Neue Ausschreitungen gegen Christen in Nigeria

Zehn Tote wegen angeblich konfisziertem Koran / Huber mahnt islamische WeltDie Unruhen in dem Bundesstaat Bauchi hatten begonnen, nachdem eine Lehrerin einer Schülerin einen Koran wegnahm, in dem das Mädchen während des Unterrichts las. Mehr zum Thema: Streit um Mohammed-Karikaturen FR Online-Forum: Meinungs- vs. Religionsfreiheit?
Abuja/Nairobi/Berlin (dpa/rtr). Zwei Tage nach gewaltsamen Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen in Nigeria sind bei neuen Ausschreitungen zehn Menschen ums Leben gekommen. Die Unruhen in dem Bundesstaat Bauchi hatten begonnen, nachdem eine Lehrerin einer Schülerin einen Koran wegnahm, in dem das Mädchen während des Unterrichts las.
"Einige Schüler haben das falsch interpretiert", sagte ein Behördensprecher am Dienstag. Als sich das Gerücht verbreitete, dass die Lehrerin den Koran konfisziert habe, brach die Gewalt am Montagabend aus.
Am Samstag waren im Bundesstaat Borno nach offiziellen Angaben 17 Menschen ums Leben gekommen. Eine christliche Dachorganisation sprach sogar von mindestens 50 Todesopfern. Mehr als ein Dutzend Kirchen wurde zerstört und zahlreiche Geschäfte von Christen wurden geplündert.
Im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias war es in der Vergangenheit schon mehrfach zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen gekommen. Dabei spielen Stammesgrenzen eine mindestens ebenso große Rolle wie religiöse Unterschiede.
Nigerias Christen schließen Vergeltung nicht aus
Nigerias größte Christengruppe schließt Vergeltungsangriffe ihrer Mitglieder nicht mehr aus. "Wir möchten an dieser Stelle unsere moslemischen Brüder daran erinnern, dass sie über kein Gewaltmonopol in diesem Staat verfügen", sagte der anglikanische Erzbischof Peter Akinola von der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN) am Dienstag.
"Die CAN ist vielleicht nicht mehr in der Lage, unsere unruhige Jugend zu bändigen, sollte sich diese hässliche Entwicklung fortsetzen." Die jüngsten Übergriffe auf Christen seien Teil eines Plans der Moslems, Nigeria in einen islamischen Staat zu verwandeln.
Die 140 Millionen Bürger Nigerias verteilen sich fast gleichmäßig in eine christliche Hälfte im Süden und eine moslemische im Norden. Seitdem zwölf Bundesstaaten im Norden 2000 das islamische Recht, die Scharia, eingeführt haben, sind tausende Menschen bei religiös motivierter Gewalt getötet worden.
Huber: Islam muss sich zu Trennung von Staat und Kirche bekennen
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat ein Bekenntnis der islamischen Welt zur Trennung von Staat und Kirche angemahnt. Die in einigen islamischen Ländern entfachte Empörung gegen die Mohammed-Karikaturen richte sich zunehmend gegen christliche Gemeinden und Kirchen, kritisierte der Bischof am Montag in Berlin.
"Wir können nicht hinnehmen, dass die Karikaturen zum Anlass einer gewalttätigen Kampagne gemacht wurden, die im wachsenden Maß Christen und christliche Kirchen trifft", sagte Huber. Die Verantwortlichen müssten dafür sorgen, dass Muslime die Gewalt einstellten.
In Deutschland werde auf die Integrationsfähigkeit und Integrationswilligkeit der Muslime gesetzt. "Ob diese Integration gelingt, hängt in hohem Maß davon ab, ob die wechselseitige Unabhängigkeit von Staat und Religionsgemeinschaften, von Politik und Religion auch im Islam aufgenommen und bejaht wird", betonte der Bischof. "Wäre das der Fall, dann könnten wir in Ruhe über die Grenzen der Meinungsfreiheit diskutieren.
Jetzt aber müssen wir die Religionsfreiheit von Christen in Nigeria verteidigen, deren Gotteshäuser aus Protest gegen Karikaturen in Brand gesetzt werden, die den meisten Menschen in Nigeria im übrigen ganz unbekannt sind."