Linken-Chefin in NRW: „Wagenknecht vertritt in Sachen Ukraine die Position unserer Partei“

In Nordrhein-Westfalen wird am 15. Mai ein neuer Landtag gewählt. Welche Chancen haben die Linken? Spitzenkandidatin Butterwegge im FR-Interview.
Frau Butterwegge, Die Linke hat weder bei der Wahl in Schleswig-Holstein noch im Saarland die 5-Prozent-Hürde geschafft. Welches Gefühl haben Sie für NRW?
Die Ergebnisse der beiden Landtagswahlen sind nicht schönzureden. Aber als Linke haben wir gelernt zu kämpfen, gerade in schwierigen Zeiten. Bis Sonntag um 18.00 Uhr kämpfen wir also hier für Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen um jede Stimme – und damit auch für unsere Themen. Wir wollen Reichtum gerecht verteilen, gerade in der Krise. Bei den vielen Podiumsdiskussionen, an denen ich gerade teilnehme, stelle ich fest: Immer dann, wenn wir ernsthaft über unsere Themen reden können, ernten wir große Zustimmung. Das macht Mut und motiviert, trotz schwieriger Rahmenbedingungen.
Die Linke fällt durch parteiinterne Querelen auf. Sexuelle Übergriffe scheinen nicht aufgearbeitet zu werden. Auch steht die Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine in der Kritik. Was heißt das für Sie im Wahlkampf?
Wir stehen vor einem wichtigen Bundesparteitag, aber mein Eindruck ist schon, dass sich meine Partei aktiv mit ihren Problemen befasst. Auch im NRW-Landesvorstand organisieren wir diesen Prozess. Wir beschweren uns auch nicht, dass die Wahltermine sich nicht danach richten, ob wir noch was zu klären haben. Also machen wir jetzt beides gleichzeitig: Wir holen Versäumnisse nach und bauen Strukturen auf, um bundesweit wieder erfolgreicher zu werden – und wir setzen uns in NRW für unsere landespolitischen Kernthemen ein.
Dafür haben wir uns hinter einem guten Landtagswahlprogramm versammelt: Wir machen konkrete Vorschläge zur Bekämpfung von Armut, unterstützen die Pflegekräfte sowie die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bei ihren Streiks, und machen Druck für eine Wohnungspolitik, die endlich bezahlbare Mieten schafft. Das sind alles konkrete Pläne, wie die Lebensverhältnisse hier verbessert werden können.
Landtagswahlen in NRW: Die Linke in Nordrhein-Westfalen äußert sich zur Ukraine
Sollte die Linke ihre Haltung zu Putin nicht längst geklärt haben? Sahra Wagenknecht als Parteiprominente fällt bspw. regelmäßig mit fragwürdigen Positionen auf.
Unsere Haltung zum Krieg gegen die Ukraine ist eindeutig: Der militärische Großangriff Russlands ist ein völkerrechtswidriger Krieg, der unbeschreibliches Leid über die Menschen bringt. Wir verurteilen ihn unmissverständlich. Es stellt sich doch die Frage, wie das schlimme Blutvergießen möglichst schnell beendet werden kann. Fest steht: durch den Versuch, den Krieg bis zum bitteren Ende militärisch auszufechten, jedenfalls nicht. Wer darauf setzt, setzt auf lang anhaltendes Sterben und Leiden. Wenn es also nicht zum Äußersten kommen soll, muss es einfach zu Verhandlungen kommen. Sahra Wagenknecht kritisiert, dass die westlichen Regierungen aktuell zu wenig dafür tun. Damit vertritt sie die Position unserer Partei.
Was wäre das Alternativkonzept zu Waffenlieferungen?
