Neun tote Journalisten bei IS-Doppelanschlag in Kabul

Gleich zwei Bomben explodieren kurz hintereinander in Afghanistans Hauptstadt. Die zweite trifft eine Gruppe Journalisten. Der Selbstmordattentäter ging dabei besonders perfide vor.
Bei einem Doppelanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind mindestens 29 Menschen getötet worden. Wie „Reporter ohne Grenzen“ mitteilte, sind unter den Opfern auch mindestens neun Journalisten, die auf dem Weg zum ersten Anschlagsort waren, sechs weitere seien schwer verletzt worden. Alle seien unter 30 Jahre alt. Unter den Toten ist auch der Chef-Fotograf des örtlichen Büros der französischen Nachrichtenagentur AFP, Shah Marai.
Mindestens 49 weitere Menschen seien verletzt worden, sagte Polizeisprecher Hashmat Stanakzay der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Das Gesundheitsministerium meldete nur 21 Tote. Afghanische Regierungssprecher sind aber bekannt dafür, Opferzahlen für die Öffentlichkeit kleinzuhalten.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Doppelanschlag über Propagandakanäle im Internet für sich. In der Provinz Nangarhar sei ein Polizeimitarbeiter ebenfalls bei einem Anschlag gestorben, berichteten afghanische Medien.
Die beiden Anschläge in der Hauptstadt wurden kurz hintereinander während des morgendlichen Berufsverkehrs im Viertel Schaschdarak verübt. Ein Selbstmordattentäter auf einem Motorrad habe die erste Detonation an einer Kontrollstelle nahe des Geheimdienstquartiers ausgelöst, sagte Polizeisprecher Stanakzay. Bei den Opfern handle es sich um Zivilisten, berichteten Medien unter Berufung auf Sicherheitskräfte. In dem Stadtviertel befinden sich auch die US-Botschaft und das Nato-Hauptquartier.
Wenig später wurde eine zweite Bombe in demselben Stadtviertel in einer Gruppe von Journalisten gezündet, sagte der Polizeisprecher. Dabei seien mehrere Journalisten getötet oder verletzt worden. Der Chef-Fotograf der französischen Nachrichtenagentur AFP, Shah Marai, war unter den Todesopfern, wie die Agentur bei Twitter mitteilte.
Der Selbstmordattentäter des zweiten Anschlags hatte sich laut Berichten als Journalist ausgegeben und eine Kamera getragen. Die Bombe explodierte, als Helfer sich um die Verletzten des ersten Anschlags kümmerten.
„Dieser Vorfall zeigt, dass Afghanistan, wo es häufig zu Gewalt gegen Reporter und Tötungen von Reportern kommt, das gefährlichste Land für Journalisten ist“, sagte der AJSC-Vorsitzende Nadschib Scharifi der Deutschen Presse-Agentur. Derartige Vorfälle seien eine große Bedrohung für die Meinungs- und Pressefreiheit.
Medienaktivisten der Nicht-Regierungsorganisation Nai zufolge wurden 2017 in Afghanistan 21 Journalisten getötet. Nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) verloren 2017 neun Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit ihr Leben. Am gefährlichsten für Journalisten ist es laut ROG in Syrien, gefolgt von Mexiko und Afghanistan auf Platz drei.
Die USA verurteilten den Doppelanschlag in der afghanischen Hauptstadt aufs Schärfste und sprachen den Angehörigen, Freunden und Kollegen der Opfer ihr Mitgefühl aus. In einer Mitteilung auf der Internetseite der Botschaft würdigte die US-Regierung vor allem die „tapferen Journalisten“, die bei ihrer Arbeit ums Leben kamen. „Wo die Medien in Gefahr sind, sind alle anderen Menschenrechte umso mehr bedroht“, hieß es.
Bei den Explosionen vom Montag handelt es sich bereits um den achten größeren Anschlag in Kabul seit Jahresanfang. In den ersten vier Monaten des Jahres wurden in der afghanischen Hauptstadt Hunderte Menschen getötet und verletzt.
In der Provinz Nangarhar wurde außerdem bei einem Anschlag der Chef der Kriminalpolizei des Distrikts Behsud getötet. Der Vize-Bezirksgouverneur sowie drei weitere Polizisten seien verletzt worden, berichtete der Sender Tolo News unter Berufung auf Behörden. Zuerst war von fünf Verletzten die Rede gewesen. Diesen Anschlag reklamierte bisher niemand für sich. (dpa)