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Niederösterreich kündigt sein Dauer-Abo für die ÖVP

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Von: Patrick Guyton

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Stärkste Kraft, aber doch Verliererin: Johanna Mikl-Leitner muss den Stimmverlust ihrer ÖVP in Niederösterreich erklären. Foto: Imago Images.
Stärkste Kraft, aber doch Verliererin: Johanna Mikl-Leitner muss den Stimmverlust ihrer ÖVP in Niederösterreich erklären. Foto: Imago Images. © IMAGO/photonews.at

Das Erstarken der rechten FPÖ kostet die Konservativen die absolute Mehrheit – und bringt die unbeliebte schwarz-grüne Bundesregierung von Kanzler Karl Nehammer in die Bredouille.

Niederösterreich war für die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), was Bayern über Jahrzehnte für die CSU war: ein Dauer-Abo auf die absolute Mehrheit. Damit ist es zu Ende. Bei der Landtagswahl in dem nach Wien bevölkerungsreichsten österreichischen Bundesland am Sonntag ist die ÖVP um 9,7 Prozent auf nun knapp 40 Prozent gefallen. Feiern darf die rechtspopulistische FPÖ, die von 15 auf nun 24,2 Prozent emporsteigt.

Die Wahl hat bundespolitische Bedeutung, denn sie lenkt den Blick nach vorne: Im Herbst 2024 wird ein neues Nationalparlament gewählt. Das derzeit regierende Bündnis aus ÖVP und Grünen ist unbeliebt und steht nun infrage.

Der Niedergang der ÖVP hängt wesentlich mit den Skandalen des Ende 2021 zurückgetretenen Parteichefs und Bundeskanzlers Sebastian Kurz zusammen. Dieser hatte sich unter anderem gefälschte positive Umfragewerte gekauft und der Zeitung „Österreich“ für eine wohlwollende Berichterstattung lukrative Anzeigen zugeschanzt.

Wie Analysen zeigen, kommen die allermeisten neuen FPÖ-Wähler:innen von der ÖVP. In Niederösterreich dürfte die Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nun ein Bündnis mit der sozialdemokratischen SPÖ eingehen und in ihrem Amt bleiben. Sie ist auch in der Bundespolitik eine einflussreiche Akteurin hinter den ÖVP-Kulissen. Mit den sogenannten Freiheitlichen von der FPÖ möchte niemand zusammenarbeiten.

Diese haben ihre Affäre um das Ibiza-Video und die darin gezeigte Käuflichkeit des damaligen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache offenbar überstanden, sie sind derzeit voll im Aufwind.

In den jüngsten Umfragen kommt die FPÖ republikweit auf 28 Prozent und wäre stärkste Partei. Dies ist erstaunlich, weil mit Herbert Kickl ein Politiker an der Spitze steht, der zum äußersten rechten Rand der Partei zählt.

Gleiches gilt für Udo Landbauer in Niederösterreich. Dieser hat die „Liederbuch-Affäre“ hinter sich: Er war Vize-Chef einer Burschenschaft, in deren Liederbuch sich offen antisemitische und rassistische Texte fanden. Im Ukraine-Krieg steht die FPÖ mehr oder minder unverblümt auf der Seite Russlands und übernimmt die Erzählungen und Deutungen von Wladimir Putin.

Als Ursachen für den Wahlausgang in Niederösterreich werden die verschiedenen Krisen von Inflation über Ukraine bis hin zu einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem politischen System genannt. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bemüht sich zu reagieren: Er und seine Partei fischen am rechten Rand mit immer drastischeren Forderungen gegen den Zuzug von Flüchtlingen. Auf EU-Ebene zeigt sich Nehammer zunehmend als Hardliner.

Von der ÖVP-Schwäche konnten die Sozialdemokraten bisher überhaupt nicht profitieren, in Niederösterreich rutschten sie mit 20,7 noch einmal um drei Prozent ab. Landesweit liegen sie mit 25 Prozent derweil drei Punkte vor der ÖVP. Die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner steht unter Druck. Sie gilt manchen als schwach und auch kommunikativ ungeschickt. Der selbstbewusste Landeshauptmann Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland gilt als Herausforderer. Rendi-Wagner aber ist sehr durchhaltefähig und strebt weiterhin an, als erste Frau ins Kanzleramt am Ballhausplatz einzuziehen – in welcher Koalition auch immer.

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