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Nach Schüssen an Schule: Serbien sucht nach Erklärungen

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Von: Thomas Roser

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Zeichen der Trauer und des Mitgefühls vor der Schule in Belgrad.
Zeichen der Trauer und des Mitgefühls vor der Schule in Belgrad. © dpa

Das Land zeigt sich nach dem Amoklauf eines Jugendlichen an einer Schule in Belgrad ratlos

Der Bestürzung folgt die tiefe Trauer. Blumenberge und Kerzenstummel erinnerten am Tag nach dem Massaker vor der Belgrader Vladislav-Ribnikar-Schule an die acht Kinder und den Portier, die bei dem blutigen Amoklauf eines 13 Jahre alten Schülers ihr Leben verloren.

Viele Zeitungen hatten am Donnerstag die Farbe von ihren schwarz-weiß Titelblättern verbannt. „Serbien im Schock und in Tränen“, titelte die Zeitung „Danas“. Den „schwärzesten Tag in Serbien“ vermeldete der „Kurir“, „Serbien trauert um seine getöteten Kinder“, so „Nova“.

Bedrückt und ungewohnt still hatten Tausende von fassungslosen Anwohner:innen, Großeltern, Eltern und Kindern am Vorabend in den Straßenzügen rund um die Schule im Stadtteil Vracar der Toten und ihrer Angehörigen gedacht. Würdenträger:innen und die Polizei versuchten sich an der Erklärungssuche, was einen 13-Jährigen, bisher völlig unauffälligen Musterschüler aus gutem Hause dazu getrieben haben könnte, kaltblütig seine Mitschüler:innen zu ermorden.

Erziehungsminister Branko Ruzic machte den „krebsartigen Einfluss“ des Internets und „sogenannter westlicher Werte“ für die Zunahme von Gewaltexzessen an Schulen verantwortlich. Die Lehrergewerkschaft NSRPS fordert hingegen die sofortige Ablösung von Ruzic: Mehrmals, aber vergeblich habe sie den Minister vor den Risiken fehlender Sicherheitsvorkehrungen, dem Mangel an Schulpsycholog:innen und vor den fatalen Folgen einer Personalpolitik nach Parteibuch an den Schulen gewarnt.

Staatschef Aleksandar Vucic wehrte sich beredt gegen den Vorwurf, dass gewaltverherrlichende Realityshows der kaum regulierten TV-Sender im Dunstkreis seiner regierenden SNS mitverantwortlich für den Werteverfall seien: „Man darf nicht naiv sein: Die Kinder schauen kein Fernsehen, sie hängen den ganzen Tag im Internet.“

56 Patronenhülsen wurden in der Schule sichergestellt: Der waffenvernarrte und vorläufig verhaftete Vater des Täters, ein renommierter Arzt, soll seinen Sohn mehrmals zu einer Schussanlage mitgenommen haben, um mit seinem Zögling zu ballern.

Der weitverbreitete Waffenbesitz ist bereits seit den Jugoslawienkriegen in allen Staaten der Region problematisch. Laut einer Schweizer Untersuchung von 2018 liegt Serbien, was die Pro-Kopf-Zahl von Schusswaffen im Privatbesitz angeht, nach den USA und Jemen gemeinsam mit Montenegro weltweit auf dem dritten Rang – und in Europa an der Spitze.

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