Militäroffensive der Türkei: Deutsche Waffenexporte auf höchstem Stand seit 14 Jahren

Für den Stopp deutscher Rüstungsexporte in die Türkei hat Staatschef Erdogan nur Spott übrig.
- Die Türkei startet eine Militäroffensive in Nordsyrien
- Syrische Regierungstruppen beziehen Stellung
- Deutscher Tornado-Einsatz geht weiter
- Kurden sprechen von „schmerzhaftem“ Kompromiss
- Donald Trump verhängt Sanktionen
- Recep Tayyip Erdogan fürchtet Sanktionen nicht
- EU einigt sich nicht auf Waffenembargo
Lesen Sie hier alles weitere zum türkischen Einmarsch in Syrien
Update, 17.10.2019, 08:30 Uhr: Die Türkei hat in den ersten acht Monaten dieses Jahres Kriegswaffen für 250,4 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Das ist bereits jetzt der höchste Jahreswert seit 2005, obwohl noch vier Monate fehlen. Die neuen Exportzahlen gehen aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der stellvertretenden Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Bereits im vergangenen Jahr machten die Lieferungen an die Türkei mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. Damit war die Türkei klar die Nummer eins unter den Empfängerländern deutscher Rüstungsgüter. Das könnte trotz eines teilweisen Rüstungsexportstopps wegen der Syrien-Offensive auch in diesem Jahr wieder der Fall sein.
Erdogan zeigt sich nach Einschränkung deutscher Rüstungsexporte wenig beeindruckt
14:25 Uhr: Recep Tayyip Erdogan zeigt sich von der Einschränkung deutscher Rüstungsexporte in die Türkei aufgrund der Militäroffensive in Syrien wenig beeindruckt. Der türkische Präsident griff den deutschen Außenminister Heiko Maas sogar persönlich an. „Da kommt der deutsche Außenminister - ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt - und sagt: „Wir werden der Türkei keine Waffen verkaufen.““
Mit ironischem Unterton kommentierte Erdogan: „Wir sind am Ende.“ Nicht die Türkei, sondern Deutschland werde verlieren. Maas habe außerdem keine Ahnung von Politik - er sei ein „Dilettant“. „Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen“, sagte Erdogan an Maas gewandt.
Deutschland hatte als bisher einzige Sanktion seine Rüstungsexporte an die Türkei teilweise gestoppt. Rüstungsgüter, die nicht in dem Konflikt genutzt werden können, dürfen aber weiterhin exportiert werden.
Militäroffensive der Türkei in Syrien: Jeden Tag Tote und Verletzte
12.00 Uhr: Immer mehr Zivilisten geraten im Nordosten Syriens zwischen die Fronten: Jeden Tag gebe es Verletzte und Tote, teilte das UN-Menschenrechtskommissariat in Genf mit. Sie würden aus der Luft wie am Boden beschossen.
Besonders kritisch ist die Lage der Kinder: Laut Schätzungen von Unicef mussten fast 70.000 innerhalb weniger Tage fliehen. Mindestens vier Kinder wurden auf der syrischen Seite der Grenze getötet, sieben auf türkischem Gebiet, wie Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore sagte. Beim bislang schlimmsten Angriff im Kampfgebiet, einem türkischen Luftschlag auf eine Fahrzeugkolonne am Sonntag, seien zwei Journalisten und weitere Zivilisten getötet sowie mehrere verletzt worden, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville.

Laut Colville erhielt das Hochkommissariat auch Berichte und Aufnahmen von Erschießungen, durch mutmaßlich Kämpfer, die mit den Türken paktieren. Das Hochkommissariat forderte Ankara auf, sich an einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle zu beteiligen. In der Türkei seien laut den dortigen Behörden in den vergangenen Tagen 18 Menschen durch Artillerie- und Infanteriebeschuss über die Grenze hinweg getötet worden.
Unicef-Chefin Fore forderte, die Konfliktparteien und diejenigen, die Einfluss auf sie hätten, müssten Kinder jederzeit schützen. Auch die zivile Infrastruktur – ohnehin fragil nach acht Jahren Bürgerkrieg – müsse von den Angriffen ausgespart bleiben. Bei den Kämpfen seien bislang drei Gesundheitseinrichtungen und Krankenwagen sowie eine Schule beschossen worden, so Fore. Zudem sei ein Wasserwerk außer Betrieb, das fast 400.000 Menschen in Al-Hassaka, die Hauptstadt der Dschasira-Region am Rande des Kampfgebietes, mit Wasser versorge.
Syrien: Erdogan und Putin treffen sich in Moskau
09.40 Uhr: Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sollen sich nach russischen Angaben in den kommenden Tagen zu Gesprächen über die türkische Offensive in Nordsyrien treffen. Darauf hätten sich die beiden Politiker in einem Telefonat verständigt, teilte Putins Büro am späten Dienstagabend mit. Putin habe Erdogan zu dem Treffen nach Moskau eingeladen. Dieser habe die Einladung angenommen. Die Initiative für das Telefonat sei von der türkischen Seite ausgegangen, erklärte Putins Büro.
Die beiden Staatschefs seien sich einig gewesen, dass Konfrontationen zwischen Einheiten der türkischen Armee und der syrischen Streitkräfte in Nordsyrien verhindert werden müssten. Putin habe zudem davor gewarnt, inhaftierte Dschihadisten könnten durch die türkische Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz freikommen.
07.35 Uhr: Wegen der türkischen Offensive in Nordsyrien haben mehrere europäische Länder ihre Waffenexporte an die Türkei auf Eis gelegt. Auch Deutschland und Frankreich setzten alle Waffenlieferungen aus, die Ankara für den Kampf gegen die kurdische YPG-Miliz verwenden könnte. Auf ein EU-weites Waffenembargo konnten sich die EU-Mitglieder dagegen nicht einigen. Der Effekt eines solchen Embargos wäre aber ohnehin begrenzt, da die Türkei nur einen geringen Teil ihrer Waffen aus Europa bezieht.
Die Türkei war lange einer der größten Waffenimporteure der Welt. In den vergangenen Jahren hat sie aber eine eigene Rüstungsindustrie aufgebaut, die zunehmend den Bedarf des Militärs deckt und auch für den Export produziert - mit den Emiraten, Pakistan und Oman 2018 als Hauptabnehmern. Bis 2023 will die Türkei unabhängig von Waffenimporten werden. Schon heute bezieht sie 70 Prozent der Rüstungsgüter aus eigener Fertigung.
Unter den hundert weltweit größten Rüstungsfirmen finden sich heute die türkischen Konzerne Aselsan und Turkish Aerospace Industries. Türkische Firmen produzieren bereits Kampfhelikopter, Kriegsschiffe und Artilleriegeschütze. Die Firma Baykar hat zudem Kampf- und Aufklärungsdrohnen entwickelt, die gegen die PKK im Irak, aber auch in der Türkei eingesetzt werden. Auch bei der aktuellen Offensive kommen sie zum Einsatz. Ebenfalls in Entwicklung in der Türkei sind moderne Kampfflugzeuge und Kampfpanzer. Ein Großteil der derzeit verwendeten Waffen stammt aber noch aus dem Ausland, weshalb die Türkei auf Importe von Ersatzteilen angewiesen bleibt.
