China: Macron und Xi warnen vor Eskalation im Ukraine-Krieg – von der Leyen fordert Gespräch mit Selenskyj
Macron und von der Leyen wollen Chinas Staatschef Xi Jinping im Ukraine-Krieg auf ihre Seite ziehen. Öffentlich aber betont Xi nur bekannte Positionen. Was er persönlich denkt, bleibt unbekannt.
Peking/München – Emmanuel Macron klopft Xi Jinping freundlich auf die Schulter, Ursula von der Leyen steht ein paar Zentimeter abseits. Das Foto vom Dreiergipfel in Peking könnte nicht deutlicher zeigen, wie die Rollen von Frankreichs Präsident und der EU-Kommissionschefin im Zusammenspiel mit Chinas Staatschef verteilt sind. Hier der auf Engagement setzende Macron, dort die China-skeptische Europäerin. Von der Leyen hatte kurz vor ihrer Reise zu einem „De-Risking“ im Umgang mit China aufgerufen. Macron dagegen warb um Xi als Vermittler im Ukraine-Krieg.
Kurz vor dem Treffen hatte der 45-Jährige auf Twitter betont, er sei „überzeugt, dass China eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Frieden zu spielen hat.“ Zu Beginn des Gipfels sagte Macron dann zu Xi. „Ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann, wenn es darum geht, Russland zur Vernunft zu bringen.“
Auf der Pressekonferenz nach ihrem bilateralen Treffen riefen Xi und Macron die internationale Gemeinschaft dazu auf, eine Eskalation des Ukraine-Konflikts zu verhindern. Doch inhaltlich gab es keine neuen Schwerpunkte. Xi Jinping zitierte wörtlich aus dem im Februar vorgelegten Zwölfpunktepapier seiner Regierung. Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen sollten vermieden werden, und es dürfe nicht zum Einsatz von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen kommen, betonte Xi. Auch Angriffe auf Atomkraftwerke müssten abgelehnt werden. Dass Xi bekräftigte, dass „legitime Sicherheitsinteressen aller Parteien“ berücksichtigt werden müssten, zeigt dass er sich zumindest öffentlich keinen Zentimeter von seiner „pro-russischen Neutralität“ wegbewegt. Er äußert weiter kein Wort der Kritik an der Invasion.

Chinas Staatschef: Seine persönliche Haltung zum Ukraine-Krieg ist unbekannt
Dass China öffentlich keine Zugeständnisse an das Ausland macht, ist allerdings nicht ungewöhnlich. Ob Xi Macron hinter verschlossenen Türen anderslautende Zusagen gemacht hat, oder im Hintergrund gar Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin ausübt, ist letztlich unbekannt. Nach Durchbruch aber klang es am Donnerstag nicht. Zumal aus dem Kreml prompt die Abfuhr kam: China verfüge zwar „zweifellos über ein sehr effektives und überragendes Vermittlungspotenzial“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Doch die Situation mit der Ukraine sei „komplex“. „Bislang gibt es keine Aussichten auf eine politische Lösung.“ Derzeit sieht Moskau dem Kreml-Sprecher zufolge „keine anderen Möglichkeiten als die Fortsetzung der Spezialoperation“.
Ursula von der Leyen betonte derweil, sie habe Xi zu einer Kontaktaufnahme mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufgerufen. Der chinesische Staatschef habe seine Bereitschaft bekräftigt, mit Selenskyj zu sprechen, wenn die Bedingungen reif seien, sagte sie auf ihrer Pressekonferenz. Auch betonte von der Leyen, sie setze darauf, dass China Russland keine militärische Ausrüstung zur Verfügung stelle, weder direkt noch indirekt. „Den Aggressor zu bewaffnen wäre gegen internationales Recht und es würde unsere Beziehungen erheblich schädigen.“ Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat habe China eine große Verantwortung.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter mahnte unterdessen mit Blick auf Chinas Friedensplan zu Vorsicht. Xi Jinping habe bisher jedes Gesprächsangebot aus der Ukraine abgelehnt, weil seine Regierung die Ukraine nicht als souveränen Staat betrachte, sagte Kiesewetter im Deutschlandfunk. „Sondern sie sehen die Ukraine als Teil Russlands, so wie sie selbst Taiwan als Teil der Volksrepublik China begreifen.“ Offen sagen Chinas Diplomaten das zwar so nicht. Dennoch gibt es aus Peking keinerlei Kritik an Russlands Invasion – sondern nur allgemeine Bekundungen zu Souveränitätsrechten und der Unverletzbarkeit von Grenzen. Wie Xi persönlich zur Ukraine steht, sagt er nicht.
