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Wie radikale Reichsbürger Karl Lauterbach entführen wollten: Neue Details

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Von: Jens Kiffmeier

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Eine Gruppe von Reichsbürgern wollte Karl Lauterbach entführen. Jetzt steht der Minister rund um die Uhr unter Personenschutz. Wie groß ist die Gefahr?

Berlin – Die Personenschützer sollten mit Maschinenpistolen eliminiert werden, der Gesundheitsminister anschließend gekidnappt werden: Im April 2021 ist eine radiale „Reichsbürger“-Gruppe mit der geplanten Entführung von Karl Lauterbach (SPD) aufgeflogen. In wenigen Tagen müssen sie sich vor Gericht verantworten. Doch für den Politiker ist der Spuk dann noch nicht vorbei, denn sein Leben hat sich seit diesem Tag radikal verändert, wie er in einem Interview jetzt verraten hat.

Karl Lauterbach (SPD): Gesundheitsminister äußert sich gescheiterter Entführung

Seit der gescheiterten Entführung hat Karl Lauterbach (SPD) die höchste Sicherheitsstufe. Das heißt: Der umstrittene Gesundheitsminister steht rund um die Uhr unter der Bewachung von Personenschützern des Bundeskriminalamtes (BKA). „Wenn man mir vor zehn oder 15 Jahren gesagt hätte, dass ich mich mit Reichsbürgern herumschlagen muss, es zur Debatte steht, ob wir erschossen oder gekidnappt werden – dann hätte ich das für undenkbar gehalten“, sagte Lauterbach in einem Gespräch mit Zeit Online.

Angriff der „Reichsbürger“: Vereinte Patrioten planten Kidnapping von Lauterbach

Der Fall hatte für viel Aufsehen gesorgt. Eine Gruppe hatte offenbar sehr konkrete Planungen für Lauterbachs Entführung und den Sturz der Bundesregierung. Sie nannte sich „Vereinte Patrioten“. Doch die Lauterbach-Verschwörung flog auf und die Tatverdächtigen wurden verhaftet. Drei Männer und eine Frau, die teilweise dem „Reichsbürger“-Milieu zugeordnet werden, sitzen seitdem in Haft. Die Bundesanwaltschaft hat Anklage erhoben. Am 17. Mai wird der Prozess in Koblenz eröffnet.

Ohne Personenschutz geht er nicht mehr aus dem Haus: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Ohne Personenschutz geht er nicht mehr aus dem Haus: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). © Paul Zinken/dpa

Angriffe auf seine Person war Lauterbach zuvor schon gewohnt. Als Gesundheitsminister hatte er einen strikten Corona-Kurs vertreten – und sich bei Verschwörungstheoretikern und Corona-Leugnern viele Feinde gemacht. In der Folge bekam er viele Morddrohungen. Doch nach dem bekannt gewordenen Entführungsplan wurde die Sicherheitsstufe noch einmal erhöht.

Personenschutz nach geplatzter Entführung bei Lauterbach erhöht

„Wenn ich privat unterwegs bin, zum Beispiel essen gehe, dann kommt vorher mein Personenschützer“, berichtete Lauterbach nun. Spontane Unternehmungen seien nur möglich, wenn der Personenschutz schon da sei. „Aber sonst brauche ich immer Vorlauf, also ein bis zwei Stunden. Vieles, was spontan war, ist im Moment eingeschränkt“, sagte der Minister der Zeit. Konkrete Angaben zur Anzahl seiner Personenschützer oder ob er Pizza bestellen und ihm die jemand bringen darf – über all das darf sich Lauterbach nun nicht mehr äußern. Doch bereits in einem früheren Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger hatte er sich beklagt, dass sein Auto jetzt aus Sicherheitsgründen nicht mehr vor seinem Haus geparkt werden darf.

Kinder und Freundin: Leben von Lauterbach in Köln bleibt privat

Lauterbach lebt mit seiner Familie in Köln. Bereits vor der geplanten Entführung hatte er sein Privatleben geschützt. Bekannt ist nur, dass er aus erster Ehe vier Kinder hat. Aus einer Beziehung mit einer Freundin hat der Politiker ein fünftes Kind. Aber ausbüxen und einmal einen ungestörten Tag mit der Familie verbringen – das kommt für Lauterbach nicht mehr infrage. „Bei anderen Ministern soll es das schon gegeben haben, aber bei mir nicht“, stellte der Sozialdemokrat klar und fügte hinzu: „Wenn schon so ein großer Aufwand für meinen Schutz betrieben wird, dann gefährde ich mich doch nicht selbstPersonenschützer verdienen, dass man mitmacht.“ Immerhin würden sie das eigene Leben für eine andere Person gefährden.

Verschwörer aus der „Reichsbürger“-Szene: Auch Prinz Reuß plante Entführungen

Ungefährlich sind die radikalen Strömungen der „Reichsbürger“-Szene tatsächlich nicht. Nach dem Auffliegen der „Vereinten Patrioten“ war ein halbes Jahr später eine weitere Gruppe festgenommen worden. Dem Verschwörerkreis um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß und der früheren AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann wird vorgeworfen, einen Umsturzversuch geplant zu haben, bei dem Bundestagsabgeordnete entführt und inhaftiert werden sollten. Bei einer großangelegten Razzia stellte die Polizei Unmengen an Munition und Waffen sicher. Insgesamt laufen die Ermittlungen gegen 61 Personen. In diesem Fall steht aber noch kein Gerichtstermin fest.

Vor diesem Hintergrund will Lauterbach die Gefahr auch nicht kleinreden. „Es ist abwegig zu glauben, eine Regierung könnte stürzen, nur weil einer ihrer Minister erschossen wird. Und von daher wirken diese mutmaßlichen Täter auf mich wahnhaft, vielleicht psychisch krank“, sagte der Politiker. Aber genau das sei der Grund, weshalb er sie für besonders gefährlich halte. „Solchen Leuten ist zuzutrauen, dass sie es versuchen.“ Er persönlich sei aber nicht bereit, ihnen irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Daran, so Lauterbach, denke er nicht einmal „im Traum“. (jkf)

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