Recep Tayyip Erdogan erteilt Waffenruhe eine Absage
Update, 16.10.2019, 06:30 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der US-Forderung nach einer Waffenruhe mit den Kurden in Nordsyrien eine Absage erteilt. Die Türkei könne keine Waffenruhe ausrufen, bevor die „Terrororganisation“ aus dem Grenzgebiet vertrieben sei, sagte Erdogan laut der türkischen Zeitung „Hürriyet“ am Dienstag bei einer Reise. Erdogan äußerte sich kurz vor einem Besuch von US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo in Ankara. „Sie drängen uns, die Operation zu stoppen“, sagte Erdogan laut „Hürriyet“ bei seinem Rückflug von einem Aserbaidschan-Besuch. Das sei aber nicht möglich, solange die Kurdenkämpfer noch in der Region seien. „Wir haben ein klares Ziel. Die Sanktionen bereiten uns keine Sorgen.“
23.00 Uhr: Deutschland hat seit dem Jahr 2000 Rüstungsgüter an die Türkei im Wert von 1,746 Milliarden Euro verkauft. Das berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochsausgaben) unter Berufung auf eine Auswertung der jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr betrug der Wert der Kriegswaffenausfuhren 243 Millionen Euro, in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits 184 Millionen Euro.
Update, 15.10.2019, 19:30 Uhr: Laut Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP haben Einheiten der kurdischen Volksverteidigung (YPG) einen Gegenangriff auf die türkische Armee unternommen. Dabei soll es den kurdischen Truppen gelungen sein, die vorrückenden Einheiten der Türkei und ihre verbündeteten syrischen Milizen in der Grenzstadt Ras al-Ain zurückzudrängen. Zuvor hatte Ankara die Einnahme der Stadt vermeldet.
Berichtet wird von heftigen Kämpfen. Die humanitäre Hilfe in der Region kam nach Angaben der kurdischen Selbstverwaltung komplett zum Erliegen.
Auch im Umfeld von Manbidsch gab es in der Nacht zu Dienstag Kämpfe zwischen Einheiten des prokurdischen Militärrats der Stadt und protürkischen Milizen. Damaskus hatte zuvor nach einer Vereinbarung mit der kurdischen Selbstverwaltung Truppen nach Manbidsch geschickt, um sie gegen die Türkei zu verteidigen. Zwei türkische Soldaten wurden in der Region um Manbidsch durch Granaten getötet, sieben weitere wurden verletzt, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte.
Erdogan ist sicher: Keine Flucht der IS-Kämpfer infolge der Offensive in Syrien
Update, 15.10.2019, 12:09 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat beteuert, dass durch die türkische Offensive in Nordsyrien keineswegs gefangene Kämpfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die Flucht ergreifen könnten. „Wir werden sicherstellen, das kein Kämpfer des IS den Nordosten Syriens verlassen kann“, versicherte Erdogan in einem Beitrag, der im "Wall Street Journal" veröffentlicht wurde.
Die internationale Staatengemeinschaft und viele Organisationen befüchten, dass die türkische Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz den Kampf gegen die IS-Miliz schwächt und den tausenden IS-Kämpfern und ihren Angehörigen in kurdischer Haft die Möglichkeit zur Flucht gibt.

Die kurdische Selbstverwaltung berichtete am Sonntag, dass hunderte Angehörige von IS-Kämpfern aus einem Lager bei Ain Issa geflohen seien. Die türkische Regierung tat dies ab und sprach von einer „Desinformationskampagne“. Ankara wirft der YPG vor, IS-Kämpfer freizulassen, um Chaos zu verbreiten.
Militäroffensive in Syrien: USA verhängen Sanktionen gegen Türkei
Update, 15.10.2019, 06.35 Uhr: Die USA haben wegen der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien Sanktionen gegen die Regierung in Ankara verhängt. Das US-Finanzministerium setzte am Montag den türkischen Verteidigungsminister, den Energieminister, ihre beiden Ministerien als Ganzes sowie den Innenminister auf eine schwarze Liste. US-Präsident Donald Trump kündigte zudem die Beendigung von Handelsgesprächen mit Ankara und Strafzölle auf Stahl aus der Türkei an. Trump drohte erneut, er sei bereit, „die Wirtschaft der Türkei umgehend zu zerstören, wenn die türkische Führung ihren gefährlichen und zerstörerischen Weg fortsetzt“.
Der US-Präsident hatte Ankara wiederholt mit harten Reaktionen wegen der Offensive in Nordsyrien gedroht. Allerdings hatte er selbst mit dem Abzug von US-Soldaten aus der Region den Weg für das militärische Vorgehen gegen die Kurdenmiliz YPG freigemacht. US-Finanzminister Steven Mnuchin gab nun Sanktionen gegen den türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar, gegen Innenminister Süleyman Soylu und gegen Energieminister Fatih Dönmez bekannt. Damit wird mögliches US-Vermögen der Minister eingefroren, außerdem werden Finanztransaktionen mit ihnen untersagt.
Donald Trump verteidigt seine Linie im Konflikt in Syrien
Die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, kritisierte die Sanktionen als nicht ausreichend, um die „humanitäre Katastrophe“ zu stoppen, die Trump mit seiner „unberechenbaren“ Politik hervorgerufen habe.
Trump verteidigte seine Linie aber in einem sarkastischen Tweet: Jeder könne Syrien dabei helfen, die Kurden zu schützen - „Russland, China oder Napoleon Bonaparte“. Er wünsche ihnen gutes Gelingen. „Wir sind 7000 Meilen weit weg!“
13.50 Uhr:
Die Kurdenmilizen in Nordsyrien haben die Vereinbarung mit der Regierung in Damaskus über die Verlegung syrischer Truppen an die türkische Grenze als „schmerzhaften Kompromiss“ bezeichnet. „Wir stehen den türkischen Messern jetzt mit nackter Brust entgegen“, schrieb der Kommandant der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, in einem Beitrag für das US-Magazin „Foreign Policy“. Die Zusammenarbeit mit der Regierung von Präsident Baschar al-Assad und dessen Verbündetem Russland habe notgedrungen stattgefunden.
13.40 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien begrüßt. „Dies ist ein positives Vorgehen“, sagte Erdogan am Montag mit Blick auf die Ankündigung von US-Verteidigungsminister Mark Esper, bis zu tausend Soldaten aus Nordsyrien abzuziehen. Berichte über eine Einigung der kurdischen Autonomieverwaltung mit der Regierung in Damaskus über die Entsendung von Truppen bezeichnete er als „Gerücht“. „Es gibt derzeit viele Gerüchte“, sagte Erdogan. Zugleich begrüßte er die Haltung Russlands zur geplanten türkischen Offensive auf die Grenzstadt Kobane. „Mit dem positiven Vorgehen Russlands wird es in in Kobane keine Probleme geben“, sagte Erdogan. Den Nato-Partnern warf er vor, die Türkei nicht ausreichend zu unterstützten. „Ist dies so, weil die Türkei das einzige Land in der Nato ist, dessen Einwohner Muslime sind?“, fragte er.
12.00 Uhr: Der Einsatz deutscher Tornado-Aufklärer über Syrien geht nach dem Beginn der türkischen Militärintervention weiter. Die deutschen Jets seien auch vorher schon deutlich von den nun umkämpften Gebieten in Nordsyrien entfernt geflogen, hieß es am Montag aus dem Verteidigungsministerium. Die Luftwaffe liefert aus Syrien Aufklärungsergebnisse für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
10.25 Uhr: Syrische Regierungstruppen haben in Kurdengebieten nahe der Grenze zur Türkei Stellung bezogen, um sich der laufenden türkischen Militäroffensive entgegenzustellen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Montag, die Soldaten seien in dem Gebiet zwischen den syrischen Städten Al-Hassaka und Ras al-Ain eingerückt. Sie befinden sich damit in der sogenannten Sicherheitszone, die die Türkei im Norden Syriens errichten will. Die syrische staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, dass Regierungstruppen ebenfalls in der Stadt Tall Tamar nordwestlich von Al-Hassaka angekommen seien. Fernsehberichten zufolge warfen Menschen ihnen Blumen zu und sangen «Tod für Erdogan». Auf den von Sana verbreiten Bildern schwenkten Menschen bei Autokorsos in der Stadt die syrische Fahne.
