CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt hat die potenziellen Koalitionspartner in Sachsen-Anhalt aufgerufen, nicht schon vor den Sondierungen Hürden für eine Zusammenarbeit aufzubauen. „Ich halte es für wenig klug, wenn der kleinste potenzielle Partner von vornherein Forderungen stellt“, sagte Borgwardt am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Richtung der Grünen. Vorgaben wie die der Grünen seien wenig hilfreich für die Regierungsbildung.
Die CDU will offiziell ohne Präferenz in die Sondierungen gehen. Auch Schwarz-Rot mit seiner knappen Mehrheit will Borgwardt nicht ausschließen. „Je weniger Partner desto einfacher das Regieren“, habe seine Erfahrung gezeigt. Auf der anderen Seite strebe die Fraktion eine möglichst breite Mehrheit an.
Update vom Dienstag, 08.06.2021, 06.50 Uhr: Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sieht sich nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in seiner Annahme bestätigt, dass Ostdeutsche häufiger radikale Parteien wählen als Westdeutsche. „So schön es ist, dass die extremen Parteien verloren haben, mehr als 20 Prozent für die AfD sind mir immer noch erschreckend zu viel“, sagte Wanderwitz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Eine Debatte darüber sei weiter dringend notwendig. „Es gibt einen gewissen Prozentsatz, den ich für rückholbar halte. Und da hilft es nicht, nur mit dem Zuckerbrot zu kommen, sondern auch mal mit dem vorgehaltenen Spiegel. Aber es gibt einen harten Kern, den man nicht so eben zurückholen kann, und der ist leider größer als im Westen. Es ist doch kein Dauerzustand, dass wir jedes Mal bei einer Wahl in Ostdeutschland wie das Kaninchen auf die Schlange starren und ängstlich abwarten, wie hoch das Ergebnis der AfD diesmal ausfällt“, sagte Wanderwitz. Gerade junge Leute müssten „unbedingt“ für die Demokratie gewonnen werden.
Wanderwitz hält eine klare Abgrenzung der CDU zur AfD nach der Wahl in Sachsen-Anhalt für richtig.
+++ 21:30 Uhr: Das ging schnell: Die Grünen in Sachsen-Anhalt haben sich gegen eine Neuauflage der Kenia-Koalition ausgesprochen. Dies teilte der Landesvorsitzende Sebastian Striegel nach einer Vorstandssitzung in Magdeburg mit. Für Jamaika, also eine Koalition mit CDU und FDP, sei man jedoch offen. Damit fällt die erste der Optionen für Ministerpräsident Reiner Haseloff weg. CDU und SPD hätten auch ohne die Grünen eine Mehrheit, allerdings nur mit einer Stimme. Außerdem wäre eine Deutschland-Koalition aus CDU, FDP und SPD denkbar.
+++ 20:30 Uhr: Nun ist es offiziell: Die CDU will nach ihrem Wahlsieg in Sachsen-Anhalt mit der FDP, den Grünen und der SPD Sondierungsgespräche für eine mögliche Koalition führen. Dies sagte CDU-Landeschef Sven Schulze am Montag nach einer Sitzung des Landesvorstandes. Beginnen sollen die Gespräche laut dpa wohl mit der FDP, dann in alphabetischer Reihenfolge mit den Grünen und schließlich mit der SPD. Dies habe jedoch nichts mit der Vorliebe für eine mögliche Koalition zu tun, betone Schulze.
Gerade die Grünen sind bei Teilen der CDU-Basis geradezu verhasst, Koalitionen mit ihnen sind daher wohl eher unwahrscheinlich. CDU und SPD hatten zwischen 2012 und 2016 schon gemeinsam regiert, von 2016 bis 2021 waren dann die Grünen mit in der Koalition. Am wahrscheinlichsten gilt eine Koalition mit der FDP, für die sich mehrere CDU-Politiker bereits am Wahlabend ausgesprochen hatten.
+++ 19:30 Uhr: Grünen-Chef Robert Habeck hat sich enttäuscht über das Abschneiden der Partei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt geäußert. Man habe „natürlich Hoffnungen und Erwartungen“ gehabt, dass es stärkere Zuwächse gebe, sagte er der Afp am Montag (07.06.2021) in Berlin. Es habe zu wenig „Rückenwind“ für wie Wahlkämpfer in Sachsen-Anhalt gegeben, gab er zu.
Zuletzt ist die Partei wegen Co-Parteichefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Kritik geraten, nachdem es Unstimmigkeiten in deren Lebenslauf gegeben hatte. Auch wegen der höheren Benzinpreise im Zuge der Klimaschutzbemühungen hagelte es Kritik. Es habe „kleine Fehler“ gegeben, so Habeck.
Nun gelte es, sich „intensiv“ mit Themen jenseits des Klimaschutzes zu befassen, so Habeck gegenüber der Nachrichtenagentur Afp. Auch die soziale Frage müsse im Hinblick auf Ökologisierung, Digitalisierung und Globalisierung gestellt werden. Am Parteitag am kommenden Wochenende sollen diese Themen aufgegriffen werden.
