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Annalena Baerbock sieht in Mali „ähnliche Muster wie in der Ukraine“

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Annalena Baerbock trifft in Bamako im Präsidentenpalast den Offizier und Präsidenten der Republik Mali, Assimi Goïta (r). Foto: Florian Gaertner/Auswärtiges Amt/Photothek/Pool/dpa
Annalena Baerbock trifft in Bamako im Präsidentenpalast den Offizier und Präsidenten der Republik Mali, Assimi Goïta (r). © dpa

Annalena Baerbock zeigt sich bei ihrem Besuch in Mali offen dafür, dass sich Deutschland trotz Gegenargumenten weiter an der UN-Mission Minusma beteiligt.

Bamako – Die Außenministerin, Annalena Baerbock, zeigt sich bei ihrem Besuch offen dafür, dass sich Deutschland weiter an der UN-Mission Minusma in Mali beteiligt. Doch es spricht einiges für den Abzug der Truppen. Zumindest bei der Präsentation ist die Truppe kaum noch zu schlagen. Nachdem die Airbus-Maschine der Bundeswehr vom Flughafen der malischen Hauptstadt Bamako abgehoben hat, nehmen fünf mit automatischen Gewehren bewaffnete Soldaten auf der erhöhten Ladeluke der Maschine Positionen wie zu einer Opernaufführung ein – zu ihren Füßen kauert die rund 50-köpfige Delegation, die die Außenministerin auf ihrem Besuch in die westafrikanische Kriegsregion begleitet.

Wer jetzt eine Arie erwartet, wird allerdings enttäuscht: Stattdessen setzt die Maschine rumpelnd auf dem Flugplatz des Militärstützpunkts in Gao auf, ab jetzt wird das Libretto von der harschen Wirklichkeit diktiert. Und der schier unerträglichen Hitze. Das Thermometer zeigt 39 Grad an, vergangene Woche soll es bereits auf 51 Grad geklettert sein, sagt ein Hauptmann zur Begrüßung im Camp Castor.

Annalena Baerbock in Mali: Ende Mai steht die Entscheidung an

„Falls wir unter Beschuss geraten sollten: Auf den Boden werfen, an die Schutzwälle ankuscheln und verharren“, rät der Hauptmann beim Sicherheits-Briefing. Islamistische Extremisten haben das Feldlager in Gao wiederholt unter Beschuss genommen – im vergangenen Juni wurden bei einem Hinterhalt auf ihre Patrouille zwölf Bundeswehrsoldat:innen verletzt. Minusma ist die gefährlichste Mission der Vereinten Nationen: 169 Blauhelme kamen in der neunjährigen Geschichte des UN-Einsatzes bereits ums Leben.

Mit der Gefahr hat es allerdings nichts zu tun, dass die Tätigkeit des deutschen Kontingents derzeit stark eingeschränkt ist. Vielmehr hat Malis Militärregierung den deutschen Aufklärern herbe Auflagen erteilt: Wollen sie ihre „Heron“ genannten Drohnen aufsteigen lassen, müssen sie mindestens drei Tage im Voraus um Erlaubnis fragen. In manchen Regionen des Landes – wo die Söldner der russischen Wagner-Truppe vermutet werden – ist deren Einsatz sogar ganz untersagt. Was, um Gottes Willen, tut die Truppe unter diesen Voraussetzungen hier überhaupt noch?

Gemeinsames Hissen der Flaggen Malis und Russlands
Gemeinsames Flaggenhissen: Die militärischen Verbindungen von Mali und Russland sind eng. (Archivfoto) © Nicolas Remene/Le Pictorium/Imago

Die Frage hat Annalena Baerbock trotz des Ukraine-Kriegs in die Sahelzone getrieben: Ende Mai steht die Entscheidung des Bundestages über die Verlängerung des hiesigen Bundeswehr-Einsatzes an – und nicht nur die Gefahr oder die Hitze sprechen dafür, die Truppe abzuziehen.

Annalena Baerbock in Mali – Wer schützt in Zukunft die Minusma-Truppen?

Das Problem sind die anderen: die Franzosen, das malische Militär – oder die Russen. Im vergangenen Jahr kündigte Frankreich an, seine Barkhane-Mission zumindest zu reduzieren – woraufhin Malis Militärregierung auf ein Angebot Moskaus zurückkam, die Söldner der Wagner-Truppe gegen Bezahlung ins Land zu lassen. Sie hatten angeboten, mit den zahlreichen extremistischen Gruppen kurzen Prozess zu machen, die den Staat schon seit über einem Jahrzehnt in die Knie zwingen. Zum Leidwesen der an Minusma beteiligten westlichen Staaten sollen bereits rund 1000 russische Söldner im Land sein.

Unter solchen Bedingungen legte sich das Ende einer zweiten Mission unter deutscher Beteiligung nahe: Die Ausbildung malischer Soldaten im Rahmen der Europäischen Trainingsmission (EUTM). Ihr versetzt Baerbock bei ihrem Besuch den Todesstoß: Allein die Anwesenheit der Wagner-Truppe schließe die Fortsetzung dieser Mission aus, an der rund 100 Bundeswehrsoldaten beteiligt sind.

