Wird Boris Johnson 2023 neuer Nato-Generalsekretär?
In London geht das Gerücht um, Boris Johnson könnte neuer Nato-Generalsekretär werden. Kenner blicken fragend zum französischen Präsidenten Macron.
London - Einige Wochen bleiben Boris Johnson noch in 10 Downing Street, diesem herrschaftlichen Anwesen in Whitehall samt eigener Hauskatze. Am 5. September, so hat es die regierende Tory-Partei vor Kurzem verkündet, wird Johnsons Nachfolger:in als britische:r Premierminister:in bekannt gegeben. Und während die beiden übrig gebliebenen konservativen Kandidat:innen, Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss, versuchen, sich trotz gleicher neoliberaler Politik voneinander abzugrenzen, kommen bereits Gerüchte um Johnson nächstes mögliches Betätigungsfeld auf.
Angeblich soll dieser Kandidat auf die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sein. Unterstützung erhält Johnson dabei von einigen älteren Abgeordneten seiner Partei. Vor allem Johnsons Einsatz für die Ukraine sei in der Diskussion ein wichtiger Faktor für den Noch-Premierminister, schreibt der britische Telegraph. „Die Menschen werden über Boris Johnsons Vermächtnis möglicherweise noch Jahre diskutieren - unbestreitbar aber ist seine entschiedene Unterstützung für die Ukraine angesichts der russischen Barbarei“, sagte Mark Francois, Abgeordneter der Konservativen, der Zeitung. Johnson könnte bei seiner Bewerbung Präsident Selenskyj als Referenz angeben.
Nato im Ukraine-Krieg: „Es war Boris, der den Westen anführte“
Auch von Richard Drax und David Jones, beide ebenfalls Abgeordnete der Tories im britischen Unterhaus, erhielt der scheidende Premierminister Unterstützung. Der ehemalige Brexit-Minister Jones verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass Johnson es gewesen sei, der die westliche Antwort auf den russischen Krieg angeführt habe. „Es war Boris, der nach Schweden und Finnland reiste und die Staats- und Regierungschefs beider Länder aufforderte, Anträge auf Nato-Mitgliedschaft zu stellen, was sie natürlich taten.“ Fragwürdig, ob wirklich Johnson, der sein Land zunächst in den Brexit geführt und danach in seiner Zeit als Premierminister von Skandal zu Skandal getaumelt war, Schweden und Finnland von einer Nato-Mitgliedschaft überzeugt hatte.
Doch tatsächlich gab es auch von ukrainischer Seite lobende Worte für den britischen Populisten. Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Oleksii Goncharenko erklärte laut Telegraph, dass der britische Premierminister Führungsstärke gezeigt und Großbritannien zu einem der wichtigsten Verbündeten der Ukraine im Kampf gegen Russland gemacht habe. „Er wäre die richtige Person, um die Nachfolge von Jens Stoltenberg anzutreten, da er die Herausforderungen versteht, vor denen die Nato und der Westen stehen.“

Boris Johnson: Britischer Regierungssitz vermeidet bislang eine Auskunft
Kritik an der Idee kam dagegen von britischen Militärexperten. Lord Dannatt, ehemaliger Chef der britischen Armee, sagte, Johnson habe trotz seiner großartigen Unterstützung für die Ukraine nicht die charakterliche Eignung für den Posten als Nato-Generalsekretär. Und hinter vorgehaltener Hand stellen sich viele Kenner der Nato die Frage, ob wohl der französische Präsident Emmanuel Macron eine solche Kandidatur unterstützen würde - und schütteln den Kopf.
Turnusmäßig wäre der neue General der Nato bereits dieses Jahr im September gewählt worden. Doch aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verschob das Verteidigungsbündnis die Wahl auf 2023. Johnson wäre der erste britische Nato-Generalsekretär seit zwanzig Jahren. Von 1999 bis 2003 hatte der ehemalige britische Verteidigungsminister George Robertson von der Labour Party das Amt inne. Der britische Regierungssitz verneinte bislang eine Auskunft zu dem Gerücht. (Niklas Hecht)