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Mitgliederentscheid der Berliner SPD: Basis entscheidet sich knapp für Koalition mit CDU

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Von: Martin Benninghoff

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Konzentrierte Sonntagsarbeit: Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zählen die Stimmen aus.
Konzentrierte Sonntagsarbeit: Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zählen die Stimmen aus. © AFP

Der Mitgliederentscheid über eine Koalition mit der CDU von Kai Wegner war mit Spannung erwartet worden.

Die Nervosität in der Berliner SPD war spürbar groß an diesem Wochenende des Mitgliederentscheids zur künftigen Koalition in der Hauptstadt. Am Sonntagmorgen nahm die Zählkommission in der Parteizentrale ihre Arbeit auf: 60 Mitglieder waren das, darunter viele aus dem Landesvorstand und den Kreisverbänden Berlins. Die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer mussten ihre Smartphones abgeben und durften den ersten Stock des Kurt-Schumacher-Hauses im Stadtteil Wedding nicht verlassen. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids unter den Parteimitgliedern sollte nicht schon frühzeitig durchgestochen oder gar gleich persönlich getwittert werden. Der Landesvorstand wollte die Kontrolle behalten - über die Interpretation des Ergebnisses. Am Nachmittag dann Erleichterung bei Giffey und ihren Mitstreiter:innen: Die SPD-Basis hat einer Koalition mit der CDU mehrheitlich zugestimmt.

Für die Sozialdemokratie in Berlin, die mit Franziska Giffey noch die amtierende Regierende Bürgermeisterin stellt, ging es um sehr viel: Ob sie sich an der Bildung einer schwarz-roten Regierung unter einem Rathauschef Kai Wegner (CDU) und damit als Juniorpartnerin beteiligt - oder ob die Regierungsbildung wieder ganz neu gedacht werden muss.

Mangelnde Beteiligung war jedenfalls nicht das Problem. Von den 18 556 stimmberechtigten SPD-Mitgliedern nahmen bis zum Ende der Frist am Freitagabend rund 12 000 an der Abstimmung teil. Das entspricht fast zwei Dritteln der stimmberechtigten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Hauptstadt. Die erforderliche Mindestbeteiligung von 20 Prozent der Stimmberechtigten war bereits lange vor Fristende erreicht. In dem vielfältigen Landesverband, der im Bundesvergleich besonders links tickt, mobilisierte die kontroverse Koalitionsfrage offenbar viele.

Die hohe Beteiligung ist damit zu erklären, dass die Berliner SPD in der Einstellung zur Bildung des Senats im Tandem mit der CDU gespalten ist. Die beiden Landesvorsitzenden Giffey und Raed Saleh hatten im Vorfeld massiv für ein schwarz-rotes Bündnis und den verhandelten Koalitionsvertrag geworben, in Interviews in den Medien und auf Parteiveranstaltungen. Giffey will in der Landesregierung das Ressort für Stadtentwicklung und Bauen übernehmen. Für beide hing auch die persönliche Karriere in der Landespolitik an der Frage.

Mehrere Kreisverbände hatten sich allerdings im Vorfeld gegen die Koalition ausgesprochen, bisweilen massiv. Die Parteijugend der Jusos kritisierte den Koalitionsvertrag als „ein schwarzes Korsett mit roten Schleifen“ - und erneuerte ihre Forderung nach einer Fortsetzung des bisherigen Dreierbündnisses mit den Grünen und der Linken. Selbst vom Bund kam Störfeuer: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, selbst ein Berliner, stichelte gegen eine schwarz-rote Koalition. Rein rechnerisch war auch weiterhin ein schwarz-grünes Bündnis der CDU mit den Grünen möglich, die bei der Abgeordnetenhauswahl im Februar nur wenige Stimmen weniger bekamen als die SPD.

Klare Gewinnerin war da die CDU, die ihr Ergebnis um mehr als zehn Punkte verbessern konnte. Ihr Spitzenkandidat Wegner ist bei vielen Mitgliedern von SPD, Grünen und Linkspartei umstritten - nach rechtskonservativen Äußerungen in der Vergangenheit. Und nicht nur er persönlich: Im Wahlkampf hatte die CDU harsche Töne in der Migrationsfrage angestimmt: Zudem gilt die Berliner Partei als wenig großstadtaffin, wenn man die Innenstadtkieze zum Maßstab nimmt und nicht die Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand und in Spandau, wo Wegner in den 90er Jahren seine politische Karriere begann.

Die CDU will am Montag über das Regierungsprogramm entscheiden. Die Abstimmung gilt aber im Gegensatz zum SPD-Mitgliederentscheid als Formsache, nachdem die CDU in Berlin seit mehr als 20 Jahren nicht mehr das Stadtoberhaupt gestellt hat.

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