+++ 19:30 Uhr: Die Umfragen vor der Wahl, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und CDU vorausgesagt hatten, haben zu dem starken Ergebnis der CDU geführt. Zu diesem Schluss kommt der Darmstädter Politologe Christian Stecker. „In dem Moment, in dem es darum ging, die AfD nicht zur stärksten Kraft zu machen, haben sich einige entschieden, strategisch zu wählen. Und dadurch sind der CDU noch Wählerinnen und Wähler zugeflossen“, sagte Stecker der dpa.
Wähler:innen, die sonst andere Parteien gewählt hätten, hätten ihr Kreuz bei der CDU gemacht, um die AfD als stärkste Partei zu verhindern. Daher sei es zu keinem knappen Rennen zwischen den beiden Parteien gekommen. Die Umfragen seien aber nicht problematisch, da sie nur aktuelle Stimmungsbilder und keine Prognosen seien, so Stecker. „Heute treffen viele Wähler und Wählerinnen ihre Entscheidung kurzfristiger als früher und sind weniger festgelegt auf eine bestimmte Partei.“ Wie die Meinungsforscher von Civey mitteilten, gebe es in Ostdeutschland außerdem ohnehin eine viel niedrigere Parteienbindung als in Westdeutschland.
+++ 19:00 Uhr: Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wollen am Dienstag mehrere Fraktionen zu ihren ersten Treffen in der neuen Legislaturperiode zusammenkommen. Die Fraktionen von CDU und SPD wollen dabei laut dpa ihre neuen Vorstände wählen. Bei der CDU hat sich der bisherige Fraktionschef Siegfried Borgwardt erneut zur Verfügung gestellt. Die CDU-Fraktion ist um ganze 10 Mandate gewachsen.
Ob die bisherige SPD-Fraktionschefin Katja Pähle noch einmal antritt, ist noch unklar. Die SPD hatte bei der Wahl eine Schlappe erlitten und stellt nun nur noch neun Abgeordnete. Auch die Grünen und Linken treffen sich, dabei soll es jedoch vor allem um die Auswertung der Ergebnisse der Wahl gehen.
+++ 18:07 Uhr: Nach zehn Jahren der Abwesenheit hat die FDP den Sprung zurück in den Magdeburger Landtag geschafft. Und direkt könnte sie ausschlaggebend für künftige Koalitionen werden. Dementsprechend selbstbewusst stellte sich Spitzenkandidatin Lydia Hüskens am Montag dar. „Ich sehe uns definitiv nicht als Komfortpartner oder als Reserverad“, sagte sie der dpa.
Sie werde Gespräche suchen, gehe aber davon aus, dass die CDU am Ende allein mit der SPD regieren werde. Viele Christdemokraten hatten sich über die Rückkehr des „natürlichen Koalitionspartners“ gefreut. Ob Hüskens jedoch eine Regierungsbeteiligung ablehnen würde, oder schon ihre Karten für die anstehenden Koalitionsverhandlungen bereitmacht, ist noch unklar.
+++ 17.36 Uhr: Die rechtspopulistische AfD in Sachsen-Anhalt hat trotz großer Verluste bei der Landtagswahl ein Bündnis der Partei mit der CDU angeboten. AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sagte dem rbb, dass man „Politik zum Wohle der Bevölkerung“ machen wolle. Wie die aussehen soll, sagte er jedoch nicht.
Es gebe in Sachsen-Anhalt nur zwei Volksparteien, so Chrupalla, die CDU und die AfD. Gerade bei den Unter-30-Jährigen konnte die AfD mit ihren teils fremdenfeindlichen Parolen punkten. Dass es aber tatsächlich zu einer Koalition unter Beteiligung der AfD kommen könnte, gilt jedoch fast als ausgeschlossen. Ministerpräsident Reiner Haseloff von der CDU hatte im Wahlkampf eine Kooperation mit der AfD abgelehnt. Viele sehen diesen Schritt als Grund seines Wahlerfolges.
+++ 17.10 Uhr: Die Grünen würden gerne in Sachsen-Anhalt weiter mitregieren. „Ich mache Politik, um Dinge tatsächlich zu bewegen“, sagte Cornelia Lüddemann, Spitzenkandidatin und Vorsitzende der Landtagsfraktion der dpa. In der Opposition könne man „viele schöne Konzepte schreiben“, aber nur in der Regierung könne man Dinge wirklich umsetzen. Die Grünen verbesserten sich bei der Wahl um 0,7 Prozent auf 5,9 Prozent. Bei zwei der möglichen Koalitionen wären sie beteiligt, bei Jamaika mit CDU und FDP und Kenia mit CDU und SPD.
