OB-Wahl Frankfurt: Uwe Becker, der Etablierte

Oberbürgermeister-Kandidat Uwe Becker (CDU) hält sich oft zurück, ist aber mit viel Fachkompetenz ausgestattet. Ein Porträt von Florian Leclerc.
Ein Blick auf die Liste amtierender Stadtoberhäupter in deutschen Großstädten ist für die CDU ernüchternd. Die immer noch große Gegenspielerin SPD stellt dreimal so viele Oberbürgermeister:innen in Städten mit mehr als 100 000 Menschen als die CDU. Entsprechend freute sich die Partei in Frankfurt, als Uwe Becker (CDU) am 5. März die erste Runde der Oberbürgermeisterwahl gewann. Die CDU könne Großstadt, hieß es sofort.
Es ist ein Satz, der motivieren soll. Die Stichwahl am Sonntag, 26. März, gegen Mike Josef (SPD) zu gewinnen, wird für Uwe Becker deutlich schwerer.
OB-Wahl in Frankfurt: Becker hat seine Wählerschaft fast vollständig mobilisiert
Noch in der Wahlnacht nach der ersten Runde analysierte das Frankfurter Bürgeramt, Statistik und Wahlen die Wählerschaft und die Wählerwanderung. Uwe Becker hat demnach seine Klientel fast vollständig mobilisiert. Neun von zehn Menschen, die auch bei der Kommunalwahl 2021 in Frankfurt CDU gewählt hatten, gaben ihm die Stimme.
Seine Wählerschaft setzte sich zu zwei Dritteln aus Stammwähler:innen zusammen, gefolgt von Menschen, die vorher nicht oder die FDP gewählt hatten. Anders beim SPD-Kandidaten Mike Josef: Er holte prozentual mehr Stimmen von Grünen, Linken und sonstigen Parteien.
Ein zweiter Satz machte nach der Wahlnacht die Runde. Die Situation sei für Uwe Becker, 53 Jahre alt, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten der hessischen Landesregierung, eine andere als für Boris Rhein (CDU) im Jahr 2012. Boris Rhein, heute Ministerpräsident in Hessen, hatte damals die erste Runde der OB-Wahl in Frankfurt gewonnen. In der Stichwahl unterlag er dem bis dahin eher unbekannten Sozialpolitiker Peter Feldmann (SPD), der Frankfurt in der Folge bis zu seiner Abwahl im November 2022 regierte.
OB-Wahl in Frankfurt: Uwe Becker zählt zum sozialen Flügel der Partei
Auch Bernadette Weyland (CDU) musste sich Feldmann bei der OB-Wahl 2018 geschlagen geben, und es zeigte sich ein Muster: Wenn nur noch zwei Kandidat:innen zur Wahl stehen, hat die Person, die Wähler:innen links der Mitte anspricht, in Frankfurt das größere Potenzial.
An dieser Stelle setzt Uwe Becker an. Becker, der verheiratet ist, zwei Kinder hat und im beschaulichen, nördlichen Stadtteil Nieder-Eschbach wohnt, zählte schon zum sozialen Flügel seiner Partei, bevor er 2006 als Sozialdezernent in den Frankfurter Magistrat kam. Als Stadtkämmerer von 2007 bis 2021 konnten soziale Einrichtungen und Vereine darauf vertrauen, dass er die städtischen Zuschüsse nicht kürzen würde. Nach der verlorenen Kommunalwahl 2021 ließ seine Partei ihn nicht im Stich. Sie hob ihn auf den Posten des Staatssekretärs, den er im Falle einer Wahlniederlage behalten wird.
Medial wirksam ist Uwe Becker beim Kampf gegen Antisemitismus über die Landesgrenzen hinaus. Der Antisemitismus-Beauftragte der hessischen Landesregierung kritisierte das Kuratorenteam der Documenta 15 und forderte den Ausschluss eines Künstlers, der der Boykottbewegung BDS nahesteht. Die städtische Wohnungsgesellschaft Saalbau vermietete während seiner Zeit im Magistrat zeitweilig nicht an die BDS-Bewegung, bis die Entscheidung wegen Gerichtsurteilen gekippt wurde.
OB-Wahl in Frankfurt: Uwe Becker will keine Verkehrspolitik zu Lasten des Autos
Auf Plakaten und Fotos wirkt Uwe Becker etwas spröde. Es fällt ihm schwer, sein Charisma sprühen zu lassen, das sich unter einer Schicht Zurückhaltung verbirgt. Wenn Becker öffentlich redet, und das tut er oft, muss er aber nicht wie andere Politiker:innen von Merkzetteln ablesen.
Er redet wohlgeordnet und frei und ist sprechfähig zu allen Themen, die Frankfurt betreffen. Hardliner-Positionen vertritt Uwe Becker nicht, anders als seinerzeit Boris Rhein, dem als Rathaus-Kandidat sein Einsatz für Studiengebühren in Hessen nachgetragen wurde. Uwe Becker steht für mittige Positionen, wobei er auch seine Stammwählerschaft bedient.
Für das Frankfurter Bahnhofsviertel fordert Becker etwa nicht die Abschaffung des Frankfurter Wegs in der Drogenpolitik, der Suchtkranken das Leben erträglicher macht. Er will Korrekturen im Sinne des Züricher Modells: mehr Kontrolle im Bahnhofsviertel, weitere Hilfsangebote für Drogenkranke im Umland.
Becker ist für den Ausbau des Nahverkehrs und von Radwegen, aber eben nicht zulasten des Autos. Die Stimmung gegen die Fahrradstraße Oeder Weg im Stadtteil Nordend, wo Autos nun durch Seitenstraßen fahren, machte er sich zunutze und gewann die einstige Grünen-Hochburg Nordend-West bei der Wahl für sich.
Mit seinem Ansatz macht sich Uwe Becker überparteilich wählbar. Gerade auf die Stimmen der Grünen hat er es abgesehen. Doch gerade die hat Becker zuletzt verprellt. Er deutete an, ihnen das Mobilitätsdezernat wegnehmen zu können. Dass er dies später wieder zurücknahm, half nichts. Die Grünen im Rathaus Römer empfehlen die Wahl von SPD-Kandidat Mike Josef. Das hat auch damit zu tun, dass das aktuelle Viererbündnis im Römer aus SPD, Grünen, FDP und Volt keine fünfte Partei als Verhandlungspartner will.