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Länger wählen in Nigeria

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Von: Johannes Dieterich

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Uniformierte Offizielle der Nationalen Wahlbehörde warten in einem Registrierungsbüro in der Hauptstadt Abuja darauf, ihre gesammelten Stimmergebnisse eintragen zu lassen. Michele Spatari/AFP
Uniformierte Offizielle der Nationalen Wahlbehörde warten in einem Registrierungsbüro in der Hauptstadt Abuja darauf, ihre gesammelten Stimmergebnisse eintragen zu lassen. © Michele Spatari/afp

Wegen logistischer Probleme dürfen bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nachträglich Stimmen abgegeben werden.

Nigeria hat gewählt: Von zahlreichen Zwischenfällen begleitet ist am Wochenende die umfangreichste Abstimmung in der Geschichte Afrikas zu Ende gegangen. Wie viele der rund 90 Millionen Wahlberechtigten tatsächlich in einer der fast 180 000 Wahllokale ihre Stimme abgaben, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Wahlbeteiligung sei allerdings wesentlich höher als vor vier Jahren gewesen, sagt ein Beobachter. Damals waren lediglich 33 Prozent der Stimmberechtigten zu den Urnen gegangen.

In vielen Wahlkreisen musste die Abstimmung um einen Tag verlängert werden, nachdem Stimmzettel und Wahlurnen teilweise erst am Abend des eigentlichen Wahltags am Samstag ihr Ziel erreichten.

Aus mindestens 13 der 36 nigerianischen Bundesstaaten seien im Zusammenhang mit der Abstimmung auch Gewalttaten gemeldet worden, teilte das Forschungsinstitut SBM Intelligence mit. Außerdem hätten an manchen Orten die elektronischen Geräte zu Identifizierung der Wähler:innen nicht funktioniert – zumindest acht dieser Apparate seien auch gestohlen worden, gab der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission, Mahmood Yakubu, am Sonntag bekannt.

Bereits am Vorabend der Wahl hatte die Polizei einen Abgeordneten der oppositionellen Demokratischen Volkspartei (PDP) mit 500 000 US-Dollar in Scheinen verhaftet, die offenbar zum Stimmenkauf bestimmt waren. Der Parlamentarier habe auch eine Namensliste der Empfänger bei sich gehabt, hieß es.

Stimmauszählung in einem Wahllokal in Yola, Hauptstadt des östlichen Bundesstaates Adamawa. PIUS UTOMI EKPEI/AFP
Stimmauszählung in einem Wahllokal in Yola, Hauptstadt des östlichen Bundesstaates Adamawa. © Pius Utomi Ekpei/afp

In einem zweiten Fall stellte die Antikorruptionsbehörde EFCC in Lagos umgerechnet 70 000 Dollar sicher, die offenbar ebenfalls zum Stimmenkauf bestimmt waren. In der Hauptstadt Abuja griff ein Mob mehrere EFCC-Beamte an, nachdem diese einen weiteren vermeintlichen Stimmenkäufer festgenommen hatten.

Bei der Wahl, die als die am heißesten umkämpfte Abstimmung in der Geschichte Nigerias gilt, stehen sich drei favorisierte Kandidaten gegenüber: Atiku Abubakar (76) von der PDP, Bola Tinubu (70) vom regierenden All Progressive Congress (APC) sowie als Überraschungskandidat Peter Obi (61), dem Umfragen die größten Chancen für einen Sieg attestierten.

Obi gilt als Hoffnungsträger vor allem junger Wähler:innen, die sich an vergangenen Wahlen aus Enttäuschung über die korrupte politische Szene des westafrikanischen Staates nicht beteiligt hatten. Je größer die Wahlbeteiligung, desto größer Obis Chancen, heißt es in Abuja: Die Ergebnisse der Abstimmung werden erst in den kommenden Tagen feststehen.

Trotz der zahlreichen Zwischenfälle handele es sich bei diesem Urnengang um einen der am besten geregelten in der nigerianischen Geschichte, heißt es unter Wahlbeobachter:innen. Bei früheren Abstimmungen starben oft Hunderte von Menschen bei Unruhen. Zur Vorbeugung hatte die Regierung am Wahltag die Landesgrenzen schließen lassen und strenge Beschränkungen des Straßenverkehrs erlassen. In der Hauptstadt des unruhigen Bundesstaats Anambra begleiteten Soldaten den Transport der Wahlzettel, Identifizierungsgeräte und Dieselgeneratoren. Die Provinz wird von Sezessionisten des Igbo-Volks erschüttert.

Andere Schwerpunkte der Gewalt befinden sich im Nordosten des bevölkerungsreichsten Staats Afrikas, den islamistische Gruppen unsicher machen. Im dortigen Bundesstaat Borno beschossen Extremisten am Wahltag ein Dorf mit Mörsern, wobei ein Kind getötet und vier weitere Personen verletzt worden seien. Die Stimmabgabe wurde deshalb abgebrochen. Auch in der Hafenmetropole Lagos soll es zu Gewalt gekommen sein. Mit Messern, Ketten und zerbrochenen Flaschen bewaffnete Banden hätten mehrere Wahllokale angegriffen und Wahlurnen zerstört, teilte die Polizei mit. Für die Bekanntgabe der Ergebnisse werden weitere Gewalttaten erwartet: Viele Nigerianer:innen decken sich derzeit mit Lebensmitteln ein.

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