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Maybrit Illner: CDU-Mann Amthor ist überfordert und Baerbock fasziniert

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Maybrit Illner
Moderatorin Maybrit Illner © ZDF

Nachdem letzte Woche die Jugend bei Maybrit Illner randurfte, machte aktuell die übliche Runde aus Parteivorsitzenden die Rolle rückwärts.

Es ist verständlich, dass einige Parteien diese Europwahl schnellstmöglich vergessen wollen – dass einige es aber schon nach zwei Wochen vollständig geschafft haben, das ist dann schon beeindruckend. Der CDU-Jungabgeordnete Philipp Amthor, der in den letzten Wochen viel zu oft unverdient von seiner Partei nach vorne ins Rampenlicht geschoben wurde – ob als Gallionsfigur oder als Blitzableiter, das ist nicht immer klar – faselte im Lauf der Sendung etwas von „guten Ergebnissen“ der GroKo, die nur „von den derzeitigen Umfragen nicht berücksichtigt“ werden. „Umfragen“? Hatte da jemand tatsächlich schon verdrängt, dass es gerade eine bedeutende nationale Wahl gab, die der großen Koalition katastrophale Noten gegeben hat?

Philipp Amthor gab eine erbärmliche Figur ab

Amthor gab eine erbärmliche Figur ab. Das war nicht nur seine Schuld – mehrere der Anwesende hatten ihn offensichtlich schon vorher auf dem Kieker – aber auch. In einer Runde, die direkt nach der erfrischenden Jugendsendung letzte Woche kam, wo 30jährige des gesamten politischen Spektrums Klartext redeten; in einer Runde, wo man plötzlich wieder Parteigrößen sah, die an jeder Sachfrage vorbeifabulieren konnten, solange sie nur ihre eigen Partei starkredeten; in dieser Runde bewies Philipp Amthor eindrücklich, dass Phrasendreschen keine Alterserscheinung ist. 

Als eine besonders leere Worthülsen-Litanei in der Platitüde endete: „Man muss schauen, was ist gut für dieses Land“, stöhnte der Floskel-Alarm von Journalist Hajo Schumacher mit einem lauten „Ooooch“ auf. „Sie klingen wie Wolfgang Bosbach, und das in ihrem Alter!“, schimpfte er. Und zu Amthors zurückgezogener Video-Antwort: „Sie gehorchen, Mutti! Sie sind doch der digitale Repräsentant dieser Partei!“ Amthor kriegte in dieser Sendung von allen Beteiligten immer wieder solche schallenden Ohrfeigen mit. Er konnte sich weder wehren noch schien er sie zu spüren oder zu verstehen.

Bei Maybrit Illner wurde das Thema verfehlt

Vielleicht war er in einer solchen Runde auch einfach überfordert: Mit Malu Dreyer, Annalena Baerbock und Markus Söder waren gleich drei Parteivorsitzende erschienen. Dazu mit Katharina Nocun und besagtem Hajo Schumacher zwei Klartextredner, die bei allem Geschachere die Bedürfnisse des Wählers nie aus den Augen verloren haben – hoffentlich sind solche Stimmen auch in Zukunft stärker vertreten, wenn die Jugendrunde letzte Woche schon leider nur eine Ausnahme zu bleiben scheint.

Das eigentliche Thema wurde denn auch – noch eine Rückkehr zur Tradition – ziemlich verfehlt. Über Neuwahlen wollte keiner recht reden, und selbst Illner selbst verließ bald die Sach-Ebene und beteiligte sich nur noch an der Machtanalyse: Keine Frage danach, welche Politik sinnvoll oder welche Aussage wahr wäre, stattdessen nur Insider-Fragen, wie man die Umfragewerte wieder hochschrauben möchte.

Untragbare Positionen von AKK

Und nachdem letzte Woche noch eine Jung-Unionlerin namens Diana Kinnert Hoffnungen für eine Zukunft dieser Partei aufkommen ließ, zeigten die Unionsparteien diese Woche wieder ihr altes, angestaubtes, aber ungebrochen arrogantes Gesicht: sozial rückschrittlich, selbstgerecht, ohne einen Hauch von Demut oder Lernwillen nach der Niederlage, stets nur auf die eigenen Machtposition bedacht. Helmut Kohls „Was schert mich der Pöbel“-Erbe ist offenbar auch nach 14 Jahren Merkel-Herrschaft noch gesund und munter in den Unionsparteien.

Als eine bittere Montage die untragbaren Positionen der CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer (darüber berichtet fr.de*) so zusammenfasste: „Gegen Homo-Ehe, gegen offene Grenzen, gegen freie Meinungsäußerung im Netz“, hatten weder Amthor noch Söder darauf irgendeine Antwort, außer dass AKK „gut für den Erfolg der CDU“ wäre. Später griff Nocum Amthor unter tosendem Applaus frontal an: „Ich fühle mich im Bundestag nicht richtig vertreten, von Ihnen fühle ich mich auch nicht vertreten. Ihre Meinung zum Schwangerschaftsabbruch... jungen Frauen zu verbieten, sich auch nur ordentlich zu informieren, das geht doch gar nicht.“ Auch darauf hatte der Jungpolitiker keinerlei Antwort, keine versöhnliche Geste, kein Bedauern, keinen Versuch, seine Position zu erklären oder als Volksvertreter eine Brücke zu bauen. Nur kalte Arroganz.