09.00 Uhr: Angesichts der türkischen Militäroffensive gegen Kurden in Syrien hat der Beirat der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) den Ausschluss der Türkei aus der Nato gefordert. Hannovers früherer Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg sagte als Sprecher des KGD-Beirats am Montag: „Diese Türkei hat in der Nato nichts zu suchen. Ein Mitglied der Nato, das einen Angriffskrieg führt, gehört ausgeschlossen.“
Update, 14.10.2019, 08.35 Uhr: Wenige Tage nach Beginn der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien droht eine weitere Zuspitzung der Lage in dem Grenzgebiet. Die Regierung in Damaskus schickt nun eigene Truppen in die Region. Die syrische Armee werde im Norden der „türkischen Aggression auf syrischem Boden entgegentreten“, berichtete die Staatsagentur Sana am Sonntag, ohne Details zu nennen. Die EU-Außenminister wollen am Montag in Luxemburg über mögliche Sanktionen wegen des Einmarschs türkischer Truppen beraten.
Merkel verlangt Stopp der türkischen Militäroffensive
Update, 13.10.2019, 15.35 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangt einen sofortigen Stopp der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien. In einem Telefonat mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan habe sie sich für „eine umgehende Beendigung der Militäroperation“ ausgesprochen, teilte Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer mit. Die Bundesregierung will außerdem keine Rüstungsexporte an die Türkei mehr genehmigen.
Das Telefonat von Merkel und Erdogan kam laut Demmer auf Wunsch der türkischen Seite zustande. Die Miltäroffensive in Nordsyrien habe „im Mittelpunkt“ der Unterhaltung gestanden. „Ungeachtet berechtigter türkischer Sicherheitsinteressen“ drohe das Vorgehen „zur Vertreibung größerer Teile der lokalen Bevölkerung, zur Destabilisierung der Region und zur Wiedererstarkung des IS zu führen“, sagte Merkel demnach.
Syrische Kurden melden Flucht von Hunderten IS-Familien aus Lager
Update, 13.10.2019, 14.00 Uhr: Fast 800 Angehörige von Kämpfern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sind nach jüngsten Angaben der kurdischen Behörden aus einem Lager in Nordsyrien geflohen. 785 Frauen und Kinder seien aus der Einrichtung in Ain Issa entkommen, teilte die Verwaltung der halbautonomen Kurdenregion mit. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte verließen die Wachen das Lager, nachdem es in der Nähe Gefechte der türkischen Armee mit kurdischen Kämpfern gegeben hatte.
Laut der Beobachtungsstelle fliehen die Insassen des Lagers nun „nach und nach“. Seit Beginn der türkischen Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) besteht international die Sorge, dass die tausenden inhaftierten IS-Kämpfer und ihre Angehörigen die Chance nutzen, um aus kurdischer Haft zu fliehen. In den kurdischen Gefängnissen in Nordsyrien sind rund 12.000 IS-Kämpfer inhaftiert, darunter bis zu 3000 Ausländer.
Zudem leben in dem Internierungslager al-Hol sowie weiteren Camps in der Region rund 12.000 ausländische Frauen und Kinder. Viele von ihnen waren im März bei der Eroberung der letzten IS-Bastion Baghus im Osten Syriens durch die YPG-Miliz in Gefangenschaft geraten. Die syrische Kurdenmiliz ist ein wichtiger Verbündeter des Westens im Kampf gegen die Dschihadisten, gilt Ankara aber wegen ihrer engen Verbindungen zu kurdischen Rebellen in der Türkei als Bedrohung.
Donald Trump fordert Kurden-Milizen zum Rückzug auf
Update, 13.10.2019, 11.30 Uhr: Die USA haben ihre Sanktionsdrohungen gegen die Türkei nach deren Einmarsch in Syrien bekräftigt und vor der Flucht gefangen genommener IS-Kämpfer gewarnt. „Ich habe der Türkei klargemacht, dass wir sehr schnelle, starke und harte Wirtschaftssanktionen verhängen, wenn sie ihre Verpflichtungen nicht einhalten“, sagte Donald Trump in Washington. Zu diesen Verpflichtungen gehöre der „Schutz religiöser Minderheiten und auch die Überwachung von IS-Häftlingen, die wir gefangen haben“. Den kurdischen Kämpfern riet er dazu, sich aus dem umkämpften Grenzgebiet zur Türkei zurückzuziehen.
Es sei sehr schwierig, eine Streitmacht zu schlagen, die - anders als die eigenen Einheiten - über eine Luftwaffe verfüge, sagte Trump. Deshalb hoffe er, dass sich die in Nordsyrien agierenden Kurdenmilizen von der Grenze zur Türkei entfernen. Zum Abzug der US-Truppen aus dem Konfliktgebiet sagte Trump: „Ich glaube nicht, dass unsere Soldaten für die nächsten 50 Jahre dort sein und die Grenze zwischen der Türkei und Syrien bewachen sollten, wenn wir unsere eigenen Grenzen zu Hause nicht bewachen können.“ Damit bezog sich der Republikaner auf die zahlreichen illegalen Grenzübertritte an der Südgrenze der Vereinigten Staaten zu Mexiko.
Update, 13.10.2019, 6.47 Uhr: Angesichts des Einmarschs der Türkei in Nordsyrien hat Bundesaußenminister Heiko Maas Einschränkungen für die Genehmigung von Rüstungsexporten an den Nato-Partner angekündigt. „Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordost-Syrien wird die Bundesregierung keine neuen Genehmigungen für alle Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, erteilen“, sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“. Laut Maas habe die Bundesregierung bereits seit 2016 eine sehr restriktive Linie für Rüstungsexporte nach Ankara umgesetzt, so die Zeitung.
Führende Politiker von Grünen und Linken hatten am Donnerstag einen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei gefordert. Nach der Ankündigung von Maas erklärte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Samstag: „Der Rüstungsexportstopp der Bundesregierung ist dabei ein lange überfälliger erster Schritt. Er sollte allerdings nicht nur für zukünftige Exporte sondern auch schon genehmigte gelten.“
Tausende Kurden demonstrieren gegen türkische Offensive in Syrien
Die Rüstungsexporte in die Türkei sind nach früheren türkischen Offensiven in Syrien nicht ganz eingestellt worden. Bei den Exportgenehmigungen der Bundesregierung hat sich im ersten Halbjahr nach zwei Jahren Rückgang sogar wieder eine Trendwende abgezeichnet. Bis zum 5. Juni gab die Bundesregierung grünes Licht für Rüstungslieferungen im Wert von 23,3 Millionen Euro. Das ist bereits fast doppelt so viel wie im ganzen Jahr 2018 mit 12,9 Millionen Euro.
Am Samstag gingen in deutschen Städten Tausende Kurden aus Protest gegen die türkische Offensive auf die Straße. Die Türkei hatte am Mittwoch eine lang geplante Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz begonnen, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die Offensive stößt international auf scharfe Kritik.