China: Darum sind Macron und von der Leyen in Peking
Stattdessen gibt es viel Diplomatie. Xi sagte laut Staatsmedien, der gemeinsame Besuch von Macron und von der Leyen spiegele „den positiven Willen der europäischen Seite wider, Beziehungen zu China aufzubauen.“ Diese Beziehungen richteten sich nicht gegen Dritte und würden auch nicht von Dritten kontrolliert – womit er die USA gemeint haben dürfte. China sei bereit, das gegenseitige strategische Vertrauen mit der EU zu stärken.
Peking macht keinen Hehl daraus, dass es die EU gern aus der engen transatlantischen Partnerschaft mit den USA herauslösen möchte. Die chinesische Seite schätzt in diesem Umfeld die als konstruktiv wahrgenommene Haltung Frankreichs. Xi Jinping selbst umgarnte den französischen Präsidenten nach einem langen Händedruck mit lobenden Worten. Und er wird Macron am Freitag nach Guangzhou begleiten – ein sehr ungewöhnlicher Schritt, da Xi normalerweise keine ausländischen Staatsgäste außerhalb der Hauptstadt trifft. Ob diese Zuwendung ein Versuch ist, die Stimmung zu verbessern - oder um die EU zu spalten, ist unklar.
Von der Leyens Position ist jedenfalls näher an der China-kritischen Linie der USA als jene Macrons. In Washington stehen die Zeichen derzeit nicht gerade auf Kompromissen mit Peking. Doch Anfang der Woche hatten sich Macron und die EU-Kommissionschefin bei einem Mittagessen über ihr Vorgehen bei der China-Reise abgestimmt. Medienberichte sprachen daher von einem möglichen „Good-Cop-Bad-Cop“ Auftritt – mit Macron in der Rolle des freundlichen „Polizisten“.
Macron setzt auf Zusammenarbeit – von der Leyen und Baerbock werben für „De-Risking“.
Macron warb in Peking für mehr Austausch. Er hat eine große Delegation aus Wirtschaftsvertretern und Kulturschaffenden dabei. Auf seiner Agenda steht neben dem Ukraine-Krieg und den Wirtschaftsbeziehungen auch der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise. Airbus vereinbarte im Beisein von Macron und Xi den Aufbau einer zweiten Montagelinie für Flugzeuge der A320-Familie am Standort in Tianjin. Damit werde sich die Produktionskapazität für A320 auf chinesischem Boden verdoppeln, teilte Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury am Donnerstag mit. Es sei „vollkommen logisch“ für Airbus, die Produktion in China zu erhöhen, denn der Markt dort wachse, so Faury.
Ursula von der Leyen hingegen hatte in ihrer Grundsatzrede zur China-Politik der EU vergangene Woche zu einem „De-Risking“ aufgerufen. Es sei aber sehr wichtig gewesen, mit Xi zu besprechen, dass „wir denken, dass ein De-Risking wichtig ist, und nicht eine Entkoppelung“, sagte sie am Donnerstag in Peking. „De-Risking“ scheint neben „Diversifizierung“ das neue Wort der EU zu sein im Umgang mit China. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte am Mittwoch bei einem Nato-Treffen für „De-Risking“ geworben. Die Grünen-Politikerin wird Berichten zufolge kommende Woche für mehrere Tage nach Asien fliegen und dabei auch in Peking Station machen.