Das „vergessene Kap“ Cabo Delgado in Mosambik: Eine Provinz wird zu einer Brutstätte für Islamismus

Die Menschen in Mosambiks Nord-Provinz Cabo Delgado leiden unter Armut und Arbeitslosigkeit. Unter Jugendlichen breitet sich eine radikale Form des Islam aus.
Cabo Delgado – Offiziell heißt sie „Cabo Delgado“, doch von ihren Einwohnerinnen und Einwohnern wird die Provinz nur „Cabo Esquecido“, das vergessene Kap, genannt. Selbst fremden Reisenden fällt der Grund dafür schon auf den ersten Blick auf: Die vierspurige Autobahn auf der tansanischen Seite des Rovuma-Flusses mündet in eine stattliche, mit riesigen Elefantenstoßzähnen aus Beton geschmückte Brücke – um sich auf mosambikanischer Seite dann schnurstracks in einen Feldweg zu verwandeln.
Der ungeteerte Buschpfad schlängelt sich Hunderte von Kilometern durch Mosambiks Nordosten, nur hin und wieder tauchen am Wegrand strohbedeckte Lehmhütten ohne Strom- und Wasseranschlüsse auf. Nichts deutet darauf hin, dass nur wenige Kilometer entfernt an der Küste derzeit mehr Geld als irgendwo anders auf dem afrikanischen Kontinent investiert wird: Auf einer Halbinsel neben dem Hafenstädtchen Palma, das bislang nur für seinen verwunschenen Charme und seine verwegenen Schmuggler bekannt war, soll eine der größten Anlagen zur Erdgasverflüssigung der Welt im Wert von 20 Milliarden US-Dollar entstehen.
Palma in Mosambik: Terror beendete Gasprojekt
Palma geriet vor wenigen Tagen in die internationalen Schlagzeilen, nachdem angebliche „Isis-Terroristen“ ein Blutbad unter den 75 000 Bewohner:innen des Städtchens angerichtet hatten. Dem Terror fielen erstmals auch zahlreiche Angestellte ausländischer Unternehmer zum Opfer: Der im „vergessenen Kap“ seit fast vier Jahren tobende Konflikt wurde zum Weltereignis. Der französische Konsortium-Führer „Total“ stellte inzwischen sämtliche Bauarbeiten ein.
Eigentlich sollte das Megaprojekt spätestens 2024 fertig sein und das gesamte südliche Afrika wirtschaftlich anschieben. Jetzt könnte es als gigantische Bauruine enden. Militärberater:innen aus den USA, Südafrika und Portugal eilen in die verwunschene Region, um Mosambiks Armee im Antiterrorkampf zu üben. Obwohl Fachleute davor warnen, den Konflikt um die hochexplosiven Gasfelder mit militärischen Mitteln meistern zu können.

Cabo Delgado in Mosambik: Armut trotz vieler Rohstoffe
Was auf der Fahrt durch das vergessene Kap noch auffällt: In der Mitte jeder größeren Siedlung steht ein Schrein, der einem Kämpfer der Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) gewidmet ist. Ausgerechnet von Cabo Delgado ging nämlich vor einem halben Jahrhundert die Befreiung der ehemaligen portugiesischen Kolonie aus. Es ist die Wiege der noch heute regierenden Frelimo und ihres Präsidenten Filipe Nyusi.
Nur 0,3 Prozent der Provinzbewohner:innen verfügen über einen Hochschulabschluss, mehr als ein Drittel der Jugendlichen besucht keine Schule, nur zwölf Prozent der Haushalte sind ans Stromnetz angeschlossen. Die Provinz könne „lediglich Analphabetismus, Elend, Armut und Konflikte vorzeigen“, heißt es in einem Bericht des renommierten „Instituts für Sicherheitsfragen“ (ISS) in Pretoria: Obwohl sie die rohstoffreichste Region des Landes sei.
Cabo Delgado in Mosambik: Radikaler Islam breitet sich aus
Als vor zehn Jahren die enormen Erdgasvorräte vor Cabo Delgados Küste bekannt wurden, wähnten sich auch die Anwohnerinnen und Anwohner im Glück. Ihnen wurden blühende Landschaften, Arbeitsplätze und Krankenhäuser versprochen. Doch was sie stattdessen bekamen, waren Umsiedlungen, konfiszierte Felder und zerstörte Fischgründe. Vor drei Jahren gingen in Palma zahlreiche junge Männer auf die Straße, um gegen ihre Vernachlässigung bei der Jobvergabe auf den Baustellen zu protestieren.

Unterdessen breitete sich unter den Jugendlichen der Provinz eine radikalere Form des Islam aus – angeblich von feurigen Wanderpredigern aus Tansania und Somalia genährt. Im Oktober 2017 schlugen die sich „Ansar al-Sunna“ nennenden Extremisten erstmals in dem Hafenstädtchen Mocimboa da Praia zu: Zunächst griffen sie nur Regierungsgebäude und die Polizeistation an. Fühlt sich die Gruppe von der Bevölkerung jedoch nicht ausreichend unterstützt, wendet sie sich mit immer brutaleren Mitteln auch gegen sie: Im Dorf Nanjaba enthaupteten die Jungs (arabisch: al Schabab) mehr als 50 Dorfbewohner:innen.
Cabo Delgado in Mosambik: Probleme können nicht militärisch gelöst werden
Die Armee stand der Grausamkeit der Terror-Truppe jedoch in nichts nach: Sie bombardierte Dörfer, folterte Gefangene und ließ sie anschließend verschwinden. Derweil schottete die Regierung die Provinz von Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen ab, um freie Hand im Umgang mit den „Terroristen“ zu haben. Als sich diese vor zwei Jahren schließlich dem „Islamischen Staat im Irak und Syrien“ (Isis) anschlossen, sah man sich bestätigt.
Terroristen könne man nur mit Waffen beikommen, so die herrschende Maxime. Auch wenn selbst Militärs einräumen, Probleme wie am vergessenen Kap könnten niemals nur militärisch gelöst werden. „Wir müssen uns fragen, warum sich unsere Kinder von den Extremisten rekrutieren lassen“, wirft Mosambiks ehemaliger Gesundheitsminister, Ivo Garido, ein: „Es ist die Armut und die Arbeitslosigkeit.“ (Johannes Dieterich)