Türkei bestreitet Beschuss von US-Truppen in Nordsyrien
Update, 12.10.2019, 17.25 Uhr: Fast 4000 Kurden haben am Samstag in der Frankfurter Innenstadt gegen die türkische Militäroffensive in Nordsyrien demonstriert. Laut Polizei kam es zu Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt. Eingreifen mussten die Ordnungshüter allerdings kaum: Die Demonstration sei friedlich verlaufen.
Update, 12.10.2019, 11.35 Uhr: Vier Tage nach dem Beginn ihrer Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG ist die türkische Armee in die Grenzstadt Ras al-Ain in Nordsyrien eingedrungen. Die Stadt sei unter Kontrolle der türkischen Truppen, teilte das Verteidigungsministerium in Ankara am Samstag mit. Kurdische Kämpfer wiesen dies umgehend zurück. Ein AFP-Korrespondent und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichteten, dass die türkische Armee zwar in Ras al-Ain einmarschiert sei. Die Gefechte dauerten demnach aber an.

Unterdessen hat die Türkei einen Beschuss von US-Truppen in Nordsyrien bestritten. „Es wurden keinerlei Schüsse auf den US-Beobachtungsposten abgegeben“, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar der Nachrichtenagentur Anadolu. Die türkische Armee habe am Freitag Stellungen der Kurdenmiliz YPG angegriffen. Diese befanden sich laut Akar einen Kilometer von dem US-Militärposten entfernt.
US-Soldaten von türkischer Artillerie beschossen
Update, 12.10.2019, 06.25 Uhr: Im Streit über den Einmarsch der Türkei in Syrien werfen die USA ihrem Nato-Partner den Beschuss amerikanischer Truppen vor. Die Einheiten seien nahe der syrischen Grenzstadt Kobane unter Artilleriebeschuss geraten, teilte das US-Verteidigungsministerium mit.
Zwar sei der Vorfall nahe des Grenzorts Kobane glimpflich ausgegangen. Gleichwohl schickte das Pentagon eine neuerliche Warnung an die Adresse Ankaras. Zuvor hatte die Türkei angekündigt, die Militäroffensive gegen die Kurdenmilizen in Nordsyrien trotz Sanktionsdrohungen der USA unbeirrt fortzusetzen.
Nach dem Artilleriebeschuss sei es „wenige hundert Meter“ entfernt von den US-Truppen zu einer Explosion gekommen, teilte das Pentagon mit. Demnach wurden keine Soldaten getötet oder verletzt. Der Vorfall habe sich aber in einer Gegend ereignet, „von der die Türken wissen, dass dort US-Streitkräfte präsent sind“. Der US-Sender ABC News meldete kurz darauf, die Spezialeinheiten seien nach dem Vorfall von ihrem Posten abgezogen worden.
Die Türkei habe jegliche Handlungen zu vermeiden, „die eine sofortige Verteidigungsreaktion nach sich ziehen könnten“, warnte das Pentagon. Stunden zuvor hatte bereits US-Armeechef Mark Milley gesagt, dem türkischen Militär seien die Positionen der amerikanischen Truppen in der Region mitgeteilt worden. „Und jeder ist sich voll bewusst, dass wir uns als US-Militär das Recht auf Selbstverteidigung vorbehalten.“
Das türkische Verteidigungsministerium wies den Vorwurf zurück, dass auf Truppen der Amerikaner oder des Militärbündnisses gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geschossen worden sei. Vielmehr seien türkische Grenzposten von Hügeln aus unter Beschuss genommen worden, die etwa einen Kilometer von einem US-Beobachtungsposten entfernt lägen. „Als Akt der Selbstverteidigung“ sei das Gegenfeuer eröffnet worden auf die Stellungen der „Terroristen“ - womit die türkische Regierung in der Regel kurdische Milizen meint. Dabei seien aber „alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen“ und keine US-Kräfte beschossen worden. Nach Rückmeldungen seitens der USA sei das Feuer schließlich „vorsichtshalber“ eingestellt worden.
Offensive in Nordsyrien: Wütende Türken verlangen Solidarität von der Nato
Update, 11.10.2019, 22.20 Uhr: Wie die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mitteilten, sind nach einem türkischen Angriff fünf Kämpfer des IS aus einem Gefängnis ausgebrochen. Sie seien in der Stadt Kamischli inhaftiert gewesen. Zudem kam es in dem Flüchtlingslager Al-Hol im Nordosten Syriens, in dem zahlreiche IS-Angehörige leben, nach Angaben der SDF zu einem Aufruhr. In dem Lager leben nach UN-Angaben fast 70.000 Menschen.
Derweil steigen die Opferzahlen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind seit Beginn der türkischen Offensive insgesamt 17 Zivilisten ums Leben gekommen. Allein am Freitag habe es sieben zivile Opfer gegeben. Die türkische Armee und mit ihr verbündete syrische Rebellen nahmen demnach mehrere Dörfer ein.
Update, 11.10.2019, 21.12 Uhr: Die USA bereiten wegen des türkischen Einmarschs in Nordsyrien harte Sanktionen gegen die Türkei vor. Finanzminister Steven Mnuchin sagte, diese Sanktionen würden noch nicht in Kraft treten. US-Präsident Donald Trump werde aber eine Verfügung unterzeichnen, die den Finanzminister in Absprache mit dem Präsidenten und dem Außenminister ermächtige, Sanktionen gegen „jede Person mit Verbindungen zur türkischen Regierung“ zu verhängen. „Das sind sehr harte Sanktionen. Ich hoffe, dass wir sie nicht einsetzen müssen“, sagte Mnuchin. Er fügte hinzu: „Wenn wir müssen, können wir die türkische Wirtschaft stilllegen.“
Mnuchin sagte, Finanzanstalten seien vorgewarnt worden, dass Sanktionen verhängt werden könnten. Trump sei „besorgt“ über die andauernde Militäroffensive in Nordsyrien und über potenzielle Angriffe auf zivile Ziele durch die Türkei. Es sei außerdem „zwingend“, dass die Türkei nicht erlaube, dass auch nur ein einziger Gefangener der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in dem türkischen Einmarschgebiet entkomme.
Syrien-Offensive: Türkei wütend wegen Kritik
Update, 11.10.2019, 18.52 Uhr: Die türkische Regierung ist wütend wegen der scharfen internationalen Kritik an ihrer Offensive. Die Türkei verlangt daher von der Nato ein „klares und deutliches“ Bekenntnis der Solidarität. In einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, es reiche nicht, dass die Nato-Partner sagten, „wir verstehen die legitimen Sorgen der Türkei. Wir wollen diese Solidarität klar und deutlich sehen“, sagte Cavusoglu. Stoltenberg sagte, er habe seine „ernsten Bedenken hinsichtlich einer Destabilisierung der Region“ geteilt und habe die Regierung gebeten, „zurückhalten zu agieren“. Er betonte, die Türkei sei ein wichtiger Nato-Partner. Die Nato sei der Sicherheit der Türkei verpflichtet.
Cavusoglu verteidigte die Offensive. Er argumentierte, wenn schon jeder einsehe, dass die Sorgen der Türkei „legitim“ seien, dann müsse auch der Kampf gegen den Verursacher der Sorgen legitim sein. „Ihr habt diese Terrororganisation mit Waffen ausgestattet und sie ausgebildet. Das ist nicht mein Problem. Das ist in Wahrheit deine Doppelmoral“, fügte er hinzu. Damit bezog sich Cavusoglu auf die Zusammenarbeit des Natopartners USA mit den YPG-Milizen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Türkei hat regelmäßig scharf kritisiert, dass die Kurdenmilizen von den USA Waffen und Training bekamen.
