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Kritik an Speicher-Wut der Polizei

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Von: Markus Decker

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32 Journalisten wurde der Zutritt zum G20-Gipfel im letzten Moment verwehrt.
32 Journalisten wurde der Zutritt zum G20-Gipfel im letzten Moment verwehrt. © epa/rex

BKA-Chef Holger Münch räumt Fehler bei der G20-Akkreditierung ein. Das System der Datenspeicherung will er trotzdem nicht infrage stellen.

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hat eingeräumt, dass mindestens vier Journalisten während des G20-Gipfels zu Unrecht die Akkreditierung entzogen wurde: „Pauschale Vorwürfe“ wegen unzulässiger Datenspeicherung hat der BKA-Chef am Freitag aber zurückgewiesen. 

Dass den vier Medienvertretern in Hamburg für den 7. und 8. Juli aufgrund fehlerhafter Angaben die Akkreditierung entzogen wurde, „bedauern wir sehr“, sagte Münch der versammelten Presse in Berlin. „Ein solcher Eingriff in die Pressefreiheit darf nicht passieren.“ Es sei jedoch nicht gerechtfertigt, deshalb das gesamte System der Datenspeicherung in Zweifel zu ziehen.

Weder das BKA noch die Polizeibehörden der Länder speicherten massenhaft Daten unbescholtener Bürger, versicherte Münch. Er räumte jedoch ein, dass bei einem Freispruch oder der Einstellung eines Strafverfahrens Daten nicht grundsätzlich gelöscht würden. Das geschehe nur bei erwiesener Unschuld.

Zudem würden die Staatsanwaltschaften die Polizei oft über Gründe für die Einstellung eines Verfahrens nicht informieren. „Das ist eine Schwachstelle, die beseitigt werden muss.“ Ähnlich hatte sich zuvor Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geäußert und dafür unter anderem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verantwortlich gemacht: Maas, der Mängel beklagt hatte, sei dafür mitverantwortlich.

Patzer einer Landespolizei

Während des G20-Gipfels am zweiten Juli-Wochenende war insgesamt 32 Journalisten nachträglich die bereits erteilte Akkreditierung entzogen worden. Neun Journalisten klagen nun vorm Berliner Verwaltungsgericht und wollen feststellen lassen, dass der Vorgang rechtswidrig war.

Vor allem sollen Daten unzulässig gespeichert worden sein, obwohl sie hätten gelöscht werden müssen. Laut BKA lagen bei zwei der vier Fälle Fehler von Landesämtern für Verfassungsschutz vor, in einem Fall gab es eine Namensverwechslung und einmal patzte eine Landespolizei. Das Bundesinnenministerium hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, vermutlich komme noch ein weiterer Fall hinzu.

Die Grünen im Bundestag beantragten am Freitag eine Sondersitzung des Innenausschusses. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, sagte, es sei „nicht hinnehmbar, dass BKA-Präsident Münch die grundsätzliche Problematik weiter leugnet“. Alle Dateien des Bundeskriminalamtes müssten einer unabhängigen Kontrolle unterzogen und rechtswidrige Speicherungen umgehend gestoppt werden. Die Öffentlichkeit müsse sich ohne Wenn und Aber darauf verlassen können, dass die Polizei sich an Recht und Gesetz halte, forderte Korte.

Auch der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, widersprach Münchs Einschätzung, wonach es keine grundsätzlichen Probleme gebe. „Die jüngsten Vorkommnisse belegen das Gegenteil. Es gibt ein riesiges Problem.“ Im polizeilichen Bereich würden in erheblichem Umfang Daten gespeichert. Auch bei der Prüfung der fortgesetzten Speicherung gebe es erhebliche Defizite, monierte Schaar. Die Daten blieben viel zu lange ungeprüft in den Datenbeständen. Wenn bei turnusmäßigen Überprüfungen Münch zufolge 90 Prozent der Daten gelöscht würden, sei dies ein Indiz für ihre Verzichtbarkeit. 

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte und jetzige Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz fügte hinzu: „Bei der Kommunikation zwischen Polizei und Justiz gibt es ebenfalls erhebliche Mängel.“ Dies betreffe sogar Fälle, in denen jemand wegen erwiesener Unschuld frei gesprochen wurde. „Im Ergebnis ist das nicht nur rechtlich problematisch. Es schadet überdies der Polizeiarbeit. Zu viele Daten bedeuten nicht automatisch bessere Erkenntnisse.“  

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