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Was Unternehmen für klimafreundliche Mobilität tun können

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Von: Joachim Wille

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Radschnellweg in Mülheim an der Ruhr.
Radschnellweg in Mülheim an der Ruhr. © imago

Durch Dienst-Räder, Elektroautos und Homeoffice können Firmen das Pendeln grüner machen, so eine Studie von Agora Verkehrswende und dem Öko-Institut. Doch auch die Politik ist gefragt.

Die Corona-Pandemie hat die Berufswelt und die damit verbundene Mobilität stark verändert. Homeoffice und Videokonferenzen ließen die Pendlerfahrten deutlich zurückgehen. Doch die betriebliche Mobilität insgesamt kann noch viel stärker zum Klimaschutz beitragen, wie eine Veröffentlichung zeigt, die der Thinktank Agora Verkehrswende und das Öko-Institut vorgelegt haben. Daraus wurden praktische Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dabei geht es unter anderem um komplett elektrische Firmenwagen-Flotten, die Finanzierung von Jobrädern oder „Mobilitätsbudgets“ statt Dienstwagen.

Fast ein Viertel der CO2-Emissionen im Personenverkehr entsteht laut Öko-Institut durch das Berufspendeln. Das klassische Hin-und-Her an fünf Tagen pro Woche gehört jedoch zunehmend der Vergangenheit an. Ende März 2022 endete zwar die in der Pandemie eingeführte gesetzliche Homeoffice-Pflicht, doch viele Unternehmen gewähren der Belegschaft weiterhin große Freiheiten, auch von zu Hause aus zu arbeiten. Sogar ein Autokonzern wie Volkswagen erlaubt, den Job an vier von fünf Tagen im Arbeitszimmer der eigenen Wohnung zu erledigen, wenn die Tätigkeit es zulässt.

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Es gibt zwar derzeit einen gegenläufigen Trend, Chef:innen streben wieder mehr Präsenz an. Doch es zeichnet sich ab: Ein komplettes Zurück zu Vor-Corona-Zeiten wird es nicht geben.

Doch damit ist das Klimaproblem, das durch Pendlerfahrten, Dienstwagen-Nutzung und sonstige berufliche Mobilität erzeugt wird, längst nicht gelöst. Die Unternehmen sind laut der Untersuchung zentral für die Verkehrswende, weil sie einen erheblichen Beitrag zur Minderung der Verkehrsemissionen leisten können – und zwar nicht nur direkt, etwa durch Umstellung von Präsenzmeetings auf Videokonferenzen oder Finanzierung von Job-E-Bikes statt Dienstwagen, sondern auch durch starke indirekte Effekte.

Ein Beispiel, auf das Agora und Öko-Institut hinweisen, ist der Einfluss auf die Autoflotte generell: Da zwei Drittel aller Neuwagen hierzulande gewerblich zugelassen werden und Dienstwagen nach meist kurzer Haltedauer über den Gebrauchtmarkt an Privatleute gelangen, prägen sie auch den privaten Fahrzeugbestand – und damit, so die Autor:innen, zum Beispiel auch „die Geschwindigkeit des Markthochlaufs der Elektromobilität“.

Lukas Minnich, Experte für nachhaltige Unternehmensmobilität am Öko-Institut, sagt dazu: „Für Unternehmen ist es Zeit, Dienstwagen und weitere Fahrzeuge in der Flotte möglichst vollständig elektrisch zu betreiben und die entsprechende Ladeinfrastruktur aufzubauen.“ Dabei helfe es, wenn klare Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens in einer „Mobility Policy“ festgelegt würden.

Klimafreundlich Pendeln: Telekom als Beispiel

Ein Beispiel für eine solche Strategie liefert die Deutsche Telekom. Seit Anfang Januar können die Dienstwagen-berechtigten Mitarbeiter:innen dort nur noch ein reines E-Auto bestellen. Die Entscheidung dazu hatte der Vorstand getroffen. Man müsse „umparken im Kopf“, sagte Olga Nevska, Chefin von „Telekom MobilitySolutions“ und damit der zweitgrößten Unternehmensflotte in Deutschland mit 23 000 Fahrzeugen. Nevska berichtet über positive Reaktionen: „Es hat noch keiner unserer neuen E-Fahrer den alten Diesel zurückgefordert“, sagte sie in einem Interview mit der „Automobilwoche“.

Zu den Handlungsempfehlungen gehört zum Beispiel eine „Car Policy“, in der Unternehmen regeln, wie Dienstwagen vergeben und möglichst nachhaltig genutzt werden sollen. Für den Unternehmensfuhrpark, aber auch für die privaten Fahrzeuge der Beschäftigten wird zudem empfohlen, eigene Ladepunkte für die „Stromer“ am Unternehmensstandort, aber teilweise auch am Wohnort der Dienstwagen-Nutzer:innen zu installieren.

Doch es geht den Expert:innen von Agora und Öko-Institut nicht nur um einen Wechsel vom Benziner oder Diesel zum E-Antrieb. Um eine nachhaltige Mobilität ihrer Beschäftigten zu erreichen, sollten Unternehmen Daten zu den Pendlerwegen und dem sonstigen Mobilitätsbedarf erheben, ambitionierte Ziele und konkrete Schritte definieren – und dann auch regelmäßig über Fortschritte berichten. „Dies sollte ab einer bestimmten Flottengröße oder einem bestimmten mobilitätsbedingten CO2-Ausstoß verbindlich sein“, fordern sie.

Klimafreundlich Pendeln: Steuersystem reformieren

Nachahmenswert sei die von verschiedenen Unternehmen bereits erprobte Einführung eines „Mobilitätsbudgets“ statt Dienstwagen, das Beschäftigte frei für verschiedene Verkehrsmittel verwenden können, also auch Carsharing, Bahn, ÖPNV oder Fahrrad. Ein Hemmschuh sei hier, dass Dienstwagen etwa gegenüber Sharing-Diensten und der Bahn steuerlich begünstigt werden. „Um das Mobilitätsbudget attraktiver zu machen, sollten die steuerlichen Regelungen zur Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel vereinheitlicht und vereinfacht werden“, so das Forschungsteam.

Agora-Referentin Esther Rublack sieht Unternehmen und Politik in der Pflicht umzusteuern: „Unternehmen können Verantwortung übernehmen, indem sie nachhaltige Mobilität fördern und gute Voraussetzungen zum mobilen Arbeiten schaffen.“ Die Politik müsse aber dafür sorgen, dass der Wandel zur zukunftsfähigen und klimafreundlichen Unternehmensmobilität verbindlich wird und wirtschaftlich profitabel ist. Dazu gehöre, klimaschädliche Steuern und Subventionen abzubauen und die realen Kosten der Mobilität angemessen zu bepreisen.

Konkret forderte Rublack eine Reform des Systems der Fahrzeugbesteuerung, damit sich die Vorteile der E-Mobilität künftig auch in der Kostenrechnung der Unternehmen widerspiegelten. So solle die Kfz-Steuer nach Auslaufen der Kaufprämie für E-Autos hin zu einer Bonus-Malus-Regelung umgebaut werden, die Verbrenner mit einem hohem Spritverbrauch beim Kauf stärker besteuert. „So können im Gegenzug effiziente elektrische Fahrzeuge noch einige Zeit gefördert werden“, so die Expertin.

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