Öko-Siegel für Flugzeuge

EU-Kommission will Flug- und Schiffsverkehr in die Taxonomie aufnehmen und damit als nachhaltige Investments labeln. Das sei der „Sargnagel“ für die Glaubwürdigkeit der Taxonomie, befürchten Umweltverbände. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Wäre doch alles so einfach: Ein paar Plenarsitzungen hier, ein paar Unterschriften dort, und schon sind Flugzeuge und Schiffe „grün“. So hätte es zumindest die Europäische Kommission gerne. Diese möchte die Schiff- und Luftfahrt in die EU-Taxonomie aufnehmen. Investments in Schiffe und Flugzeuge würden dadurch als klimafreundlich gelten. Die Maschinen müssten zwar mit Antrieben neuester Bauart ausgestattet sein, dürften aber trotzdem mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. „So könnten Millionen von Euro an einige der größten Umweltverschmutzer Europas wie Airbus, Ryanair und MSC fließen“, kommentiert die Verkehrs-NGO Transport and Environment (T&E) den Kommissionsbeschluss.
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungsinstrument, mit dem bestimmte Aktivitäten von Unternehmen vor allem danach eingestuft werden sollen, ob sie einen „grünen“ Beitrag leisten oder nicht. Anhand dieses Leitfadens sollen Investor:innen beurteilen können, ob ein Unternehmen, in das sie investieren wollen, nachhaltig arbeitet. Eine Kommission der EU hat zu diesem Zweck klare Kritierien festgelegt.
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Tatsächlich entsprechen über 90 Prozent der Airbus-Flotte den Vorgaben der Kommission. Und selbst ein knappes Fünftel der Flugzeuge von Billigflug-Anbietern wie Easyjet und Ryanair wäre dann schon „grün“. In Zukunft könnte gar der Großteil aller Flugzeuge offiziell als klimafreundlich gelten. Laut T&E geben einige Luftfahrtunternehmen nur noch Flugzeuge mit modernsten Antrieben in Auftrag.
So könnten etwa in Kürze 59 Prozent aller Easyjet-Flugzeuge zu den Besten ihrer Kategorie zählen. Genau das sei das erklärte Ziel der Taxonomie, argumentieren die Fürsprecher:innen des Vorstoßes – Investitionen in effizientere und grünere Technologien. Tatsächlich ist der Unterschied zwischen den neuesten und älteren Maschinen überschaubar. 15 bis 20 Prozent weniger CO2 sollen die modernsten Antriebe produzieren. Das ist vergleichbar mit den Effizienzgewinnen zwischen 1990 und 2017. Auch diese führten zu knapp 20 Prozent weniger Treibhausgasen pro Flugzeug.
Dieser Entwicklung zum Trotz stiegen die Gesamtemissionen des Verkehrs in demselben Zeitraum um 29 Prozent. Mit Effizienzgewinnen allein lassen sich also keine Sektorziele erreichen. Besonders dann nicht, wenn Geld, dass eigentlich in die nachhaltige Transformation fließen sollte, nun an Unternehmen geht, die für die steigenden Emissionen verantwortlich sind.
Grüne Investmentfonds könnten anfangen, den Luftverkehr zu finanzieren, erklärt T&E. „Regierungen können beschließen, ihre Entscheidungen über staatliche Beihilfen an den Kriterien der Taxonomie auszurichten und den Luftverkehr weiterhin unter dem Vorwand zu finanzieren, dass es sich um eine nachhaltige Tätigkeit handelt.“
Auch die Schifffahrtsindustrie dürfte der Kommissionsvorstoß fröhlich gestimmt haben. Kreuzfahrt- und Containerschiffe, die mit Flüssigerdgas betrieben werden, werden dadurch nämlich schwuppdiwupp klimafreundlich. Schließlich entsteht bei der Verbrennung von Erdgas weniger CO2 als bei dem traditionellen Schiffskraftstoff Schweröl. Die Klimawirkung von Methanverlusten entlang der Lieferkette wird von dem EU-Nachhaltigkeitsregelwerk ignoriert.
„Die Aufnahme von umweltschädlichen Flugzeugen und Schiffen ist der Sargnagel für die EU-Taxonomie“, sagte Faig Abbasov, Schifffahrtsexperte bei T&E. „Wenn Flugzeuge, die mit Öl betrieben werden, und Schiffe, die mit Gas betrieben werden, jetzt als nachhaltig angesehen werden, gibt es wenig Hoffnung für die Taxonomie.“
Wenig Hoffnung
Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Bis Anfang Mai können Privatpersonen und Organisationen der Kommission ihre Meinung zu dem Vorhaben mitteilen. Danach setzt die Kommission eine finale Fassung auf und schickt diese an das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten. EU-Parlament und Mitgliedsstaaten haben dann drei Monate Zeit, um Widerspruch einzulegen. Dass die Mitgliedsstaaten dies tun, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Und das Parlament braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um den Vorstoß endgültig abzulehnen.
Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, hat denn auch wenig Hoffnung. Schon letztes Jahr scheiterte das Parlament an einer ähnlichen Herausforderung, erinnert sich Bloss. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission die Grenzen des Begriffs Nachhaltigkeit überdehnt. Trotz massiver Kritik wurden im vergangenen Juli Erdgas und Atomkraft mit dem Label „klimafreundlich“ versehen und in die Taxonomie aufgenommen.
Die eigentliche Aufgabe der EU-Taxonomie ist es, einen Leitfaden zu erstellen, mit dem Investor:innen einschätzen können, ob ein Unternehmen klimafreundlich arbeitet. Allerdings, so kritisieren Umweltverbände und Grüne, verliert die Taxonomie durch eben solche Entscheidungen massiv an Glaubwürdigkeit.
Statt an klimaschädlichen Technologien festzuhalten, wäre gerade im Verkehrssektor ein rasanter Wandel nötig. Nicht nur in Deutschland hinkt der Sektor den Klimazielen hinterher. Auch auf europäischer Ebene ist der Verkehrssektor das Sorgenkind.