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„Es ist noch keine Migrationskrise“: Experte widerspricht Manfred Weber

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Von: Moritz Serif

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Gibt es in Europa bereits eine „Migrationskrise?“ Davon ist Europa-Politiker Manfred Weber (CSU) überzeugt. Ein Fachmann sieht das anders - und ordnet die Lage ein.

Rom - Manfred Weber hatte jüngst eine neue „Migrationskrise“ in Europa heraufbeschworen. „Wir stehen vor einer weiteren großen Migrationskrise in Europa. Deshalb unterstützt die EVP die italienische Regierung voll und ganz dabei, diesem Thema auf europäischer Ebene Priorität einzuräumen“, sagte Weber der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Außerdem schlug der Politiker vor, einen Migrationspakt mit Tunesien zu schließen. Ist die Lage wirklich so dramatisch - oder übertreibt Weber?

Dr. Raphael Bossong, Migrationsexperte von der Stiftung Wissenschaft, gab gegenüber fr.de von IPPEN.MEDIA eine Einschätzung ab. Es stimme zwar, dass Italien eine erhebliche Zuwanderung zu verzeichnen habe. „Die Zahlen könnten ähnlich hoch wie 2015/2016 werden“, sagt er. Allerdings gelten noch die Statistiken von der Corona-Pandemie als Referenz. Zum Vergleich: Damals gab es vergleichsweise wenig Migration. „Es ist eine sehr große Herausforderung. Vor allem auch wegen der vielen Todesfälle. Es ist jedoch nicht so, dass gar nichts mehr geht hinsichtlich Aufnahme von Geflüchteten“, so Bossong.

Migranten im Mittelmeer
Viele Migrant:innen versuchen die lebensgefährliche Überfahrt in oft seeuntauglichen Booten. © Francisco Seco/AP/dpa/Archiv

„Es ist natürlich eine Art Krise, aber noch keine Migrationskrise“

Es sei jedoch sehr wichtig, Italien nicht alleine zu lassen. „Wenn man das Wort Migrationskrise in den Mund nimmt, kann man das nicht mit 2016 vergleichen. Es ist natürlich eine Art Krise, aber noch keine Migrationskrise“, sagte der Experte, der aktuell keinen Spielraum für ein Migrationsabkommen mit Tunesien sieht. „Grundsätzlich brauchen wir die Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Es ist aber wichtig, zu schauen, mit wem man zusammenarbeitet“, so Bossong.

Es gebe mit Tunesien allerdings ein Problem: Der Staat sei kein Vorzeigekandidat mehr. „Das hat sich mit dem neuen Präsidenten drastisch verschlechtert. Es stellt sich die Frage, ob man mit diesem Regime überhaupt noch zusammenarbeiten kann. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Tunesien ein Abkommen zu schließen. Der Präsident (Kais Saied) bedient sich offen rassistischer Rhetorik“, sagte Bossong.

Italien: Mindestens 441 Menschen bei Überfahrt gestorben

Offiziellen Zahlen aus Rom zufolge erreichten seit Beginn des Jahres bereits mehr als 32.700 Migranten Italien auf Booten. Immer wieder setzt Italien Schiffe fest. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen in den ersten drei Monaten dieses Jahres mindestens 441 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer ums Leben. Italiens Präsidentin Georgia Meloni hatte wegen der Lage den Notstand verhängt. (mse/dpa)

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