Kriege werden mit Waffen geführt und durch Verhandlungen beendet. Das gilt auch dann, wenn es einen eindeutigen Aggressor gibt, der großes Unrecht begeht. Niemand sagt, dass ein Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung leicht zu erreichen wären. Aber die Bundesregierung und die EU-Staaten müssen alles in ihrer Macht Stehende dafür tun. Denn eine Ausweitung des Konflikts wäre brandgefährlich. Und auch ein vielleicht jahrelanger Abnutzungskrieg mit unvorstellbar vielen Toten muss verhindert werden.
Zur Person
Carolin Butterwegge ist Soziologin und Politikerin bei Die Linke. Sie war von 2010 bis 2012 Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen. Bei der Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2022 ist sie Spitzenkandidatin ihrer Partei.
Im NRW-Wahlkampf setzen Sie auf Sozialpolitik, Stichwort „Gerechtigkeit“. Was ist in NRW besonders ungerecht?
Sozialverbände weisen zu Recht darauf hin, dass das Ruhrgebiet in Sachen Armut die Problemregion Nummer 1 in Deutschland ist. Wenn die Armut hier viermal so schnell steigt wie im Bundesdurchschnitt, dann kann sich niemand zurücklehnen und so tun, als liefe bei uns alles prima. Kinderarmut ist in NRW ein Riesenproblem, und es ist ein Skandal, dass sich Bildungs- und Zukunftschancen oftmals an der Postleitzahl ablesen lassen. Aber auch in wohlhabenderen Städten und Gemeinden können sich immer mehr die Mieten nicht mehr leisten – während auf der anderen Seite die Zahl der Einkommensmillionäre steigt. In der Corona-Krise hat sich dieses Auseinanderdriften der Gesellschaft weiter verstärkt, und die Landesregierung hat kaum was dagegen unternommen.

Warum schafft es die Linke nicht, sich mit ihrer sozialpolitischen Agenda durchzusetzen – angesichts der offensichtlichen Schwäche diesbezüglich bei der Konkurrenz?
Die Linke ist bei vielen sozialen Fragen durchaus ein wichtiger politischer Taktgeber. Zum Beispiel haben wir die Einführung des allgemeinen Mindestlohns schon vehement gefordert, als die Regierungsparteien sich noch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben. Bei der längst überfälligen Erhöhung ist das jetzt auch so. Ähnliche Beispiele gibt es auf allen politischen Ebenen. Dass wir das in letzter Zeit nicht in Wahlerfolge umsetzen konnten, haben wir uns auch selbst zuzuschreiben. Diskutieren ist gut – sich in der Öffentlichkeit über Dinge so zu streiten, dass Positionen für Außenstehende manchmal kaum noch nachvollziehbar sind, das schadet.
Landtagswahlen in NRW: AfD will mit Hetze gegen Schwächere punkten
Wie kommt es, dass die AfD 2017 mit 7,4 Prozent relativ stark war, die Linke es aber seinerzeit nicht in den Landtag schaffte? Warum ist die Linke in NRW so schwach?
2017 fehlten uns nur 8000 Stimmen für den Einzug in den Landtag – bei 13 Millionen Wahlberechtigten. Dermaßen knapp an der Fünfprozenthürde zu scheitern, war natürlich besonders bitter. Für uns, und für alle, die eine Stimme für mehr soziale Gerechtigkeit im Landtag vermissen. Das Geschäftsmodell der AfD ist dagegen, mit Hetze gegen Schwächere auf gesellschaftliche Probleme zu reagieren – und letztendlich eine Politik zu machen, die nur den Reichsten und Mächtigsten nutzt.
Und die Linke?
Als Linke machen wir Politik für die breite Mehrheit der Menschen, die von kleinen und mittleren Einkommen leben müssen. Das Angebot lautet: Wenn wir uns zusammen tun, können wir Druck machen und echte Verbesserungen durchsetzen. Unsere Verantwortung als Gesamtpartei ist jetzt, den Fokus wiederzufinden – denn in diesen Auseinandersetzungen werden wir gebraucht. (Interview: Katja Thorwarth)