+++ 16.40 Uhr: SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat sich gegen eine Große Koalition in Sachsen-Anhalt ausgesprochen. Es gebe „Zweifel an der Stabilität“ einer solchen Regierung mit nur einer Stimme Mehrheit, sagte Walter-Borjans dem MDR. Letzten Endes müsse jedoch die SPD Sachsen-Anhalt entscheiden. In den vergangenen Jahren hatten immer wieder Mitglieder der CDU-Fraktion eine Öffnung der CDU zur AfD gefordert. Ein Dreierbündnis gilt daher als erheblich wahrscheinlicher. Walter-Borjans sagte jedoch auch, dass die SPD die eigenen Erfolge stärker herausstellen müsse. Er ergänzte aber gegenüber der Afp, dass sich die SPD einer „verantwortungsvollen Sicherung einer demokratischen Mehrheit in Sachsen-Anhalt nicht entziehen“ werde.
Erstmeldung vom Montag, 07.06.2021: Magdeburg – Die große Revolution ist bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ausgeblieben: Die rechte AfD schaffte es trotz niedriger Wahlbeteiligung* nicht mal ansatzweise, die CDU als stärkste Kraft abzulösen. Ja, die Rechtspopulisten verloren sogar 3,5 Prozent auf „nur“ 20,8, während die CDU 7,2 Prozent dazugewann auf 37,1 Prozent. Der amtierende Ministerpräsident Reiner Haseloff von der CDU geht damit als klarer Sieger der Wahl* vom Feld. Spannend wird es jetzt bei den Verhandlungen zur neuen Koalition: Wer wird Juniorpartner von Haseloffs CDU?
Eine Option kann wohl von vornherein ausgeschlossen werden: Schwarz-Blau. Der alte und wohl auch neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, als auch CDU-Parteichef Armin Laschet*, haben sich gegen jegliche Zusammenarbeit mit den Rechten ausgesprochen. „Die CDU ist das Bollwerk gegen den Extremismus“, sagte Laschet der dpa in Berlin.
Mögliche Koalition | Beteiligte Parteien | Chance für Zustandekommen |
Kleine Koalition | CDU, SPD | Möglich |
Jamaika | CDU, FDP, Grüne | Unwahrscheinlich |
Deutschland | CDU, SPD, FDP | Sehr wahrscheinlich |
Kenia | CDU, SPD, Grüne | Wahrscheinlich |
Schwarz-Blau | CDU, AfD | Sehr unwahrscheinlich bis unmöglich |
Die klare Kante Haseloffs gegenüber der AfD habe sich ausgezahlt. Die vereinzelten Mitglieder, die eine Öffnung der Partei bezüglich Koalitionen mit der AfD gefordert hatten, sollten nach diesem starken Wahlergebnis zunächst verstummen. Haseloff sagte gestern, er wollte „Angebote in alle Richtungen machen, die sich für uns demokratisch anbieten“. Und da zählen AfD und die Linke* nicht dazu.
Bleiben „nur“ noch vier andere Koalitionsmöglichkeiten*. Eine „Große Koalition“ mit der SPD wäre für Haseloffs CDU rein rechnerisch möglich, sie hätte aber nur eine knappe Mehrheit von einer einzigen Stimme. Haseloff hat sich in der Vergangenheit jedoch immer für eine stabile Regierung ausgesprochen. Auch ob die SPD* dies nach erneuten Verlusten mitmacht, ist zweifelhaft. Eine Wiederbelebung von „Kenia“, also CDU, SPD und Grüne* wäre ebenfalls möglich.
Die Arbeit der vergangenen Koalition war innerhalb der CDU zwar nicht unumstritten und auch Haseloff selber bekleckerte sich dabei nicht immer mit Ruhm. Aber die Koalition hätte eine stabile Mehrheit. Doch insbesondere die Grünen sind bei der Basis alles andere als beliebt.
Als Favorit der CDU-Basis gilt daher die „Deutschland-Koalition*“ gemeinsam mit SPD und FDP*. Die Liberalen haben nach Jahren der Abstinenz wieder den Sprung in den Landtag geschafft. Diese Koalition hätte sogar noch einen Sitz im Magdeburger Landtag mehr, als „Kenia“. Auch „Jamaika“, also CDU, Grüne und FDP ist rechnerisch möglich, aber eher unwahrscheinlich. Denn dann wären erneut die bei der CDU-Basis unbeliebten Grünen mit an Bord. Und das mit einer kleineren Mehrheit als bei den anderen Koalitionen.
Für welche der Koalitionen sich Haseloff nach dem Ende der Verhandlungen auch entscheiden wird, diesmal hat er zumindest eine Wahl, anders war das noch 2016 gewesen. Die Rückkehr der FDP in den Landtag und ein starkes Wahlergebnis haben dem „dankbaren“ Landesvater* einen starken Rückenwind beschert. Und mit seiner Partei als mit Abstand größtem Partner in der Koalition wird er wohl viele seiner Wahlversprechen umsetzen können. (als) fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.