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Macrons Bußgang

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Von: Johannes Dieterich

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Emmanuel Macron nach einem Konzert in Kinshasa.
Emmanuel Macron nach einem Konzert in Kinshasa. © Ludovic Marin/afp

In Afrika bittet der französische Präsident um Entschuldigung für die kolonialen Sünden

Ursprünglich war sie als Bußgang geplant. Doch dann durfte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus seiner viertägigen Afrika-Reise doch auch noch einen politischen Nutzen ziehen. Am Wochenende in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) angekommen konnte Macron einen für Dienstag vereinbarten Waffenstillstand im Osten des Riesenreichs im Herzen Afrikas vermelden – sowie eine humanitäre Luftbrücke, die die Europäische Union zu diesem Anlass starten will. In den vergangenen Monaten wurde der Ostkongo einmal mehr zum Schauplatz eines verworrenen Stellvertreterkriegs, in den neben den kongolesischen Streitkräften und mehreren Rebellengruppen auch Soldaten aus den Nachbarländern, vor allem Ruandas, verwickelt sind. Hunderte von Kongoles:innen verloren ihr Leben, Hunderttausende ihr Zuhause, eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an.

Auf den ersten Blick hat Frankreich mit diesem Konflikt wenig zu tun: Dieser Teil des Kongos war nicht französische, sondern belgische Kolonie, und in die Ausbeutung kongolesischer Bodenschätze sind französische Firmen nur am Rand verwickelt. Trotzdem war Paris an der Erschütterung des Ostkongos sehr wohl mitbeteiligt: Indem französische Soldaten den ruandischen Völkermördern 1994 die Flucht in den Kongo ermöglichten. Inzwischen hat Frankreich die Seite gewechselt und arbeitet auf vielfache Weise mit Ruanda zusammen – zum Leidwesen des kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi, der sich um eine einheitliche Front gegen seinen ruandischen Kollegen und Erzfeind, Paul Kagame, bemüht.

Macron tat seinem Gastgeber nicht den Gefallen: Obwohl er seine Reise mit der Absicht angetreten hatte, neue Freunde und ein neues Ansehen zu finden. In Teilen des Kontinents ist es nämlich Mode geworden, der Ex-Kolonialmacht auch die Verantwortung für aktuelle Krisen zuzuschreiben – vor allem in der Sahelzone, wo ein Land nach dem anderen von islamistischen Extremisten aufgewühlt und von putschenden Offizieren angeblich gerettet wird. Als Sündenbock musste Frankreich bereits aus drei Sahel-Staaten – der Zentralafrikanischen Republik, Mali und Burkina Faso – seine Soldaten abziehen.

Paris scheint sich die Zurückweisung zu Herzen genommen zu haben: Macron ließ inzwischen neue Richtlinien der französischen Afrikapolitik ausarbeiten. Während seiner Reise versprach er den endgültigen Abschied seiner Regierung von der berüchtigten „Francafrique“, die sich an den Interessen Frankreichs statt am Wohl der afrikanischen Bevölkerung ausrichtete. Macron entschuldigte sich auf allen vier Stationen seiner Reise (Gabun, Kongo-Brazzaville, Angola und Kongo-Kinshasa) für die Sünden der kolonialen und postkolonialen Zeit: In Zukunft werde Frankreich „demütig“, „partnerschaftlich“ und „verantwortlich“ mit afrikanischen Ländern umgehen, versprach der Präsident.

Ist Macrons Reise ein PR-Trip oder ein wirklicher Neuanfang? Heuchelei ist Macron kaum vorzuwerfen: Er hat sich seit seinem Amtsbeginn schon 18 Mal nach Afrika begeben, wusste im Gegensatz zu seinen Vorgängern peinliche Ausrutscher zu vermeiden und unterstützte Initiativen wie die Rückgabe der gestohlenen afrikanischen Kunstgegenstände. Gewiss gibt es noch afrikanische Staaten, wo die Francafrique wie im Tschad noch fröhliche Urständ feiert. Und es gibt französische Konzerne wie Total, denen es statt um „Bescheidenheit“, „Partnerschaft“ und das Wohl der afrikanischen Bevölkerung nur um Profit geht. Doch so viel steht fest: Macrons Afrikawende ist ein Einschnitt, und zwar zum Besseren.

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