Populisten-Spagat von Markus Söder

Söder turnte währenddessen seinen üblichen Populisten-Spagat, der „Stabilität“ und „neuen Schwung“ im gleichen Satz versprechen kann. Der sich in Detailgefechte über das Abstimmungsverhalten der Grünen im Bayerischen Landtag zurückzog, bloß um der Frage auszuweichen, warum die Leute seiner Partei keine Umweltkompetenz zutrauen. Alles links von ihm wischte er mit der „Enteignungs“-Keule weg. Der SPD gab er großmütig Tips, wie man loyal zu einem Vorsitzenden steht (und das ohne jede Ironie nur ein Jahr nach der öffentlichen Implosion der CSU-Positionen und Personalien). Ja, er fühlte sich sogar als Wahlgewinner, weil seine Bayernpartei in ihrem einzigen Bundesland ein Prozent besser abschnitt als vor 5 Jahren, aber nur genausogut wie bei der (katastrophalen) letzten Bundestagswahl. Kein Wort über die Bürger, nichts von Inhalten, nichts von einer Vision für die Zukunft. Zynismus pur.

Die frischbackene SPD-Vorsitzende Malu* Dreyer legte den üblichen zerknirschten SPD-Tanz hin, der immer mit einer Aufzählung der erfolgreichen Sachpolitik der Sozialdemokraten beginnt und immer mit einer „Warum hat uns keiner lieb“-Klage endet. Als Strategie ist es derzeit nicht sehr erfolgreich, vielleicht wegen der zunehmenden Larmoyanz und Energielosigkeit. „Wir haben einen Vertrag, den wollen wir erfüllen“ ist einfach keine Regierungserklärung, die großen Elan verströmt. Da hilft auch die Versicherung, man hätte „echt gute Ideen“, nicht wirklich weiter. Als Nocun und Schumacher auch hier in die Offensive gingen und die „mangelnde innerparteiliche Demokratie“ anprangerten, die Impulse von jungen Mitgliedern und vor allem die Vorstöße von Juso-Chef Kühnert „von oben herab“ abgebügelt werden, da stimmt sie zumindest zu.

Grünen-Chefin Baerbock ging mit Groko hart ins Gericht

Aber die faszinierendste Figur gab sicherlich Grünen-Chefin Baerbock* ab. Sicher, sie ging mit der Umweltpolitik der GroKo zurecht hart ins Gericht: Wenn man erst eine jahrelange Kohlekommission einberuft, weil man sich untereinander nicht einigen kann, dann aber selbst deren gesellschaftlichen Kompromiss seit Januar in der Schublade schmoren lässt, ohne zu handeln, dann hat man sich den Zorn einer grünen Parteivorsitzenden wahrlich verdient. Und auch sie stellt Amthor bloß, als er die Umweltpolitik-Maßnahmen der Regierung loben will und auf die konkrete Nachfrage nur „Diskussionen“ um energiesparenden Häuserbau aufführen kann. Und dass man eine ökologische Steuerreform „andiskutieren“ und „substantiell drüber nachdenken“ könnte. „Und wo waren jetzt die Maßnahmen?“, fragte Baerbock beißend.

Das war nicht überraschend. Überraschend war Baerbocks völliges Desinteresse an Neuwahlen. Tatsächlich bedauerte sie das schlechte Abschneiden der GroKo-Parteien bei der Europawahl*: Sie lobt die großen Volksparteien für ihre tiefe Verankerung in der Gesellschaft („Die haben 400.000 Mitglieder, wir haben 80.000“) und sieht beim Blick ins europäische Ausland: „Wenn große Volksparteien wegbrechen, fällt etwas sehr Wichtiges weg.“ Diese Bescheidenheit steht der Wahlsiegerin gut, aber die Strategie dahinter ist nicht recht zu erkennen. Vielleicht war es keine Strategie, sondern einfach die genuine Sorge einer leidenschaftlichen Europäerin. „Europa schaut auf uns. Es wäre fatal, wenn wir als Opposition jetzt auch noch in diese Kerbe schlagen.“

Da ist sie dann plötzlich wieder auf der gleichen Linie wie Söder und sein Lob der Stabilität: „Die Performance ist nicht gut, aber die Ergebnisse sind nicht so schlecht. Andere Regierungen in Europa wären froh, wenn sie eine so starke Regierung hätten. Manchmal dürfte man auch ein bisschen dankbarer sein, dass es uns so schlecht nicht geht.“ Damit ist dann wohl auch die Antwort auf die ungestellte Frage zum Thema der Sendung gegeben: Wenn es nach den Parteivorsitzenden geht, wird uns diese große Koalition noch ein bisschen erhalten bleiben. Auch wenn, wie Söder sagt, „wir jetzt alle ein wenig unter Bewährung“ stehen.

*fr.de ist Teil der Ippen-Digital-Zentralredaktion.

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