Unterdessen spricht sich Schweden für ein EU-weites Waffenembargo gegen die Türkei aus. Beim für die kommende Woche geplanten Treffen der EU-Außenminister werde Schweden um Unterstützung dafür werben, sagte die schwedische Außenministerin Ann Linde dem öffentlich-rechtlichen Sender Sveriges Radio. Bei einer Verschlechterung der Lage werde Schweden auch vorschlagen, dass die EU „restriktive Maßnahmen“ prüfe, so Linde. Dies sei aber nicht für die Sitzung am Montag geplant. Diese Maßnahmen könnten laut Linde etwa „Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen gegen Einzelpersonen“ umfassen. In diesem und dem vergangenen Jahr habe Schweden keine Ausfuhrgenehmigungen für militärische Kampfmittel in die Türkei erteilt, erklärte Linde.
Seit Beginn der türkischen Offensive sind bereits rund 100.000 Menschen vertrieben worden. Das teilten die Vereinten Nationen am Freitag - dem dritten Tag der Offensive - mit.
Syrien: Innerhalb von 48 Stunden mehr als 70.000 Menschen vertrieben
Update, 11.10.20169, 12.25 Uhr: Seit Beginn der türkischen Offensive in Nordostsyrien sind nach Angaben humanitärer UN-Organisationen innerhalb von 48 Stunden mehr als 70.000 Menschen vertrieben worden. Die meisten Menschen seien aus den Regionen Ras al-Ain und Tall Abjad geflüchtet, berichtete das UN-Welternährungsprogramm (WFP) in Genf. Das UN-Menschenrechtsbüro verwies auf „verstörende Berichte“ von Bodenangriffen türkischer Truppen oder von Gruppen, die dem türkischen Militär nahestünden.
Es seien unter anderem die Wasserversorgung, Dämme, Kraftwerke und Ölfelder getroffen worden, sagte ein Sprecher. Nach einem türkischen Luftangriff sei nach Berichten die Wasserversorgung in der Region Aluk zusammengebrochen. In Al-Rakka hätten die lokalen Behörden vier Zentren für Vertriebene eingerichtet, berichtete das WFP.
„Die Militäroperationen in Nordostsyrien dürften die bereits sehr angespannte humanitäre Situation noch verschärfen“, warnte Najat Rochdi, im Büro des UN-Syrien-Beauftragten zuständig für humanitäre Fragen. Alle appellierten an die Akteure vor Ort und Regierungen, die Einfluss auf sie haben, Zivilisten zu schützen.
Einen ähnliche Appell veröffentlichte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Sie rief in einer Stellungnahme alle Kriegsparteien dazu auf, den Schutz von Zivilisten, Gesundheitspersonal und Patienten zu gewährleisten. Die Eskalation der Gewalt könne das Trauma, dass die syrische Bevölkerung in Jahren des Krieges schon erlitten habe, nur verschlimmern.
MSF berichtete, dass das von ihnen unterstützte Krankenhaus in der syrischen Grenzstadt Tall Abjad geschlossen worden sei, weil der größte Teil der Angestellten mit ihren Familien die Stadt verlassen habe. Tall Abjad nahe der türkischen Grenzstadt Akcakale ist ein Hauptfokus der türkischen Offensive. „Als das einzige öffentliche Krankenhaus in der Gegend war das Tall-Abjad-Krankenhaus sehr wichtig für die Gesundheitsversorgung der Stadt und des Umlands“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Syrien: Donald Trump will vermitteln
Unterdessen sieht sich Donald Trump im Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden in Nordsyrien als Vermittler. Ein Vertreter des US-Außenministeriums sagte gestern, Trump habe den Diplomaten den Auftrag gegeben, die Möglichkeit eines Waffenstillstands auszuloten. Zuvor hatte Trump auf Twitter geschrieben, die USA könnten einen „Deal“ zwischen der Türkei und den Kurden vermitteln. Zugleich drohte er der Türkei erneut mit Sanktionen oder harten Strafmaßnahmen gegen die türkische Wirtschaft, sollte der Militäreinsatz nicht „human“ verlaufen. Eine genaue rote Linie zog Trump aber nicht. Ein US-Regierungsvertreter sagte nun, die rote Linie würde beispielsweise durch "ethnische Säuberungen" oder einen wahllosen Beschuss der Zivilbevölkerung durch Artillerie oder die Luftwaffe überschritten. Dies sei bislang nicht beobachtet worden.
Update, 10.10.2019, 21:01 Uhr: Die türkische Militäroffensive gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien hat am Abend mehrere Tausend Demonstranten in Deutschland auf die Straße getrieben. Schwerpunkt dabei war Nordrhein-Westfalen. In Münster berichtete ein Polizeisprecher von rund 1000 Demonstranten, in Köln waren es laut einem Sprecher mehrere Hundert, in Duisburg knapp 500, in Siegen 250. Im gesamten Bundesland seien für den Abend Versammlungen mit bis zu 3000 erwarteten Teilnehmern angemeldet worden, teilte das NRW-Innenministerium mit. Bis zum Abend blieben alle Kundgebungen weitgehend friedlich, wie Polizeisprecher vor Ort sagten.
Die Polizei schließe nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres auch Angriffe auf türkische Einrichtungen nicht aus. Staatsschutz und Verfassungsschutz führten daher verstärkt Aufklärungsmaßnahmen durch, teilte das Innenministerium mit.
Auch in Magdeburg demonstrierten laut einem Polizeisprecher rund 500 Menschen gegen die Militäraktion. In Hamburg waren es rund 450 Menschen. In Berlin sprach die Polizei von einer „unteren vierstelligen Zahl“.
Syrien-Offensive: Erdogan droht EU mit Millionen von Flüchtlingen
Update, 10.10.2019, 16:04 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat damit gedroht, die Grenzen zur EU für syrische Flüchtlinge zu öffnen, wenn die Europäer die türkische Militäroffensive in Nordsyrien weiter kritisieren. “Wenn ihr unsere Operation als Invasion darzustellen versucht, ist unsere Aufgabe einfach: Wir werden die Türen öffnen und 3,6 Millionen Menschen werden zu euch kommen“, sagte Erdogan am Donnerstag. International hielt die Kritik an dem türkischen Vorgehen dennoch an.
In einer Rede in Ankara warf Erdogan den Europäern vor, ihre Versprechen aus dem Flüchtlingsdeal von 2016 nicht gehalten zu haben. Darin hatten die EU sechs Milliarden Euro zur Versorgung der 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei zugesagt. Zugleich bekräftigte Erdogan seine Absicht, einen Teil dieser Flüchtlinge in einer „Sicherheitszone“ in den Kurdengebieten in Nordsyrien entlang der türkischen Grenze ansiedeln zu wollen.

Die Türkei werde „mit internationaler Finanzierung“ dort Siedlungen für eine Million Menschen bauen und sicherstellen, dass alle Flüchtlinge zurückkehren könnten, versprach Erdogan. Die Türkei werde „sehr rasch von Manbidsch bis an die irakische Grenze“ für „Ruhe und Sicherheit“ sorgen.
Auf syrischer Seite flohen seit Beginn der türkischen Offensive zehntausende Menschen vor den Kämpfen. Mehr als 60.000 Menschen hätten bereits die Flucht ergriffen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die meisten stammten demnach aus Ras al-Ain, Tal Abjad und Derbasije. Das International Rescue Comittee hat gewarnt, eine großangelegte Offensive könnte 300.000 Menschen in die Flucht treiben.