Annalena Baerbock sieht in Mali „ähnliche Muster wie in der Ukraine“

Weiße Kämpfer, die eine unverständliche Sprache sprechen, sollen bereits an zwei Massakern im Zentrum des Landes beteiligt gewesen sein, bei denen im März Hunderte von Menschen ums Leben kamen, darunter zahllose Zivilist:innen, auch Frauen und Kinder. Einige von ihnen sollen gefesselt und angezündet worden sein: „Wir sehen hier ähnliche Muster wie in der Ukraine“, sagt Baerbock. Minusma wollte die Vorwürfe untersuchen – der Bataillonschef der deutschen Bodenaufklärer, Oberstleutnant Alfred Hugger, hatte bereits ein Team zusammengestellt. Doch die Militärchefs in Bamako erteilen der Mission eine Absage.

Seitdem fragt sich der oberschwäbische Oberstleutnant noch eindringlicher, ob die Mission noch Sinn ergebe: „Wenn man alle Streben herausnimmt, wird das Gebäude irgendwann zusammenbrechen.“ Sobald die Franzosen vollends abgezogen sind, wird auch die Frage akut, wer die Minusma-Truppen im Konfliktfall mit Kampfhubschraubern unterstützt – und wer den Flughafen in Gao führt. Falls es die malische Zivilbehörde wäre, wäre der militärische Flugverkehr kompromittiert. Im Falle des Militärs wäre es möglich, „dass wir bald auch noch ein wenig Russisch lernen müssen“.

Annalena Baerbock in Mali: „Verantwortung für Sicherheit der malischen Bevölkerung“

Baerbock räumt ein, dass noch einige Fragen geklärt werden müssten, bevor die deutsche Beteiligung an der internationalen Mission verlängert werden kann. Dass die grüne Außenpolitikerin das will, steht außer Frage. „Als Teil der internationalen Gemeinschaft haben wir eine Verantwortung dafür, dass für die Sicherheit der malischen Bevölkerung gesorgt wird.“

Auf jeder ihrer Etappen legt Baerbock Wert darauf zu zeigen, wem das deutsche militärische Engagement eigentlich gilt. Der malischen Zivilbevölkerung, die derzeit in zahlreichen Krisen steckt: Der Klimakrise, die das Land immer heißer werden lässt; der von Putins Krieg in der Ukraine ausgelösten Nahrungsmittelkrise, die den Preis für das Grundnahrungsmittel Hirse in den vergangenen Wochen verdoppelt hat, der von den Dschihadisten verursachten Sicherheitskrise, die jetzt noch von den russischen Söldnern verschärft wird.

Fast die Hälfte ihrer Zeit im Feldlager der Bundeswehr wendet Baerbock für eine Begegnung mit drei Frauen auf. Eine von ihnen erzählt, wie ihr Großvater von Dschihadisten heimgesucht und verprügelt worden sei: Die Extremisten hätten ihm den Oberschenkel gebrochen, berichtet sie aufgebracht.

Annalena Baerbock in Mali: Treffen mit Oberst Assimi Goïta

In dem Gespräch kommt eine kleine, aber nicht unerhebliche Differenz zum Vorschein. Während Baerbock wie die Regierungen von Malis Nachbarstaaten darauf drängen, dass sich Bamakos Militärs auf einen baldigen Wahltermin verpflichten, halten die Frauen wenig davon. In ihrer Heimat habe es schon genug Wahlen auf zweifelhafter Grundlage gegeben, sagen sie: Erst einmal müssten die Bedingungen für eine wirkliche demokratische Abstimmung geschaffen werden. Westafrikas Staatenverbund Ecowas verhängte im Januar scharfe Sanktionen, um Malis Militärherrscher zu einer Verpflichtung auf schnelle Wahlen zu zwingen: Die Zeche zahle die Bevölkerung, dieses „ungerechte Embargo“ müsse ein Ende haben.

Nach einem Termin mit dem „Übergangspräsidenten“ Oberst Assimi Goïta wiederholt Baerbock am nächsten Tag dennoch ihre Forderung, das Land mit baldigen Wahlen zu „stabilisieren“. Warum die grüne Außenministerin einem Putschistenführer überhaupt einen Besuch abstatte, war im Vorfeld der Unterredung gefragt worden. Deutschland hat in Mali einen ausgezeichneten Ruf, seit die Bundesregierung Malis Unabhängigkeit im Juni 1960 als erstes Land der Welt anerkannt hatte: Das damalige Telegramm aus Bonn wird in Bamakos Regierungspalast wie eine Reliquie aufbewahrt. „Deutschland hat hier ein Gewicht, das man nicht vergeuden darf“, sagt ein Begleiter der Ministerin: „Putin würde sich die Hände reiben.“

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