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„Moria 2“ ist trotz EU-Versprechungen „ein Elendslager“

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Von: Mirko Schmid

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Im Geflüchtetenlager Moria bleiben die Bedingungen weiterhin schwierig. Grünen-Politiker Erik Marquardt berichtet von menschenunwürdigen Zuständen.

Moria - EU-Kommissarin Ylva Johansson verkündete im September 2020, dass es auf dem Gebiet der Europäischen Union keine „Elendslager“ wie Moria mehr geben dürfe. Rund drei Monate später bleibt von diesem Versprechen wenig übrig, vielmehr versinkt Moria weiter im Elend.

Moria Geflüchtete Lage Evakuation
Verschiedene Initiativen in Deutschland fordern, das Geflüchtetenlager in Moria zu evakuieren. (Archivbild) © Jörg Carstensen/dpa

Grünen-Politiker Erik Marquardt berichtet von menschenunwürdigen Zuständen

Der EU-Parlamentarier und Grünen-Politiker Erik Marquardt, bekannt als Fürsprecher der Menschen im Geflüchtetenlager auf der griechischen Insel Lesbos, macht seinem Unmut auf Twitter Luft: „Nach dem Moria-Brand hatten die Bundesregierung und andere EU-Staaten schnelle Lösungen versprochen. Inzwischen gibt es das neue Elendslager ohne warme Duschen, ohne Heizungen, ohne Würde, ohne Aufmerksamkeit. Immer wenn es regnet, versinkt das Lager im Schlamm.“

Im Lager „Moria 2“ fehlt es an fast allem, Zelte versinken im Schlamm

Marquardt spielt damit auf „Moria 2“ an, das Lager, das in kürzester Zeit auf einem ehemaligen Militärstützpunkt nahe der Stadt Kara Tepe aus dem Boden gestampft wurde. Dort sind nach Angaben von „Proasyl“ sowohl die ärztliche Versorgung als auch die Versorgung mit Lebensmitteln unzureichend und wenn es regnet, werden viele der Zelte auf dem schlammigen Boden überschwemmt. Menschen, die vor Krieg, Elend und Vertreibung fliehen mussten, werden in dieser menschenfeindlichen Umgebung faktisch sich selbst überlassen.

Dort fehlt es an so ziemlich allem. Sanitäre Anlagen sind absolute Mangelware, selbst wenn es einmal Strom gibt, gibt es zu wenige Duschen. Ein Geflüchteter, laut „Proasyl“ Folter-Opfer aus Syrien, berichtet: „Manchmal können wir tagelang nicht duschen. Dann gehen wir ins Meer und baden dort, aber das Wasser ist sehr kalt.“

Die Geflüchteten sind aufgrund von Corona-Ausgangssperren eingepfercht

Hinzu kommt eine strikte Ausgangssperre infolge der Corona-Pandemie. Über 7.000 Menschen sind im Lager „Moria 2“ eingepfercht, ihnen fehlt es zudem an der selbst geschaffenen Infrastruktur, die sich Geflüchtete im Hauptlager Moria aufgebaut haben. Dazu gehören behelfsmäßige Bäckereien, kleine Läden, Friseureinrichtungen. An all dem fehlt es weiterhin in „Moria 2“. Woran es nicht fehlt, das ist Kälte, Regen und Schlamm.

Woran es dort auch nicht fehlt, das sind Sicherheitskräfte. Pedantisch wird das Lager überwacht, laut „Proasyl“ ist den Geflüchteten dort sogar das Kochen verboten. Sie sind somit auf das Wenige angewiesen, das ihnen seitens der Behörden zur Verfügung gestellt wird.

Das „Leuchtturmprojekt PIKPA“ wurde bereits im Herbst 2020 geräumt

Dazu kommt, dass das als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnete Camp „PIKPA“ bereits im Herbst geräumt wurde. Dort wurde, getragen durch ehrenamtliches Engagement, seit 2012 besonders vulnerablen Schutzsuchenden, Kinder, Folteropfern und Menschen mit Behinderung, eine Zuflucht geboten. 30.000 Menschen bekamen dort unter anderem rechtliche und psychologische Betreuung.

Ende Oktober 2020 wurde das Lager „PIKPA“ geräumt, die Geflüchteten wurden allesamt ins alte Lager Kara Tepe umgesiedelt. Auch dieses Lager steht vor der Schließung. „Proasyl“ fasst frustriert zusammen: „Die griechischen Behörden handeln nach der Devise: Keine Gnade für Camps, die Geflüchteten menschenwürdige Zuflucht und Unterbringung bieten.“

„Proasyl“: „Ziel ist es, Geflüchtete im öffentlichen Straßenbild weitgehend unsichtbar zu machen“

Und die Organisation, die sich den Schutz von Geflüchteten auf die Fahne schreibt, wird noch deutlicher: „Um jeden Preis werden Symbole der Menschlichkeit auf Lesbos geräumt, auf dem Rücken von Frauen, Kindern, Folteropfern und Traumatisierten. Die Botschaft, die davon ausgeht, ist deutlich – und umso deutlicher wird sie durch die Tatsache, dass bei der Räumung selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.“

Hinter all dem, so die Menschenrechtler:innen, stehe das Ziel, „umfassend kontrollierte und zum Teil geschlossene Lager für Geflüchtete zu errichten, um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken und sie somit auch im öffentlichen Straßenbild weitgehend unsichtbar zu machen.“ (Mirko Schmid)

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