Linke fordert Null-Euro-Ticket in ganz Deutschland - FDP reagiert

Kostenloser ÖPNV für Azubis, Studenten sowie Schülerinnen und Schüler: Das fordert die Linke im Bundestag. Doch hat der Antrag eine Chance?
Berlin – Aus dem Neun-Euro-Ticket wird bald das 49-Euro-Ticket. Die Bundesregierung lobt die Fortsetzung des „Deutschlandtickets“ als großen Erfolg, Sozialverbänden ist es zu teuer. Auch die Linke kritisiert den Preis und fordert deshalb kostenlosen Nahverkehr für junge und einkommensschwache Menschen. Die Linke will ein Null-Euro-Ticket für Studierende, Auszubildende und Schüler:innen – hat damit jedoch keine Chance.
ÖPNV zum Nulltarif
Am Donnerstag (2. März) soll der Vorschlag der Fraktion im Bundestag behandelt werden. Im Antrag dazu erklärt die Partei, dass junge Menschen „überproportional von Armut betroffen“ seien. „Ein Nulltarif im öffentlichen Personen-Nahverkehr entlastet die knappen finanziellen Ressourcen und ermöglicht allen Schüler:innen, Auszubildenden und Studierenden mehr Teilhabe am öffentlichen Leben“, heißt es weiter. Der Linke-Politiker Bernd Riexinger, Sprecher für nachhaltige Mobilität, will zudem Bezieher:innen von Wohngeld einen Nulltarif anbieten und sagt unserer Redaktion: „Die Linke fordert die Einführung eines 365-Euro-Tickets für alle.“
Die Idee mit kostenlosem Nahverkehr ist nicht neu. Schon zur Bundestagswahl warb die Linke für die „freie Fahrt für Kinder und Jugendliche in Bus und Bahn“. In einzelnen deutschen Städten gibt es entsprechende Modelle bereits. Die 45.000-Einwohner-Stadt Monheim am Rhein hat den ÖPNV gänzlich kostenlos gemacht. In Städten wie Augsburg oder Darmstadt gibt und gab es zumindest ähnliche Projekte. Das zeigt: In der Regel handelt es sich bei diesen Angeboten um Individualpläne.

FDP-Kritik: „Antrag der Linken zeigt deren Unkenntnis über das Grundgesetz“
Eine bundesweite Regelung, wie von der Linken gefordert, ist nahezu utopisch, glaubt man den Aussagen des Bundesverkehrsministeriums. Das Deutschlandticket sei bereits ein „attraktives Angebot“, heißt es auf Anfrage der Frankfurter Rundschau. „Darüber hinaus ist es den Ländern unbenommen, auf ihre Kosten weitere Vergünstigungen etwa für Azubi-, Schüler- oder Sozialtickets anzubieten.“ Das Ministerium „begrüße“ das – sei aber eben nicht für die Finanzierung zuständig.
Ähnlich äußert sich der für die FDP im Verkehrsausschuss zuständige Abgeordnete Valentin Abel. „Ein solches Angebot können die Länder selbstständig machen“, sagt er der Frankfurter Rundschau. „Da der Bund hier nicht verantwortlich ist, stellt sich die Frage nach der Finanzierung über den Bundeshaushalt nicht.“
Die Zuständigkeit des ÖPNV regelt das Regionalisierungsgesetz. Es sorgt immer wieder für Streit zwischen Bund und Ländern und soll angepasst werden. Grundsätzlich sind für den ÖPNV tatsächlich die Länder zuständig, FDP-Verkehrsminister Volker Wissing macht es sich jedoch zu einfach, wenn er die finanzielle Last vom Bund abweisen will. Für den ÖPNV steht den Ländern gemäß Artikel 106a Grundgesetz ein Anteil aus dem Steueraufkommen des Bundes zu. Innerhalb der Linken heißt es daher auch, dass eine Finanzierung eines Null-Euro-Tickets grundsätzlich möglich sei. Wenn der Bund denn wolle.
Den Aspekt der finanziellen Zuständigkeit klammert die Linke in ihrem Antrag übrigens komplett aus. FDP-Mann Abel meint: „Dass der Antrag der Linken im Deutschen Bundestag gestellt wird, zeugt nur von deren Unkenntnis über das Grundgesetz, das klare Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zuweist.“
Dienstwagenprivileg und Übergewinnsteuer: So will die Linke das Null-Euro-Ticket finanzieren
Zur Finanzierung äußert sich die Linke in ihrem Antrag ebenfalls nicht. Riexinger versichert jedoch, es gebe „verschiedene Vorschläge“ dazu. „Wir haben vorgerechnet, wie beispielsweise durch den Abbau von klimaschädlichen und sozialungerechten Subventionen, wie dem Dienstwagenprivileg, kostengünstiger und gut ausgebauter ÖPNV finanziert werden kann.“ Auch mit einer von den Linken geforderten Übergewinnsteuer könnte der Nulltarif realisiert werden.
Andere Aspekte bleiben ebenso unklar, etwa die Kontrolle. So wird nicht auf das Problem der sogenannten „Scheinstudenten“ eingegangen. Menschen schreiben sich an der Uni für ein Studienfach ein, ohne Vorlesungen zu besuchen. Stattdessen greifen sie durch ihren Studierendenstatus die vergünstigten Nahverkehrsangebote ab. Bei einem kostenlosen Ticket könnte der bisher kaum beachtete Trend weiter wachsen.
Deshalb hat der Antrag der Linken keine Chance
Insgesamt handelt es sich beim Antrag der Linken um einen zwar gut gemeinten, insgesamt aber chancenlosen Vorschlag. Die Partei hat recht, wenn sie auf finanzielle Nöte junger Menschen hinweist. Die zuletzt zwei Jahre coronageplagte Jugend verdient es, finanziell entlastet zu werden. Zumal das 200-Euro-Versprechen der Bundesregierung an Studenten auch nach Monaten noch nicht eingelöst wurde und die Mieten in Studentenstädten rasant steigen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Doch im Bundestag ist die Partei damit an der falschen Stelle. Wegen der undurchsichtigen Zuständigkeit, aber vor allem wegen der fehlenden parlamentarischen Mehrheit. Das weiß die Fraktion natürlich. Der Antrag wirkt daher wie der Versuch, sozialpolitisch wahrgenommen zu werden. Ein Zeichen an die ursprüngliche Stammwählerschaft, die soziale Politik für die Ärmsten der Gesellschaft zuletzt immer seltener sah. Zudem soll Druck auf das FDP-geführte Verkehrsministerium aufgebaut werden.
Sollte es der Partei um die Sache an sich gehen, ist der Weg zu fairen Bus- und Bahntickets auf Länderebene leichter. Immerhin ist die Partei an vier Landesregierungen beteiligt. Dass auf diesem Weg soziale Verkehrspolitik möglich ist, zeigt die Linke in Berlin: Hier fahren Schüler:innen kostenlos in Bus und Bahn. Auf Bundesebene wird es das auf absehbare Zeit jedoch nicht geben. (as)