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Netanjahu verspricht „weichere“ Justizreform

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Von: Maria Sterkl

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Während einer Kundgebung gegen die Justizreform in Tel Aviv am Wochenende kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Jack Guez / AFP
Während einer Kundgebung gegen die Justizreform in Tel Aviv am Wochenende kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Jack Guez / AFP © Jack Guez/afp

Israels Regierung verlangsamt ihre Politik etwas. Eine echte Veränderung sehen kritische Stimmen jedoch nicht.

Wer sich davon ein Einlenken der Regierung erwartete, wurde enttäuscht: Bis auf einen einzigen Punkt des umfassenden Demokratieumbaus werden alle geplanten Justizreformschritte bloß auf später verschoben.

Die Reformschritte sollen in der zweiten Aprilhälfte, wenn die Knesset nach einer rund zweiwöchigen Pause für die Pessach-Feiern wieder zusammentritt, beschlossen werden. Nur ein Punkt soll bereits vor der Pessachpause vom Parlament mit den Stimmen der Koalition verabschiedet werden: die Neuorganisation der Richterauswahl. Dieser Teil der Reform ist der ultrarechten Koalition besonders wichtig, da er ihr direkten Zugriff auf die Zusammensetzung aller Gerichte gibt. Derzeit hat die Justiz ein Vetorecht bei der Auswahl der Richter:innen. In Zukunft soll die Koalition allein bestimmen können, wer ein Richter oder eine Richterin wird.

Um auf die Proteste zu reagieren, hat die Koalition nun einige Punkte im Entwurf zur Richterselektion abgeändert. Sie bezeichnet das als „Aufweichung“ der Reform. „Rein gar nichts wurde hier aufgeweicht“, widerspricht Gila Stopler, Professorin für Öffentliches Recht am College für Recht und Wirtschaft in Ramat Gan. Nur in kleinen Details wurde der Entwurf geändert, im Ergebnis ändere sich nichts: „Die Regierung holt sich volle Kontrolle darüber, wer Richter werden darf. Das ist exakt dasselbe, was wir schon in Ungarn und Polen gesehen haben.“

Seit Wochen sieht sich die Regierung mit Appellen konfrontiert, sie möge sich auf einen Kompromiss mit den Gegner:innen der Reform einlassen. Einen konkreten Kompromissvorschlag hatte Israels Staatspräsident Itzchak Herzog vor sechs Tagen präsentiert. Die Koalition lehnte ihn ab. Das brachte Netanjahu auf seinem Berlin-Besuch nicht nur deutliche Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz ein. Israels Ministerpräsident, der sich stets für seine ausgezeichneten US-Kontakte rühmt, musste sich Sonntagabend auch einer rund dreißig Minuten dauernden telefonischen Mahnung von US-Präsident Joe Biden unterziehen. Darin ging es laut Angaben des Weißen Hauses vor allem um die umstrittene Justizreform, über die sich Biden zutiefst besorgt zeigte.

Massenproteste auf Israels Straßen, negative Wirtschaftsprognosen, Revolte der Reservist:innen und klare Worte aus Washington – der Druck auf die ultrarechte Regierung nimmt zu.

Dennoch lässt sich die Koalition auf keinen Dialog mit der Opposition ein. Die leichte Kurskorrektur, die nun vorgelegt wurde, ist Ergebnis eines unilateralen Diskussionsprozesses der Koalitionsparteien – und dieser dauert immer noch an. Ständig werden neue Versionen des Gesetzentwurfs in Umlauf gebracht, an denen neue Details abgeändert werden. „Das ist eigentlich nicht die Art, wie man ein Gesetz erstellen sollte“, sagt die Juristin Stopler.

Kritik aus eigenen Reihen

Die Kritik der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. „Das ist Ungarn und Polen auf Steroiden“, sagte Merav Michaeli, Chefin der Arbeiterpartei. Zur Häme des gegnerischen Lagers gesellte sich lautstarke Kritik aus den eigenen Reihen. Ein „Kniefall vor den Linken“ und „eine Schande“ sei der neue Plan, sagte Tali Gottlieb, Abgeordnete von Netanjahus Likud-Partei, im öffentlichen Sender „Kan2“. „Dafür wurden wir nicht gewählt“, protestierte auch Likud-Hardliner Dudi Amsalem per Twitter. „Wir werden das nicht zulassen“, erklärte Almog Cohen, Mitglied der Otzma Jehudit-Partei von Itamar Ben Gvir.

Während die Koalition zunehmend mit sich selbst beschäftigt ist, reißt ihr Finanzminister im Ausland neue Fronten auf. Bezalel Smotritsch von der rechtsextremen Partei „Religiöse Zionisten“ erklärte am Sonntagabend auf einer Veranstaltung in Paris vor Kameras, „so etwas wie ein palästinensisches Volk gibt es nicht“. Smotritsch ist seit kurzem de facto Gouverneur des von Israel besetzten Westjordanlandes, in dem insgesamt knapp vier Millionen Menschen leben – 85 Prozent davon sind Palästinenser:innen.

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