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Russlands Gleitbomben sind Gefahr für die Gegenoffensive der Ukraine

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Von: Nadja Austel

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Ein Mechaniker montiert bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA eine Gleitbombe GBU-48 unter die Tragflächen eines Eurofighters.
Mit Navi und Flügeln ausgestattet: Eine Gleitbombe GBU-48 der Bundesluftwaffe. (Symbolbild) © dpa/Wolfgang Kumm

Russland setzt bei Luftangriffen auf die Ukraine vermehrt Gleitbomben ein. Prorussische Kriegsbeobachter versprechen sich von denen viel im Ukraine-Krieg.

Kiew/Moskau – Während der Frühjahrsoffensive der russischen Streitkräfte im Osten der Ukraine spielen Luftangriffe eine Schlüsselrolle. Allein bei einem Großangriff auf die ukrainische Region Sumy Ende März hatte Russland auf eine Stadt elf Bomben aus der Luft abgeworfen. Dabei sind laut Bericht der Moscow Times sogenannte Gleitbomben eingesetzt worden, eine offenbar zunehmend beliebte Waffe bei Russlands Versuchen, ukrainisches Territorium zu erobern.

Diese Gleitbomben sollen möglicherweise den Verlauf des Ukraine-Kriegs maßgeblich beeinflussen können. Dadurch, dass russische Flugzeuge Anfang des Jahres begonnen haben, in großer Zahl Gleitbomben abzuwerfen, habe die Ukraine demzufolge Probleme, sich auf eine Großoffensive auf die russischen Linien vorzubereiten. 

Im Ukraine-Krieg sind Russlands Gleitbomben „eine wirklich ernste Bedrohung“

„Dies ist eine wirklich ernste Bedrohung“, sagt Alexander Kovalenko, ein ukrainischer Militäranalyst, gegenüber der Moscow Times. „Wir müssen darüber nachdenken, sie jetzt zu neutralisieren.“ Es bleibe allerdings abzuwarten, ob die Gleitbomben Russlands den Verlauf des Ukraine-Konflikts auch im weiteren Sinne mitbestimmen würden.

Gleitbomben sind im Wesentlichen konventionelle Bomben, die mit Navigationssystemen und Flügeln ausgestattet sind, erläutern Berichte von Moscow Times und Newsweek. Bei einigen werde diese Flugfähigkeit bereits bei der Produktion eingebaut, andere würde nachträglich modifiziert. Dadurch könnten Gleitbomben eine weitere Strecke zurücklegen und Ziele präziser als ungelenkte Bomben – oder „dumme“ Bomben, wie sie auch genannt werden. 

Ukraine-Krieg: Russlands „geflügelte“ Bomben sind kostengünstig und effektiv

Kowalenko zufolge sind Gleitbomben unter anderem deshalb so bedrohlich, da sie von russischen Flugzeugen auch weit außerhalb der Reichweite der ukrainischen Luftabwehr abgeworfen werden können. Sowohl die Stellungen der ukrainischen Streitkräfte an der Frontlinie als auch die nahe gelegenen Städte der Ukraine könnten somit von Russland ins Visier genommen werden.

Die „geflügelten“ Bomben seien für Russland außerdem eine weitaus kostengünstigere Alternative zu ballistischen Raketen und Marschflugkörpern, so die Angaben der Moscow Times. Angesichts von übereinstimmenden Berichten über die schwindenden Bestände an militärischer Ausrüstung auf russischer Seite könnte Moskau in der Ukraine schon allein aus finanziellen Gründen auf Gleitbomben setzen wollen.

Russland setzt im Ukraine-Krieg auf Gleitbomben mit „tödlichen anderthalb Tonnen“

Russland soll verschiedene Arten von Gleitbomben einsetzen, darunter auch eine modifizierte FAB-500 mit angebautem Flügel und Navigationsausrüstung. „Das sind keine Mini-Drohnen oder gar Drohnen mit 40 Kilogramm Gewicht“, erklärt der kremlnahe Militärblogger Alexander Sladkov via Telegrammpost, sondern „tödliche“ Waffen mit einem Gewicht von „anderthalb Tonnen, die es in sich haben“.

Anfang April erklärte der ukrainische Militärsprecher Jurij Ignat, dass die Bomben eine ernsthafte Bedrohung darstellten, und gab an, dass Russland bis zu 20 Stück pro Tag gegen die Ukraine einsetze. Wie die russischen Gleitbomben zukünftig von der Ukraine abgewehrt werden sollen, gerade, wenn Moskau sie in großer Menge einsetzen sollte, ist bislang unklar.

Ukraine-Krieg: Russland kalkuliert mit Billigbomben wirtschaftlich

Ein anonymer Forscher und Kriegsbeobachter erklärt gegenüber der Moscow Times, dass die Ukraine wahrscheinlich zögere, ihre begrenzten Bestände an teuren Boden-Luft-Raketen gegen diese vergleichsweise billigen Gleitbomben von Russland einzusetzen. „Damit wird unter anderem das ukrainische Luftverteidigungsnetz weiter unter Druck gesetzt“, wird er zitiert. Die Ukraine sei wohl „entweder nicht in der Lage oder nicht willens, diese abzuschießen, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen.“

Laut Bericht der Moscow Times liegen die Kosten für jede Rakete, die von den ukrainischen Luftabwehrsystemen abgefeuert werden, teilweise bei mehreren Millionen US-Dollar. Mehr noch als ein einzelnes Waffensystem sei jedoch die geplante ukrainischen Gegenoffensive entscheidend für den Ausgang des Ukraine-Krieges, sagt Anders Puck Nielsen, Militäranalyst an der Königlich Dänischen Verteidigungsakademie.

Ukraine-Krieg: Russland im Vorteil – doch macht „ein System an sich keinen Unterschied“

„Wenn [die Ukrainer] nicht wollen, dass der Konflikt zu einem eingefrorenen Konflikt entlang der derzeitigen Frontlinien wird, müssen sie irgendwann die Frontlinien durchbrechen“, erklärt er weiter. Das beste Zeitfenster für eine solche Gelegenheit sei wahrscheinlich der Sommer.

„Die Geschichte lehrt uns, dass ein System an sich keinen Unterschied macht“, sagt Nielsen, der auf die erheblichen russischen Verluste hinwies, die zuletzt durch den Einsatz US-Raketenwerfers HIMARS durch die Ukraine erzielt wurden. „Etwas wie HIMARS hat definitiv einen Unterschied auf dem Schlachtfeld gemacht“, und fügt hinzu: „Aber trotzdem hat es den Krieg nicht beendet.“ (na mit dpa)

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