Die neue Generation der Rechten

Der Anschlag in Halle zeigt wieder: Rechtsextreme Terroristen hinterlassen mit ihren Taten ein Erbe, das immer mehr Neonazis beflügelt. Ein Gastbeitrag von „NSU-Watch“-Aktivistin Caro Keller.
Die „Generation NSU“ hat sich mit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wieder in Erinnerung gerufen. Wie der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan E. blicken auch andere Rechte seit den 1990er Jahren auf mehr oder weniger organisierte Neonazi-Karrieren zurück: Während der damaligen rassistischen Mobilisierung sammelten die Rechtsextremen Erfahrungen. Später halfen einige von ihnen der Terrorvereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bei ihrer Mord- und Anschlagsserie; 2012 reorganisierte sich diese terroraffine Neonazi-Szene.
Ob diese extrem Rechten nun tatsächlich im direkten Kontakt mit dem NSU standen oder nur generationell mit ihm verbunden sind: Statt dieses von V-Leuten durchsetzte Netzwerk aufzudecken, halten die deutschen Sicherheitsbehörden die Akten unter Verschluss oder schreddern sie. So bleibt es weiterhin gefährlich.
Rechte: Übergänge in Personal und Praxis sind fließend
Die rassistische Mobilisierung die wir aktuell erleben, motiviert ihrerseits eine neue Generation zu rechtem Terror. Dieser „Generation 2015“ wird sowohl in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, als auch durch Demonstrationen wie der Pegida und die Erfolge der AfD der Rücken für ihre rechten Taten gestärkt. Sie verbreiten auf offener Straße Terror gegen Einzelpersonen, sie greifen Geflüchtetenunterkünfte mit Brand- oder Sprengsätzen und Waffen an. Sie gehen einzeln gegen Menschen vor, die nicht in ihr Weltbild passen oder sie organisieren sich in Gruppen wie „Revolution Chemnitz“ oder „Gruppe Freital“. Einige Angehörige dieser neuen „Generation 2015“ haben schon eine neonazistische Vergangenheit, andere schlossen sich erst kürzlich an, die Übergänge in Personal und Praxis sind jedoch fließend. Und eines ist klar: Sie fühlen sich durch die Normalisierung von rechten Aussagen in der Gesellschaft massiv bestärkt.

Der verurteilte Massenmörder Anders Breivik tötete am 22. Juli 2011 in Norwegen aus rechtsextremen und islamfeindlichen Motiven 77 Menschen. Rechter Terror soll immer Nachahmer inspirieren und Breivik setzte ohne Zweifel das von ihm gewünschte Fanal. Ein Zeichen, das vielleicht auch den NSU inspirierte, 2011 wieder aktiv zu werden? Bis heute folgen Breiviks Beispiel weltweit Attentäter mit eigenen „Manifesten“ und Videos. Ob beim Attentat im Olympia-Einkaufszentrum im München (10 Tote), beim Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (51 Tote) oder vergangene Woche in Halle (zwei Tote): Bei allen Tätern finden sich ähnliche ideologische Versatzstücke wie bei Breivik.
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Viele der Täter handeln allein, stehen aber weltweit mit anderen im Kontakt, mit denen sie sich über rechte Terrorkonzepte, Anleitungen zum Waffenbau oder zur Tatausführung austauschen. Wenn sie dann zur Tat schreiten, geben sie diesen Online-Communitys ihre Videos und Manifeste zur weiteren Eskalation zurück. Und sie berauschen sich an der weltweiten rassistischen Mobilisierung.
Rechte Verdächtige, die professionell bewaffnet und trainiert sind
Rechte Netzwerke in den deutschen Sicherheitsbehörden wie „Nordkreuz“ oder „NSU 2.0“ sind trotz aufwendig recherchierter Berichterstattung noch immer die große Unbekannte im Feld des rechten Terrors. Es lässt sich nur wenig herausfinden über die Akteure; darüber, wie aktiv die Netzwerke noch sind, oder ob daran gearbeitet wird, sie zu bekämpfen. Klar ist nur: Man hat es mit Verdächtigen zu tun, die aufgrund ihrer Berufe professionell bewaffnet und trainiert sind. Ihre Pläne umfassen sowohl den konzertierten Mord an politischen Gegner*innen als auch massive Drohungen wie gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie. Die Behörden, weite Teile der Politik und die Justiz scheinen jedoch nicht dazu bereit zu sein, konsequent gegen diese Netzwerke vorzugehen.
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Die Grundlage all dieser Gruppen sind Ideologien der Ungleichwertigkeit wie Antisemitismus und Rassismus, sind Konzepte und Fantasien von heraufbeschworenen Bürgerkriegen oder einem „Tag der Abrechnung“. Dafür bewaffnen sie sich und schreiten zur Tat, weil sie daran glauben, durch massive Gewalt ihre wahlweise autoritäre, heteronormative oder völkische Vision einer Volksgemeinschaft verwirklichen zu können.
Diese Grundlagen kann die Gesellschaft ihnen entziehen. Rassismus oder Antisemitismus, Misogynie und Queer-Feindlichkeit sind gesellschaftlich weit verbreitet, das zeigen Studien immer wieder. Das heißt aber auch, dass jede und jeder Einzelne etwas verändern kann. Die Raumnahme der extremen Rechten kann und muss zurückgedrängt werden, indem man sie von ihren Plattformen über Youtube bis zu Chatgruppen verbannt.
Caro Keller ist Sprecherin des bundesweiten antifaschistischen Bündnisses „NSU-Watch“.