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Asien, Afrika, Amerika: Warum ist Bildungsministerin Stark-Watzinger so viel unterwegs?

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Stark-Watzinger in Taiwan
Viel unterwegs: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger trifft ihren taiwanischen Amtskollegen Wu Tsung-Tsong in Taipeh. © ChiangYing-ying/AP

Reisen bildet. Das ist passend für eine Bildungsministerin, weshalb Bettina Stark-Watzinger immer häufiger auf internationale Tour geht. Durch Fernreisen verpasst sie wichtige Termine in Berlin und Brüssel.

Dieser Text liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Research.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Research.Table am 20. April 2023.

Berlin – Gerade eine Woche Südafrika und Namibia, davor der politisch brisante Trip nach Taiwan und kommende Woche geht es in die andere Himmelsrichtung, nach Kanada. Alles in zwei Monaten. In der Berliner Zentrale des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird die Chefin beinahe schon zur Unbekannten. Aber was ist der Nutzen der Auslandsmissionen? Stehen sie in einem sinnvollen und notwendigen Bezug zu den laufenden Vorhaben in Sachen Bildung und Forschung?

Zum Beispiel Ende März. In der Hauptstadt kocht die forschungspolitische Debatte hoch. Vier Wissenschaftsorganisationen haben zum jährlichen Forschungsgipfel geladen, aber die zuständige Fachministerin Bettina Stark-Watzinger ist nicht dabei. Auch nicht beim – dann abgesagten – Treffen der Allianz für Transformation, dem Highlevel-Meeting im Kanzleramt für die großen Innovationsvorhaben im Land.

Stark-Watzinger: Abwesend beim Koalitionsausschuss und dem Forschungsgipfel

Ebenso wenig tags zuvor bei der Vorstellung der neuesten Empfehlungen der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit zur Verbesserung der wissenschaftlichen Politikberatung. Lauter Termine nur für die Vertretungsriege der BMBF-Leitung, weil Stark-Watzinger nicht zur Verfügung steht.

Dabei eskaliert die Berliner Politik in dieser Woche: Der Koalitionsausschuss der Ampel-Fraktionen verheddert sich über zukunftsrelevante Infrastrukturentscheidungen zu Verkehr und Klima, sodass viele Stunden länger getagt werden muss und geplante Begegnungen von Politik und Wissenschaft, einschließlich des Kanzlerauftritts auf dem Forschungsgipfel, gecancelt werden.

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Wo ist in dieser Gemengelange die FDP-Forschungsministerin, um Gesprächsfäden aufrecht zu erhalten und vielleicht auch parteiliberale Strippen zu ziehen? Bettina Stark-Watzinger ist zur gleichen Zeit am südlichen Ende des Globus unterwegs.

Stark-Watzingers Reisen: Berechtigte Anliegen, kaum öffentliche Wahrnehmung

In Namibia führt sie Gespräche mit hochrangigen Regierungsvertretern wie Staatspräsident Hage Geingob. Im Rahmen ihrer Reise startete die deutsche Forschungsministerin vier industriegeführte deutsch-namibische Wasserstoff-Pilotprojekte mit einem Fördervolumen von über 30 Millionen Euro und ein Stipendienprogramm zur Fachkräfte-Ausbildung. 

Beim vorgeschalteten Besuch in der Republik Südafrika geht es um eine engere Zusammenarbeit in der Gesundheitsforschung, die Entwicklung von grünem Flugbenzin. Beim Abstecher in die Karoo-Wüste nördlich von Kapstadt besucht sie den Ort, an dem das weltweit größte Antennenfeld für Radioastronomie entsteht. Dort sind auch deutsche Wissenschaftler beteiligt.

Union hat zu Reisetätigkeiten der Ministerin viele Fragen

Die CDU/CSU-Fraktion hat eine umfangreiche Frageliste zu den Auslandsreisen der BMBF-Leitung eingereicht. In den Antworten stellt sich heraus, dass die deutsche Bildungs- und Forschungsministerin in ihrem ersten Amtsjahr lediglich ein einziges Mal in Brüssel war. Kein reguläres Treffen mit den europäischen Amtskollegen, sondern ein Glamourtermin mit Bill Gates und seiner milliardenschweren Gesundheitsstiftung.

„Bei allen Räten in Brüssel mit Abwesenheit geglänzt, aber immerhin an der Milliardärs-Party teilgenommen“, kritisierte Oppositionspolitiker Thomas Jarzombek das europapolitische Unter-Engagement der BMBF-Chefin. „Auf große Weichenstellungen in der europäischen Forschungs- und Innovationspolitik kann die Ministerin so keinen Einfluss nehmen. Der Handlungsbedarf ist jedoch groß“, sagt Jarzombek als forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.

„Es ist dramatisch, dass die starke deutsche Grundlagenforschung immer weniger Rückhalt in Brüssel findet – weil die Ministerin ihre Hausaufgaben nicht macht“, kritisiert ebenfalls die CDU-Bundestagsabgeordnete Ingeborg Gräßle, die viele Jahre im Europa-Parlament saß.

Kritik an Stark-Watzingers Prioritäten: Handlungsbedarf in Europa ist groß

Insgesamt, so ergab die Regierungsauskunft, unternahm Stark-Watzinger 2022 neun Auslandsreisen. Zwei große Trips galten im Frühjahr der Wasserstoff-Kooperation mit Australien sowie Gesprächen zur Technologiepolitik in USA und Kanada. Ein Highlight war dort die Feier von 50 Jahren deutsch-kanadischer Forschungsbeziehungen.

Allen Trips gemeinsam war, dass über sie in Deutschland kaum berichtet wurde – auch nicht vom Ministerium selbst. Ausnahme von dieser Regel war die Taiwan-Visite Stark-Watzingers im März, an der eine Handvoll politischer Journalisten partizipierte, die in erster Linie an den geopolitischen Hintergründen und den Spannungen mit der Volksrepublik China interessiert waren.

Stark-Watzinger: „Greenhorns“ müssen die Forschungsministerin in Brüssel vertreten

Andere Auslandsreisen von politischem Gewicht finden dagegen keine öffentliche Beachtung, so Anfang Februar der Ukraine-Besuch von Stark-Watzinger auf Einladung des ukrainischen Ministers für Bildung und Wissenschaft Serhiy Shkarlet. Für die deutschen Medien war der Überraschungs-Termin ein Null-Event.

Wenn die Ministerin nicht kommt, müssen die Staatssekretäre ran. Das trifft sogar völlige Regierungs-„Greenhorns“ wie Sabine Döring. Erst wenige Tage seit Anfang Februar als Bildungs-Staatssekretärin im Amt, wurde sie gleich zum Treffen der EU-Forschungsminister nach Stockholm abkommandiert – weil die Ministerin noch in Kiew weilte.

Kommenden Sonntag geht es wieder in den Flieger. Vom 23. bis 27. April begleitet Forschungsministerin Stark-Watzinger Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei dessen Staatsbesuch in Kanada. Auf dem Programm stehen unter anderem der Unternehmensbesuch eines Brennstoffzellenherstellers, die Besichtigung smarter Energiesysteme an der Universität von British Columbia und eine öffentliche Gesprächsveranstaltung mit Studentinnen und Studenten.

Von Manfred Ronzheimer, Research.Table

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