Syrien: Trump bringt Dschihadisten außer Landes
Update, 10.10.2019, 15:49 Uhr: Die USA haben unterdessen zwei von syrischen Kurden inhaftierte Kämpfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) außer Landes gebracht. „Für den Fall, dass die Kurden oder die Türkei die Kontrolle verlieren, haben die USA bereits zwei IS-Kämpfer, die im Zusammenhang mit Enthauptungen stehen, außer Landes und an einen sicheren, von den USA kontrollierten Ort gebracht“, schrieb Trump im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Wohin genau die Dschihadisten gebracht wurden, wurde nicht bekannt. Ein US-Regierungsvertreter sagte, sie befänden sich „gemäß dem Kriegsrecht in militärischem Gewahrsam“. US-Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Männern um zwei berüchtigte britische IS-Kämpfer. Sie gehörten zu einer vierköpfigen Gruppe, die im einst vom IS kontrollierten Gebiet Ausländer entführt, gefoltert und getötet haben soll, darunter den US-Journalisten James Foley. Von den vier Angehörigen der als „Beatles“ bezeichneten Gruppe wurde einer bei einem Drohnenangriff getötet, ein weiterer ist in der Türkei inhaftiert.
Kurdische Einheiten hatten bei ihrem Kampf gegen den IS rund 10.000 Dschihadisten gefasst. Bei rund 2000 von ihnen handelt es sich um Ausländer. Nun besteht die Sorge, dass IS-Kämpfer wegen der türkischen Militäroffensive gegen die YPG entkommen könnten.
Trump kritisierte erneut, dass sich europäische Staaten wie Deutschland und Frankreich geweigert hätten, eigene Staatsbürger zurückzunehmen, die als IS-Kämpfer in Syrien gefangen sind. Er deutete an, dass diese Kämpfer nach Europa fliehen würden, falls sie freikommen sollten. Um die Bedrohung für die USA herunterzuspielen, sagte Trump: „Sie werden nach Europa fliehen. Dort wollen sie hin.“
Syrien-Einsatz: Roth stellt Nato-Mitgliedschaft der Türkei infrage
Update, 10.10.2019, 15:42 Uhr: Der Iran hat einen sofortigen Rückzug der türkischen Truppen aus Nordsyrien gefordert. „Diese Operationen sind eine akute Gefahr für die dortige Zivilbevölkerung, und wir fordern daher umgehend einen Abbruch der Angriffe sowie den sofortigen Rückzug der türkischen Truppen aus Syrien“, so das iranische Außenministerium. Teheran könne die Sorgen der Türkei bezüglich der Sicherheit ihrer südlichen Grenzen verstehen. Eine Militäroffensive in Nordsyrien sei jedoch die falsche Option für die Lösung der Sicherheitsprobleme, so das Außenministerium auf seinem Webportal.
Update, 10.10.2019, 15:39 Uhr: Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hat die Nato angesichts der türkischen Militäroffensive indirekt aufgefordert, die Mitgliedschaft der Türkei in dem Bündnis infrage zu stellen. „Wenn die Nato wieder nicht reagiert, wenn die Nato wieder laut schweigt, wenn die Nato nicht die Mitgliedschaft (der Türkei) infrage stellt, dann muss sie aufhören, von Wertebündnis (zu) reden“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande des eintägigen Kongresses Bodensee Business Forum der „Schwäbischen Zeitung“ in Friedrichshafen.
Roth warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, einen „völkerrechtswidrigen Krieg“ zu führen. Sie sprach im Zusammenhang mit Erdogan von „Demokratiefeinden und Rechtsstaatsverächtern“.
Update, 10.10.2019, 15:34 Uhr: Der türkische Angriff stößt international auf scharfe Kritik. Regierungen und Institutionen fordern den sofortigen Stopp. Am Donnerstag wollte sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit dem Vorgehen der Türkei beschäftigen. Deutschland habe im Auftrag der fünf EU-Mitgliedsländer des Rates - neben Deutschland sind das Polen, Belgien, Frankreich und Großbritannien - beantragt, dass das Thema in einer Sitzung angesprochen werde, hieß es aus Diplomatenkreisen.
Syrien: Türkische Kritiker werden mundtot gemacht
Innerhalb der Türkei haben es Kritiker deutlich schwerer: Die türkische Justiz hat Ermittlungen gegen dutzende Kritiker des Militäreinsatzes eingeleitet. Die regierungskritische Zeitung „Birgün“ teilte am Donnerstag mit, dass der Verantwortliche ihrer Website, Hakan Demir, am Morgen festgenommen worden sei. Die Polizei hatte zuvor mitgeteilt, sie habe wegen des Verdachts der „Terrorpropaganda“ in den sozialen Medien Ermittlungen gegen 78 Internetnutzer eingeleitet.
„Birgün“ war zuvor im Internet scharf kritisiert worden für einen Artikel, in dem die Zeitung über zivile Opfer der Offensive geschrieben hatte. Die türkische Armee betont, alle Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen und ausschließlich gegen die „Terroristen“ YPG vorzugehen. Auch bei früheren türkischen Interventionen in Syrien wurden in der Türkei hunderte Kritiker des Einsatzes festgenommen.
Update, 10.10.2019, 15:19 Uhr: Das türkische Militär hat bei seinem Einsatz gegen kurdische Milizen in Nordsyrien laut Präsident Recep Tayyip Erdogan bisher 109 „Terroristen“ getötet. Mit „Terroristen“ sind die Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz gemeint, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die türkische Regierung will dort eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und auch syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei leben.
Syrien: Einnahme von Städten gelingt Türkei nicht
Auch Verletzte habe es gegeben, sagte Erdogan. Manche Kämpfer der Gegenseite hätten sich ergeben. „Mit Beteiligung aller Kräfte wird unsere Operation in den Regionen Tall Abjad und Ras al-Ain fortgesetzt“, kündigte er an. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge hatten „die türkischen Truppen und ihre Alliierten“ es über Nacht nicht geschafft, eine der Städte nahe der Grenze zur Türkei einzunehmen. Kurz nach Mittag (Ortszeit) konnten sie sich den Beobachtern zufolge aber in einem Dorf nahe der Stadt Tall Abjad festsetzen.
Die von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) meldeten am frühen Morgen, dass sie einen Angriff „türkischer Truppen und ihrer Alliierter“ auf die Stadt Ain Issa zurückgeschlagen hätten. Die liegt rund 35 Kilometer von Tall Abjad entfernt. Die SDF gab an, es habe unter den Gegnern Opfer gegeben. Ain Issa stehe weiter unter Beschuss.
Update, 10.10.2019, 7:01 Uhr: Kurdische Einheiten haben bei ihrem Kampf gegen den IS bislang rund 10.000 Dschihadisten gefasst. Durch die türkische Militäroffensive besteht nun die Sorge, dass IS-Kämpfer in Nordsyrien entkommen könnten.
US-Präsident Donald Trump teilte mit, dass die USA einige der gefährlichsten IS-Kämpfer von den Kurden übernehmen und an sichere Orte bringen wollen.
