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„Morgen geht nicht die Welt unter“: CDU-Parteichef Merz bremst beim Klimaschutz

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Von: Jens Kiffmeier

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Mahnt die Ampel-Regierung beim Klimaschutz zu Besonnenheit: CDU-Parteichef Friedrich Merz.
Mahnt die Ampel-Regierung beim Klimaschutz zu Besonnenheit: CDU-Parteichef Friedrich Merz. (Archivfoto) © Kay Nietfeld/dpa

Überfordert die Politik die Bevölkerung beim Klimaschutz? Ja, sagt CDU-Parteichef Merz und mahnt weniger Tempo an. Vor allem von der FDP ist er enttäuscht.

Berlin – Heizungstausch, E-Autos fördern, Windkraft ausbauen: Angesichts der Klimaerwärmung drückt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aufs Tempo. Aus seiner Sicht duldet der Klimaschutz keinen Aufschub mehr. Für die schnelle Umsetzung seiner politischen Agenda nimmt der Grünen-Politiker sogar den Krach mit seinen Koalitionspartnern von SPD und FDP in Kauf. Doch für die Union ist das alles übertrieben. So hat Parteichef Friedrich Merz (CDU) jetzt Gründlichkeit vor Schnelligkeit angemahnt.

Kritik an Habecks Heizungsplänen: CDU-Parteichef Merz drückt beim Klimaschutz auf die Bremse

„Das Thema Klimaschutz rangiert schon seit langer Zeit in den Augen der Bevölkerung nicht da, wo es in der Politik gesehen wird“, sagte Merz der Wochenzeitung Zeit. Das häufige Argument, die Zeit laufe ab, in der Maßnahmen noch den nötigen Erfolg haben könnten, teile er ausdrücklich nicht. „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“, ergänzte er.

Damit reagierte der Unionsfraktionschef indirekt auch auf eine umstrittene Initiative von Habeck. Vor wenigen Tagen hatte der Bundeswirtschaftsminister unter anderem seine Heizungspläne durch das Kabinett gebracht. Das Gesetz sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Es dürften damit keine reinen Gas- oder Ölheizungen mehr neu installiert werden. Es soll aber Ausnahmen, Übergangsfristen und eine umfassende Förderung geben.

Klimaschutz: Grüne um Habeck treiben Klimaschutz voran – trotz Ampel-Zoff

Habeck betonte sein striktes Vorgehen damit, dass der Klimawandel rasant voranschreitet und entschiedene Gegenmaßnahmen bedarf. In den Monaten zuvor hatte der Minister zudem viele andere Maßnahmen zum Klimaschutz durchgesetzt. Sein im vergangenen Jahr verabschiedetes Osterpaket sieht zahlreiche Vorhaben zum Ausbau der erneuerbaren Energien vor. Zwar mussten die Grünen im Zuge des Ukraine-Krieges einige Zugeständnisse machen und unter anderem den Betrieb von Kohlekraftwerken verlängern. Doch an dem mittelfristigen Ziel, die Energieversorgung zu 80 Prozent bis zum Jahr 2045 auf erneuerbare Energien umzustellen, soll nicht gerüttelt werden. Dafür sollen nun auch die Planungsbeschlüsse beschleunigt werden.

In der Ampel-Koalition hatte man lange darum gerungen. Denn bei SPD und FDP gibt es durchaus Vorbehalte gegen das schnelle Tempo der Grünen. Nachdem es wochenlang Streit auf offener Bühne zwischen Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gegeben hatte, musste ein Koalitionsausschuss eine Einigung herbeiführen. Nach tagelangen Verhandlungen verständigte sich die Bundesregierung auf das „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“. Auch wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) anschließend öffentlich als großen Wurf verteidigte, so konnte es den Unfrieden nicht beseitigen. Die Grünen hatten sich mehr erhofft, die Liberalen kündigten umgehend Änderungen im parlamentarischen Beratungsprozess an.

Kritik von Friedrich Merz: FDP macht beim Klimaschutz alles mit – um dann zu pöbeln

Doch an dem Vorgehen der FDP entzündet sich nicht nur im Lager der Grünen Kritik. Auch Unionsfraktionschef Merz äußert jetzt Zweifel daran, ob die FDP überhaupt noch dem bürgerlichen Lager zuzurechnen sei. Dies sei „eine kühne These“, sagte er der Zeit. Die Partei mache in der Ampel-Regierung doch „mehr oder weniger alles mit, stimmt im Kabinett dem Heizungsgesetz zu und macht anschließend auf dem Parteitag Rabatz dagegen“. Die SPD werde indes „gelenkt von linken Ideologen aus dem akademischen Milieu, die im Grunde genommen die alte Klientel der SPD noch nie in ihrem Leben kennengelernt haben, geschweige denn, dass sie sie repräsentieren“.

Wegen Umfrage: Merz schlachtet Stimmung zum Klimaschutz aus

Die Aussagen von Merz zum Streit um den Klimaschutz dürften aber nicht zufällig geschehen. Bewusst scheint der CDU-Politiker die Stimmung in der Bevölkerung aufzugreifen. So ließ Ende März eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Spiegels aufhorchen. Demnach bewertete rund die Hälfte der Menschen im Land den Klimaschutz im Vergleich – etwa zu Wirtschaftsfragen – für sich persönlich als weniger relevant. Nur ein Drittel war der Ansicht, dass der Klimaschutz für sie im Vergleich zu anderen Politikfeldern eine große Relevanz hat.

Dass die CDU nun in Sachen Klimaschutz auf die Bremse tritt, könnte ihre eigenen Umfragewerte vielleicht durchaus verbessern. Zuletzt verzeichnete die Union hier eine deutliche Zunahme. Sowohl die Partei als auch Merz persönlich stiegen in der Gunst der Deutschen deutlich an. Erstmals überholte Merz dabei sogar Kanzler Olaf Scholz in der Sonntagsfrage – weshalb die ersten Unionspolitiker Merz schon zum Kanzlerkandidaten ausrufen wollten.

Trotz Streit um Klimaschutz: Merz hält sich Koalitionsoption mit Grünen offen

Doch zum Regieren bräuchte die Union einen Koalitionspartner. Interessanterweise kommen für Merz dabei sogar die Grünen in Betracht. Materiell würde man vor einem Bündnis mit den Grünen hart ringen müssen, räumte er ein. „Aber wenn ich beobachte, wie sich Robert Habeck und sein Ministerium immer mehr in eine Sackgasse hinein manövrieren, dann kann Hilfe von außen ja vielleicht auch nützlich und willkommen sein“, sagte er der Zeit. Wenn er die Stimmen aus der grünen Partei und Fraktion „heraus richtig deute, dann geht es dort jenseits von inhaltlichen Fragen auch um Dinge wie Verlässlichkeit und Anstand im Umgang miteinander“. (jkf)

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