die russische Erzeugung von Erdölprodukten drücken werden – um 15 Prozent auf etwa 230 Millionen Tonnen in diesem Jahr. Ein Barrel entspricht 159 Liter.

Öl-Boykott aus Russland: Wie will die EU Preissteigerungen verhindern?

Um zu verhindern, dass der Diesel-Preis steigt, führt die EU die Preis-Oberbremse auf dem Markt ein. Sie will gemeinsam mit Partnern wie den USA Putin dazu zwingen, die Kraftstoffe an Drittstaaten unter Marktpreis zu verkaufen.

Die Europa-Flaggen vor dem Gebäude der EU-Kommission in Bruessel.
Die EU-Kommission will Putin mit einer Preisdeckelung dazu zwingen, das Rohöl nur unter Marktpreis verkaufen zu dürfen. (Symbolfoto) © Beata Zawrzel via IMAGO

Funktionieren soll das so: Wichtige Dienstleistungen für die russischen Exporte – etwa Transporte westlicher Reedereien oder Versicherungen – sollen nur dann erlaubt sein, wenn der Preis des exportierten Guts die gesetzte Obergrenze einhält. Ziel der EU: Die Kombination aus Importstopp und Preisdeckel soll Russlands Einnahmen „signifikant reduzieren“ und zugleich die globalen Preise stabilisieren.

Für hochwertige Ölprodukte wie Diesel wurde eine Preisobergrenze von vorerst 100 US-Dollar pro Barrel vereinbart. Umgerechnet sind das derzeit rund 92 Euro. Zum Vergleich: An internationalen Börsen wurde ein Barrel Diesel zur Lieferung nach Europa zuletzt zu Preisen von umgerechnet etwa 100 bis 120 Euro gehandelt. Für weniger hochwertige Erzeugnisse der Erdölprodukte wie Heizöl soll eine Preisobergrenze von zunächst 45 Dollar (rund 41 Euro) pro Barrel gelten.

Zeigt der Öl-Boykott der EU in Russland wirklich die gewünschte Wirkung?

Ob Sanktionen, die der Westen gegen Wladimir Putin aufgrund des Ukraine-Krieges verhängt, wirklich den Kreml vor Probleme stellt, wird in Russland gerne verschleiert. Vielmehr betont die Führung in Moskau, dass sich das Öl auf dem Weltmarkt ohnehin vermische und sie andere Absatzwege finden – in Indien etwa. Allerdings muss Russland große Preisnachlässe gewähren, nach Angaben des Ökonoms Südekums etwa 30 Prozent im Vergleich zu westlichen Ölsorten.

2022 sind Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl nach Angaben von Vize-Regierungschef Alexander Nowak noch um knapp ein Drittel gestiegen. Die Ausfuhr von Erdöl habe um sieben Prozent zugelegt. Das EU-Embargo gegen Rohöl auf Tankern griff erst zum 5. Dezember. Bei Gas gibt es kein Embargo vonseiten der EU. Hier hat Russland selbst die Lieferungen in die EU gedrosselt.

Nowak räumt Unsicherheiten ein mit Blick auf künftige Einnahmen. Zugleich hofft Russland auf Milliardengebühren, wenn es statt eigenen Öls künftig das schwarze Gold aus der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan durch die russische „Druschba“ nach Deutschland durchleitet.

Öl-Boykott aus Russland: Wird das EU-Embargo überhaupt eingehalten?

Aus Kreml-Sicht fragwürdig. Russland hat nach einer Recherche der internationalen Wochenzeitung Economist Wege gefunden, das Öl-Embargo zu umgehen. Demnach entwickelt sich ein Graumarkt mit eigenen Schiffs- und Versicherungskapazitäten, teils gestützt auf Garantien des russischen Staats. Den internationalen Preisdeckel für Rohöl wollte Putin nicht hinnehmen. Er drohte an, ab 1. Februar nicht mehr in Länder zu liefern, die ihn einhalten.

Kreml-Chef Wladimir Putin
Die Sanktionen durch die EU sollen Druck auf Putin ausüben; und ihm seine finanziellen Mittel im Ukraine-Krieg entziehen. © Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool/imago

Und selbst wenn die EU den Boykott einhielte, sei nicht auszuschließen, dass russisches Diesel doch in die EU gelange. So sieht Ökonom Südekum eventuelle Schlupflöcher für Russland, das Embargo zu umgehen: „Ein Haupteffekt des Embargos wird sein, dass russischer Diesel nicht mehr direkt in die EU gelangt, wohl aber indirekt. Russland liefert an Nationen wie Indien oder Saudi-Arabien, die das billige Öl einkaufen, in ihren Raffinerien verarbeiten und uns dann den Diesel verkaufen.“

Der eigentliche Sinn des Embargos, Putin finanzielle zu schwächen, würde damit freilich verfehlt. Aber selbst wenn es gelänge, diese Umgehung zu unterbinden, „dann wäre die Frage der Diesel-Preise in Europa auch sicher kritischer“. Mit anderen Worten: Diese Einfuhren verhindern noch größere Knappheit in der EU; und damit auch drastische Preissteigerungen. (dpa/rku)

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