Update, 10.10.2019, 6:48 Uhr: Die türkische Militäroffensive gegen die Kurden in Nordsyrien stößt international auf scharfe Kritik. Die EU forderte die Türkei zum Abbruch der Operation auf. US-Präsident Donald Trump teilte mit: „Die Vereinigten Staaten befürworten diesen Angriff nicht und haben der Türkei deutlich gemacht, dass diese Operation eine schlechte Idee ist.“
Trump droht Erdogan mit wirtschaftlichen Konsequenzen
Der US-Präsident drohte dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit ökonomischen Konsequenzen, sollte dieser in Syrien nicht „so human wie möglich“ vorgehen. Auf die Frage eines Reporters, ob er besorgt sei, dass Erdogan die Kurden „auslöschen“ könnte, antwortete Trump: „Wenn das passiert, werde ich seine Wirtschaft auslöschen.“
Update, 9.10.2019, 22.29 Uhr: Die Türkei hat nach Luftangriffen gegen kurdische Milizen in Nordsyrien nun auch eine Offensive mit Bodentruppen begonnen. Das bestätigte das türkische Verteidigungsministerium in Ankara am späten Mittwochabend über Twitter.
Update, 9.10.2019, 21.17 Uhr: In den ersten Stunden nach Beginn des türkischen Angriffs auf die Kurden im Norden Syriens sind nach Berichten von Aktivisten mindestens 15 Menschen getötet worden, darunter acht Zivilisten. Unter den zivilen Opfern seien auch zwei Kinder, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Bei den anderen Toten handele es sich um Kämpfer der von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Die Menschenrechtler berichteten zudem von mehr als 40 Verletzten, darunter 13 Zivilisten.
Die prokurdischen Medienaktivisten des Rojava Informationszentrums meldeten fünf getötete Zivilisten und beriefen sich dabei auf kurdische Sicherheitskräfte. Die Türkei hatte am Mittwoch mit einer Militäroperation gegen die syrische Kurdenmiliz YPG begonnen.
Trump kritisiert türkischen Einmarsch in Syrien
Update, 9.10.2019, 19.57 Uhr: US-Präsident Donald Trump hat den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien kritisiert. "Die Vereinigten Staaten befürworten diesen Angriff nicht und haben der Türkei deutlich gemacht, dass diese Operation eine schlechte Idee ist", hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung Trumps. Der Präsident verteidigte erneut seine Entscheidung, US-Truppen aus dem syrischen Grenzgebiet zur Türkei abgezogen zu haben. Er habe immer deutlich gemacht, "dass ich diese endlosen, sinnlosen Kriege nicht kämpfen will - besonders jene, die den Vereinigten Staaten nicht nützen".
Trump teilte weiter mit, die Regierung in Ankara habe zugesagt, Zivilisten und religiöse Minderheiten zu schützen und sicherzustellen, dass es nicht zu einer humanitären Krise kommt. Man erwarte von der Türkei, dass sie sich an diese Zusagen halte. Die Türkei sei nun außerdem verantwortlich dafür, dass die in Nordsyrien gefangen gehaltenen Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) weiter in Gefangenschaft blieben. Die Türkei müsste außerdem sicherstellen, dass sich der IS nicht neu bilde.
Update, 9.10.2019, 17.25 Uhr: Die Türkei begleitet den Beginn ihrer Offensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien mit martialischer Musik - aus großen Lautsprechern direkt an der Grenze. Der Sender Habertürk berichtet, im Grenzort Akcakale gegenüber der syrischen Stadt Tall Abjad würden Märsche aus ottomanischer Zeit in großer Lautstärke gespielt. Der Ort Tall Abjad, der rund sechs Kilometer von Akcakale entfernt ist, ist laut kurdischen und türkischen Quellen Ziel von türkischen Angriffen vom Boden aus und aus der Luft.
Update, 9.10.2019, 17.16 Uhr: Die türkische Regierung will die Bundesregierung und andere Staaten schon Stunden vor Beginn der Offensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien informiert haben. Deutschland, die USA, Russland, England, Frankreich und Italien sowie die Nato und das Generalsekretariat der Vereinten Nationen seien um 14 Uhr (Ortszeit) vorab in Kenntnis gesetzt worden, hieß es in einem Tweet des Verteidigungsministeriums. Um 16 Uhr begann die Offensive nach Angaben des Ministeriums. Kurze Zeit später berichteten türkische Medien über erste Luftangriffe auf syrische Grenzorte.
Syrien: Artillerie-Feuer auf „Terroristen-Posten“
Update, 9.10.2019, 17.06 Uhr: Der aktuelle Militäreinsatz in Nordsyrien ist nach Ansicht der Türkei mit internationalem Recht vereinbar. Die Operation sei im Einklang mit dem Völkerrecht, dem Artikel 51 der UN-Charta sowie mit UN-Resolutionen zum Kampf gegen den Terrorismus, schrieb der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu auf Twitter.
Der Artikel 51 der UN-Charta regelt das „naturgegebene“ Recht zur Selbstverteidigung, „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Darauf beriefen sich die USA zum Beispiel, als sie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Taliban und Al-Kaida in Afghanistan angriffen.
Update, 9.10.2019, 17.00 Uhr: Der türkische Staatssender TRT berichtete, Artilleriefeuer aus der türkischen Grenzstadt Akcakale sei auf „Terroristen-Posten“ auf der anderen Seite der Grenze gerichtet. Laut TRT stiegen die türkischen Kampfjets auch von der großen Luftwaffenbasis Incirlik in Adana auf. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von einer Fluchtwelle aus Ras al-Ain und dem Umland.
Syrien: Maas verurteilt Offensive „aufs Schärfste“
Update, 9.10.2019, 16.57 Uhr: Bundesaußenminister Heiko Maas hat die türkische Offensive im Nordosten Syriens „auf das Schärfste“ verurteilt. „Die Türkei nimmt damit in Kauf, die Region weiter zu destabilisieren und riskiert ein Wiedererstarken des IS“, sagte Maas. Es drohe nun eine weitere humanitäre Katastrophe sowie eine neue Fluchtbewegung. „Wir rufen die Türkei dazu auf, ihre Offensive zu beenden und ihre Sicherheitsinteressen auf friedlichem Weg zu verfolgen.“
Update, 9.10.2019, 16.29 Uhr: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Türkei aufgefordert, den Militäreinsatz gegen kurdische Milizen in Nordsyrien zu stoppen. „Ich fordere die Türkei und andere Akteure auf, mit Zurückhaltung zu handeln und den bereits gestarteten Einsatz zu stoppen“, sagte der Luxemburger im Brüsseler EU-Parlament. Sollten die Pläne der Türkei die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ beinhalten, werde die EU sich daran finanziell nicht beteiligen. Juncker droht damit indirekt auch mit einem Stopp der EU-Zahlungen, die die Türkei derzeit für aufgenommene syrische Flüchtlinge erhält. „Diese militärischen Aktionen werden nicht zu einem guten Ergebnis führen“, sagte er vor dem EU-Parlament.
Update, 9.10.2019, 16.24 Uhr: An der neuen Offensive der Türkei gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien sollen auch tausende syrische Milizionäre teilnehmen. Ein Sprecher der Brigade Anwar al-Hak sagte, an der ersten Phase der Offensive sollten sich 18.000 Kämpfer beteiligen. Tausende Kämpfer der Syrischen Nationalarmee warteten in der türkischen Grenzstadt Akcakale in einem früheren Flüchtlingslager auf ihren Einsatz.
