Krönung von Charles: Deshalb sorgt dieser Besucher aus China für Unmut in Großbritannien

Hunderte Gäste werden am Samstag die Krönung von Charles III. verfolgen. Auch Han Zheng wird in London erwartet. Der chinesische Spitzenpolitiker ist allerdings nicht bei jedem willkommen.
München/London – Wenn sich am kommenden Samstag die rund 2.200 geladenen Gäste in Westminster Abbey versammeln, um die Krönung von König Charles III. zu verfolgen, wird ein Mann in der altehrwürdigen Kirche Platz nehmen, dem viele Briten am liebsten die Einreise in ihr Königreich verweigern würden: Han Zheng, Chinas neuer Vizepräsident.
Han Zheng, der sein Amt im März antrat, dürfte einer der umstrittensten Gäste bei Charles‘ Krönungszeremonie sein. Das liegt nicht nur daran, dass die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und China auf einem Tiefpunkt angekommen sind. Vielen Briten stößt vor allem auf, dass Han für die Niederschlagung der Demokratiebewegung in der ehemaligen Kronkolonie Hongkong maßgeblich mitverantwortlich ist. Hongkong wurde 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben und sollte eigentlich für 50 Jahre nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ regiert werden und sein weitgehend freiheitliches System beibehalten. Mittlerweile hat allerdings die Parteiführung in Peking das Sagen in Hongkong, zudem wurden die Meinungs- und Pressefreiheit massiv beschränkt.
Krönung von Charles III.: Besuch aus China „Beleidigung für die freiheitsliebenden Menschen in Hongkong“
Han Zheng war von April 2018 bis März 2023 für die Hongkong-Politik der Kommunistischen Partei Chinas verantwortlich. In dieser Funktion hatte er 2019 ein umstrittenes Auslieferungsgesetz unterstützt, das es möglich machen sollte, Menschen aus Hongkong an die Volksrepublik China zu überstellen. Aus Angst vor der chinesischen Willkürjustiz gingen in der Folge Hunderttausende Menschen in Hongkong auf die Straße. Nach einigen Monaten ließ Peking die Demokratiebewegung brutal niederschlagen und viele ihrer Anführer verhaften. Das Auslieferungsgesetz kam zwar nicht – dafür aber verabschiedete Peking ein sogenanntes „Sicherheitsgesetz“, das die Bürgerrechte in Hongkong faktisch abschaffte und den endgültigen Tod der Demokratiebewegung bedeutete.
Finn Lau war einer der Anführer der Demokratiebewegung, heute lebt er im Exil in Großbritannien. „Charles war 1997 bei der Übergabe Hongkongs an Großbritannien vor Ort. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Han Zheng nun bei seiner Krönung dabei ist“, sagte Lau dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Die Anwesenheit von Han nennt er eine „Beleidigung“ für die Aktivisten, die vor vier Jahren in Hongkong auf die Straße gegangen waren. Die Organisation „Hongkongers in Britain“ schreibt in einer Stellungnahme, man bedauere, „dass Han Zheng, der als einer der Hauptverantwortlichen der Unterdrückung der Freiheit und der Rechte der Menschen in Hongkong gilt, an der Krönungszeremonie teilnehmen wird“.
Kritik am Besuch von Han Zheng kommt aber auch aus der britischen Politik. Es sei „ungeheuerlich“, dass Han zur Krönungszeremonie anreise, zitiert die britische Nachrichtenagentur PA den Tory-Politiker Iain Duncan Smith. Han sei verantwortlich dafür, dass China sich nicht an die Vereinbarungen nach der Rückgabe Hongkongs gehalten habe. „Im Zuge dessen haben die Hongkonger Behörden friedliche Demokratieaktivisten verfolgt“, so Smith.
Großbritannien diskutiert Umgang mit China
Großbritanniens Außenminister Cleverly will Han Zhengs Besuch dagegen nutzen, um sich mit dem chinesischen Spitzenpolitiker zu Gesprächen zu treffen. Diskutiert werden sollen dabei eine Reihe von Themen, darunter auch solche, bei denen Großbritannien „Kritikpunkte“ hat, wie Cleverly am Dienstag der BBC sagte. „Es geht darum sicherzustellen, dass die chinesische Regierung unsere Ansichten zu einer Reihe von Themen versteht – einschließlich der Themen, bei denen wir das Gefühl haben, dass ihr Verhalten unangemessen ist, wie zum Beispiel ihre Nichteinhaltung der Verpflichtungen in Hongkong oder die Behandlung der uigurischen Minderheit in Xinjiang.“
Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung hatte das Vereinigte Königreich ein Programm gestartet, um Menschen aus Hongkong die Einreise zu erleichtern und ihnen eine Einbürgerung zu ermöglichen. Mehr als 160.000 Menschen und ihre Familienangehörigen hätten das Programm bis Anfang März 2023 bereits genutzt, so die britische Regierung.
Großbritannien diskutiert derzeit mögliche Strategien im Umgang mit einem immer selbstbewusster auftretenden China. In einer Grundsatzrede Ende April sagte Außenminister Cleverly, man müsse mit der Volksrepublik bei globalen Fragen wie etwa dem Klimawandel zusammenarbeiten, gleichzeitig aber auch Differenzen offen ansprechen. Als Beispiel nannte Cleverly Chinas Drohgebärden gegenüber Taiwan – „den größten militärischen Aufmarsch in Friedenszeiten.“