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Neue Kriminalstatistik: Warum immer mehr Kinder und Jugendliche Straftaten begehen

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Von: Anne-Christine Merholz, Nail Akkoyun, Fabian Hartmann

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Der Mord an der 12-jährigen Luise hat Deutschland erschüttert – selbst das Herabsetzen der Strafmündigkeit wird gefordert. Neue Zahlen zeigen jetzt, wie es wirklich um Kinder- und Jugendkriminalität steht.

Berlin – Jetzt ist es amtlich: Deutschland ist unsicherer geworden. Die Anzahl der Verbrechen in der Bundesrepublik ist deutlich gestiegen – besonders bei Personen unter 14 Jahren. Dies geht aus der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Im vergangenen Jahr haben die Behörden insgesamt rund 5,6 Millionen Straftaten registriert. Ein Zuwachs von 11,5 Prozent. Es ist der höchste Stand seit 2017.

Noch dramatischer ist die Entwicklung bei tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen. Hier berichtete das Bundeskriminalamt (BKA) von 93.095 Delikten – ein Plus von 35,5 Prozent. Damit kehrt sich der positive Trend der zurückliegenden Jahre um. Eine Erklärung, die SPD-Ministerin Faeser vor der Hauptstadtpresse lieferte: die Corona-Pandemie. Lockdowns ließen das gesellschaftliche Leben stillstehen. Das ist nun vorbei. Es ergeben sich wieder mehr Gelegenheiten für Straftaten.

Ein Blick auf 2019 – das letzte Jahr vor Corona – stützt diese Erklärung. Dann liegt der Anstieg der Kriminalität nur noch bei 3,5 Prozent. „Wir sind ein sicheres Land“, sagte Faeser. Und dennoch: Die Zunahme der Kinder- und Jugendgewalt ist offenkundig. BKA-Präsident Holger Münch sagte, dass Armut, häusliche Gewalt und Stress die Gefahr erhöhe, dass Kinder kriminell werden. „Solche Faktoren sind in den vergangenen Jahren hinzugekommen, etwa durch die Pandemie“, sagte Münch. Noch sei die Entwicklung nicht alarmierend. Man müsse sie aber genau beobachten.

Die Opposition im Bundestag will nicht länger warten. „Die Zunahme der Fälle in der Kriminalitätsstatistik auch bei Kindern und Jugendlichen ist besorgniserregend“, sagte die familienpolitische Sprecherin der Union, Silvia Breher, dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Ähnlich hatte sich zuvor auch Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) geäußert. „Die Entwicklung ist nicht zu verharmlosen“, sagte sie der Tageszeitung Die Welt. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) will das Thema Kinder- und Jugendkriminalität auf die Tagungsordnung der nächsten Innenministerkonferenz setzen.

CDU-Familienexpertin Breher sagte unserer Redaktion: „Die bisherigen Möglichkeiten für Präventionsmaßnahmen stoßen ganz offensichtlich an ihre Grenzen und genügen nicht. Das zeigt auch das Tötungsdelikt an Luise“.

Das Bundeskriminalamt hat die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 veröffentlicht. (Symbolfoto)
Das Bundeskriminalamt hat die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 veröffentlicht. (Symbolfoto) © Imago

Nach Mord an Luise: Präventionsarbeit nötig – Breher kritisiert Ampel-Koalition

Der Mord an der 12-jährigen Luise im nordrhein-westfälischen Freudenberg sorgte zuletzt für Fassungslosigkeit. Zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen hatten gestanden, Luise mit Messerstichen getötet zu haben. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden kannten sich die drei. In der Folge hatte die Tötung eine neue Debatte um die Altersgrenze der Strafmündigkeit ausgelöst. Breher betonte, dass man „eine ehrliche und ausgewogene Debatte über eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters“ brauche. Aktuell liegt das Strafmündigkeitsalter bei 14 Jahren.

„Es bedarf zielgerichteter Maßnahmen und Hilfen, wie insbesondere eine gute und auskömmliche Präventionsarbeit von Anfang an“, sagte die CDU-Politikerin weiter. Ein Punkt, den auch Münch und Faeser am Donnerstag in Berlin nannten. Breher warf der Regierung jedoch Versäumnisse vor: Das Engagement der Ampel ließe „in diesen Bereichen sehr zu wünschen übrig“. Faeser hingegen erklärte, man wisse, „in welchen Bereichen wir handeln müssen.“

Kriminalität unter Jugendlichen: Pornografische Inhalte werden zum Trend

Ein genauer Blick in die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen zeigt: Die häufigsten mutmaßlichen Taten bei Kindern und Jugendlichen waren Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Rauschgiftdelikte. Darüber hinaus ging aus der Statistik hervor, dass Schülerinnen und Schüler vermehrt kinderpornografische Videos und Fotos über Apps miteinander teilen. In Sachen Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung jugendpornografischer (+ 32 Prozent) sowie kinderpornografischer Inhalte (+ 7 Prozent) stiegen die Taten im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich an.

Hier spielt nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes der Trend eine Rolle, dass Kinder und Jugendliche oft überhaupt nicht wissen, dass dies strafbar ist. In gewissen Fällen appellierte die Bundesinnenministerin daher für eine Entkriminalisierung.

Was sowohl Innenministerin Faeser als auch BKA-Chef Münch Sorgen bereitet: die Zunahme der Gewalt gegen Sicherheits- und Rettungskräfte. Die Statistik zählt 1,15 Millionen Opfer. „Es zeigt sich, welche Verrohung in unserer Gesellschaft existiert“, sagte Faeser. Da helfe nur eines: konsequente Bestrafung.

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