Syrien: 8000 Kämpfer greifen Tal Abjad an
Wie der Sprecher Abdelrahman Ghasi Dadeh vor Reportern sagte, würden 8000 Kämpfer die gegenüber von Akcakale gelegene syrische Grenzstadt Tal Abjad angreifen, während 10.000 weitere die weiter östlich gelegene Stadt Ras al-Ain attackieren würde. Eine nicht genannte Zahl von Kämpfern sollte demnach für einen späteren Angriff auf die Stadt Kobane mobilisiert werden. Alle drei Städte werden bisher von der YPG-Miliz kontrolliert.
Update, 9.10.2019, 16.10 Uhr: Die türkische Luftwaffe hat Luftschläge in syrischen Grenzorten durchgeführt. Türkische Kampfjets beschossen die Grenzstadt Ras al-Ain, wie die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana und der türkische Sender CNN Türk übereinstimmend berichten.
Der Sprecher der von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, schrieb auf Twitter: „Türkische Kampfflugzeuge haben damit begonnen, Luftangriffe auf zivile Gebiete durchzuführen. Die Menschen in der Region sind in großer Panik.“
Die Medienaktivisten des Informationszentrums Rojava meldeten, auch die Grenzstadt Tal Abjad werde beschossen. Einwohner sagten der Deutschen Presse-Agentur, die Stadt sei fast menschenleer, weil die meisten Zivilisten sie verlassen hätten. Dafür seien viele Kämpfer dort. Die Gesundheitsbehörden bereiteten die Krankenhäuser vor. Auf manchen Dächern seien Scharfschützen zu sehen.
Syrien: US-Republikaner Graham warnt die Türkei
Update, 9.10.2019, 16.10 Uhr: Vor wenigen Stunden erst hatte sich Donald Trumps Parteifreund Lindsey Graham über Twitter an die türkische Regierung gewandt. Dort schrieb der Republikaner: „Ihr habt kein grünes Licht, in Nordsyrien einzufallen.“ Es gebe eine massive, von beiden Parteien getragene Opposition dagegen. Und weiter: „Das solltet ihr als rote Linie, die ihr nicht überqueren solltet, sehen.“ Eine Warnung, die in der Türkei offensichtlich verpufft ist.
Update, 9.10.2019, 15.51 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bestätigt den Beginn einer türkischen Militäroffensive per Twitter. „Unsere Streitkräfte haben zusammen mit der syrischen nationalen Armee im Norden Syriens die Operation Quelle des Friedens gegen die Terrororganisationen PKK/YPG und DEAS begonnen“, schrieb er.
Ziel der Operation ist die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und begreift die Angehörigen der Miliz als Terroristen. Erdogan schreibt: „Unser Ziel ist, den Terrorkorridor, den man an unserer südlichen Grenze aufbauen will, zu zerstören und Frieden und Ruhe in die Region zu bringen.“
Update, 9.10.2019, 15.47 Uhr: Die syrische Nachrichtenagentur Sana zitiert einen Korrespondenten mit den Worten, dass die „türkische Aggression“ im Grenzort Ras Al-Ain begonnen habe. Ras al-Ain liegt gegenüber dem türkischen Ort Ceylanpinar in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa. In Sanliurfa befindet sich die Kommandozentrale für die lange geplante Offensive.
Die syrischen Kurden hatten zuvor eine Generalmobilmachung ihrer Truppen verkündet. Angesichts der zunehmenden Drohungen der Türkei und ihrer syrischen „Söldner“ seien alle aufgerufen, sich an die Grenze zu begeben, um in diesen „kritischen historischen Momenten“ Widerstand zu leisten, hieß es in einer Erklärung. Kurden weltweit wurden aufgefordert, gegen die Offensive zu demonstrieren.
Syrien: Widerstreitende Signale aus den USA
Der Einmarsch folgte auf widerstreitende Signale aus den USA. Die hatten am Montag im Morgengrauen ihre Truppen aus der Grenzregion abgezogen. In einer überraschenden Erklärung aus dem Weißen Haus signalisierten sie, dass sie sich einer Offensive nicht mehr in den Weg stellen wollten. Nach scharfen Protesten auch aus den eigenen Reihen vollzog US-Präsident Donald Trump jedoch teilweise eine Kehrtwende und drohte der Türkei, dass jede „ungezwungene oder unnötige“ Kampfhandlung für ihre Wirtschaft und Währung „verheerend“ werde.
Update, 9.10.2019, 15.30 Uhr: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Beginn eines neuen Militäreinsatzes gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien verkündet. Die „Operation Friedensquelle“ gegen die YPG und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) habe begonnen, schrieb Erdogan auf Twitter. Sie solle den „Terrorkorridor“ an der türkischen Grenze beseitigen und Frieden und Ruhe schaffen.
Vor türkischer Offensive in Nordsyrien: USA räumen Grenzgebiet
Erstmeldung, 7.10.2019: Angesichts einer bevorstehenden Offensive der türkischen Armee haben die US-Truppen in Nordsyrien mit ihrem Rückzug von der türkischen Grenze begonnen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und des von den Kurden geführten Bündnisses Syrische Demokratische Kräfte (SDF) zog sich das US-Militär von Schlüsselpositionen in Ras al-Ain und Tal Abjad zurück.
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Das Bündnis der Demokratischen Kräfte warnte, eine türkische Offensive würde zu einem Wiederaufleben der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) führen. Das Ziel der türkischen Offensive wären die kurdischen YPG-Milizen östlich des Flusses Euphrat, die die Grenzregion kontrollieren. Die USA ließen damit zu, dass die Gegend zum Kriegsgebiet werde.
Türkischer Militäreinsatz schadet dem Kampf gegen IS
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag angekündigt, ein Militäreinsatz in Nordsyrien stehe kurz bevor. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu kündigte an, die Region "von Terroristen zu säubern". Die Türkei betrachtet die Syrischen Demokratischen Kräfte als Terrororganisation.
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Das SDF-Bündnis warnte, ein solcher Militäreinsatz würde den Kampf gegen den IS um Jahre zurückwerfen und könne überlebende IS-Anführer dazu motivieren, aus ihren Verstecken zurückzukehren. Das Bündnis warnte zudem vor den Auswirkungen einer Militäroffensive auf kurdische Gefängnisse und informelle Siedlungen für ehemalige IS-Kämpfer und deren Familien.
Türkei bekämpft kurdische Milizen immer wieder
Der türkische Außenminister Cavusoglu hob derweil im Kurzbotschaftendienst Twitter die "Entschlossenheit" seines Landes hervor, die Region von "Terroristen zu säubern". Seit Beginn des Syrien-Krieges habe die Türkei die "territoriale Integrität" Syriens unterstützt, betonte Cavusoglu. Dies werde seine Regierung weiterhin tun. "Wir werden dazu beitragen, Ruhe, Frieden und Stabilität in die Region zu bringen".
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Tagen wiederholt mit einer baldigen Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz im Norden Syriens östlich des Euphrat gedroht. Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) als Bedrohung, da sie eng mit den kurdischen PKK-Rebellen in der Türkei verbunden sind.
Die USA dagegen unterstützen die kurdischen Milizen mit Waffen und Spezialkräften im Kampf gegen die Dschihadisten. Die Türkei ist seit 2016 bereits zwei Mal gegen die YPG-Miliz in Nordsyrien vorgegangen.
(msb/tom/cs/dpa/afp)
Blick in die USA
Während die amerikanischen Streitkräfte das syrische Grenzgebiet räumen, tobt in den USA selbst der Kampf um die Amtsenthebung von Donald Trump. Das Weiße Haus verweigert dem Kongress jegliche Kooperation. Die US-Demokraten bezeichnen das als Rechtsbruch.