100 Tage Premier Sunak in Großbritannien: „Regierung versinkt im eigenen Sumpf“
Die ersten 100 Tage von Rishi Sunak im Amt des britischen Premiers sind vorbei. Seitdem hat sich kaum etwas verbessert, die bisherige Bilanz ist schlecht.
London – Kommende Woche am 02. Februar ist Rishi Sunak seit 100 Tagen britischer Premier. Damit ist er die dritte Person innerhalb eines Jahres, die das Amt ausführt. Nach den zahlreichen Fauxpas von Boris Johnson und der kurzen Zeit von Liz Truss erhofften sich die Konservativen etwas Halt. Sunak gilt als pragmatisch, der Beginn seiner Amtszeit als geglückt, er habe sich stabiler gezeigt als seine Vorgänger, sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sunak bemühte sich, das von Liz Truss hinterlassene Wirtschaftschaos zu beruhigen.
Doch nach 100 Tagen kommen hat sich kaum etwas verbessert. In der konservativen Partei geht nichts voran und die Umfragewerte befinden sich weiter im Fall. Kritische Stimmen werden laut, die britische Zeitung Spectator, die eigentlich für ihre Nähe zu den Konservativen bekannt ist, titelte sogar „Die Rückkehr des Tory-Sumpfes“. Aus der Opposition wird offen gemutmaßt, ob der Job zu groß für Sunak ist – Eine vernichtende Bilanz.
Großbritannien: 100 Tage Premier Sunak – der dritte in einem Jahr
Dabei war der 42-Jährige angetreten, um nach skandalumwitterten Jahren unter Boris Johnson und Chaoswochen unter Liz Truss die Regierung endlich wieder in ruhige Gewässer zu lenken. „Integrität, Professionalität und Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen“ kündigte Sunak an, als er am 25. Oktober in die Downing Street einzog – als dritter Premier Großbritanniens innerhalb eines Jahres.
Zunächst bemühte sich Sunak, das von Truss hinterlassene Chaos der Finanzmärkte aufzuräumen. Dass der Schatzkanzler – entgegen dem konservativen Konsens – als Mittel der Wahl zu Steuererhöhungen greifen wollte, schien seine Partei kaum zu kümmern. Seine Versprechen waren, Schulden zu senken und die illegale Einreise ins Land zu stoppen. Ein weiteres Ziel war es, das Gesundheitssystem zu verbessern, sodass die Wartezeiten auf Rettungswagen und in den Notaufnahmen reduziert werden. Damit nahm der Premier neue Sorgen der Konservativen in Angriff. „Insgesamt macht Rishi einen anständigen Job, und sein Austausch mit der Fraktion ist ziemlich gut“, zitierte der Telegraph einen Tory-Abgeordneten.

Britischer Premier Rishi Sunak ist 100 Tag im Amt: „der richtige Mann zur falschen Zeit“
Trotzdem stürzen die Umfragewerte der Konservativen weiter ab. Die Tories liegen aktuell nur bei etwa 20 Prozent. Ein solches Ergebnis bei der nächstes Jahr geplanten Parlamentswahl würde die konservative Fraktion wegen des Mehrheitswahlverfahrens marginalisieren. Dass Sunak im Tarifstreit im öffentlichen Dienst hart bleibt, hilft auch nicht, da die Bevölkerung mehrheitlich auf der Seite der Streikenden steht. Der Premier wirke dadurch gemein, „alles in allem sieht es ziemlich düster aus“, sagt der Politologe Tim Bale der dpa. Zudem hat sich Sunak selbst mehrfach blamiert, beispielsweise im Gespräch mit einem Obdachlosen. Selbst der ehemalige Premier Johnson düpierte Sunak bereits, als er am Weltklimagipfel teilnahm.
Doch der Premier ist nicht als einziger für die Lage verantwortlich zu machen. Schon unter Boris Johnson wurden die Weichen für die aktuelle Situation gestellt, Sunak habe sie lediglich geerbt, meint Garnett. „Er hat genug getan, das darauf hinweist, dass er unter den richtigen Umständen und mit fähigen Kollegen ein erfolgreicher Premierminister hätte werden können“, erklärt der Politologe. „Aber für das Land sieht es bestenfalls so aus, als wäre er der richtige Mann zur falschen Zeit.“
Nach 100 Tagen im Amt: Premier Sunak hat „versäumt, sich Vertrauen zu verdienen“
Über andere Mitglieder der Partei lässt sich das offenbar kaum sagen. Staatsminister Gavin Williamson legte bereits aufgrund von Mobbingvorwürfen das Amt nieder und auch gegen Vize-Regierungschef Dominic Raab läuft deshalb eine Untersuchung. Er gilt sogar als einer der engsten Verbündeten von Sunak. Innenministerin Suella Braverman wurde ins Kabinett berufen, obwohl sie nur eine Woche zuvor zurückgetreten ist, weil sie sich nicht an die Sicherheitsvorschriften gehalten hatte. Zuletzt wurde Nadhim Zahawi nach einer Steueraffäre als Generalsekretär entlassen. Es sei „ein ernsthafter Bruch der ministeriellen Regeln“, schrieb Sunak im Entlassungsbrief, trotzdem hatte er vorher lange an Zahawi festgehalten.
Das macht deutlich, dass Sunak mehr Wert auf seine eigenen hohen Standards legt, als darauf, seine Partei in Schach zu halten, kommentierte „Byline Times“-Korrespondent Adam Bienkov. „Nach drei Monaten hat er es nicht nur versäumt, sich Vertrauen zu verdienen, sondern er hat dazu beigetragen, den Ruf seiner Partei noch weiter im politischen Sumpf zu versenken als seine Vorgänger“, heißt es weiter. Der Premier habe sich als schwacher Anführer gezeigt, weil die Kabinettsmitglieder trotz ihrer Skandale nicht entlassen wurden, findet auch Bale. (kiba/dpa)