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Kriegsverherrlichendes „Z“ bleibt straffrei

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Der Buchstabe „Z“ wird auf einem Plakat mit einem Hakenkreuz gleichgesetzt. In
Der Buchstabe „Z“ wird auf einem Plakat bei einer Kundgebung in Cottbus mit einem Hakenkreuz gleichgesetzt. In Russland hat sich der lateinische Buchstabe „Z“ zum Symbol der Unterstützung für die russische Armee und die Regierung entwickelt. © Frank Hammerschmidt/dpa

Das Amtsgericht Bautzen entscheidet, es gehöre zur Meinungsfreiheit, vom „Verteidigungskrieg gegen die Nato“ zu reden. Da sind viele in Sachsen aber ganz anderer Ansicht.

Sachsens Behörden sind eigentlich guten Willens; sie wollen Verherrlichungen der russischen Invasion der Ukraine durch Verwendung des „Z“-Symbols nicht durchgehen lassen. Eigentlich.

Vergangenen Samstag wurde am Neumarkt vor der Dresdner Frauenkirche „Querdenken“ als Parole ausgegeben; unter den rund 1300, die da zusammenkamen, seien bekannte Rechtsextreme gewesen, berichtet das Jüdische Forum. Ordner ließen demnach etwa 50 Tauben als „Friedenstauben“ gen Himmel fliegen, der Austritt aus der Nato wurde gefordert und Sympathie mit Putins Russland bekundet. Laut Polizeibericht wird gegen eine 69-jährige Deutsche nun „wegen Billigung von Straftaten“ ermittelt – sie hatte bei der Versammlung eine Fahne mit dem „Z“ getragen.

Aber wird das im Freistaat geahndet? Das ist zumindest fraglich. Denn in einem ähnlichen Fall, bei dem eine 35-Jährige Ende März bei einem Corona-Protest in Bautzen das „Z“ gut sichtbar an Warnweste und Helm getragen hatte, lehnte jetzt das dortige Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Obwohl die Generalstaatsanwaltschaft Dresden grundsätzlich der Auffassung ist, dass das „Z“-Symbol mutmaßlich als „symbolische Billigung des Vorgehens der russischen Föderation in der Ukraine“ zu sehen ist. Das russische Verteidigungsministerium hat verlautbart, „Z“ stehe für „Za Pobedu“ – übersetzt: „Auf den Sieg“.

Der Bautzener Amtsrichter Ralph Nimphius sieht es nicht so, dass sich die Frau strafbar gemacht habe, insbesondere nicht der Billigung von Straftaten laut Paragraf 140 Strafgesetzbuch. Bei der polizeilichen Vernehmung hatte sie gesagt, dass es sich bei der Invasion der Ukraine um einen „Verteidigungskrieg gegen die Nato“ handele. Und: „Da die Nato der eigentliche Angreifer und Verbrecher ist, sind Putins Aktionen völlig legitim.“

In der Begründung des Amtsgerichtsbeschlusses heißt es: „Die Demokratie lebt von der Meinungsvielfalt und dem freien Diskurs“, auch wenn dabei „sicher viel Unsinn, Dummheit und Provokation“ zu ertragen seien. „Das Strafrecht aber darf nicht missdeutet und missbraucht werden, Unliebsames und Unliebsame in die Schranken zu verweisen.“ Es sei nicht zweifelsfrei belegt, dass „die Angeschuldigte das russische Kriegstreiben und die begangenen Verbrechen gutheißt“.

Denkbar sei auch, so das Gericht, dass mit dem „Z“ „nur provoziert werden soll, um Aufmerksamkeit zu erlangen“. Als besonders absurd erscheint eine Passage in der Begründung: Zeichen seien auch schon früher „aus ihrem bisherigen Kontext gelöst und in einen neuen Kontext eingefügt“ worden. Das habe sich „zuletzt bei der Verwendung des gelben Davidsterns bei den Impfgegnern gezeigt“.

Vertreten ließ sich die Demonstrantin in Bautzen vor Gericht von dem rechtsextremen Szene-Anwalt Martin Kohlmann aus Chemnitz, der als Anführer der „Freien Sachsen“ seit Monaten in dem Bundesland für Corona-„Spaziergänge“ mobilisiert.

Durch sein Urteil könnte Richter Nimphius den Eindruck erwecken, er habe vielleicht Sympathien mit der „Querdenker“-Szene, die seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine bei ihren Protesten für den Kreml trommelt. Im März 2021 immerhin sprach Nimphius eine Frau aus dem sächsischen Cunewalde frei, die 2020 bei einem Corona-Protest den Hitlergruß gezeigt haben soll. Mehrere Fotos und eine Videosequenz zeigen, wie die Frau den rechten Arm nach vorn streckt, die Hand auf Kopfhöhe. Die „Sächsische Zeitung“ berichtete, die Staatsanwaltschaft habe den Hitlergruß damals klar erkannt, auch eine Zeugin gab bereitwillig dazu Auskunft. Die Angeklagte aber wollte nur gewunken haben. Nimphius befand: „Ein Hitlergruß ist nicht klar zu erkennen.“

Die Strafbarkeit des Zeigens des „Z“ ist unter Jurist:innen aber umstritten. Die Dresdner Rechtsanwältin Kati Lang sieht im Bautzener Beschluss ein „Wegdeuten kriegsverherrlichender Zeichen“, wegen des Vergleichs mit dem gelben „Ungeimpft“-Stern kritisiert sie auch ein „Verharmlosen antisemitischer Symbolik“. Der Münchener Medienrechtler Thomas Stadler widerspricht: „So klar ist das strafrechtlich ganz bestimmt nicht. Wir haben eben kein Gesinnungsstrafrecht.“ Dem gibt wiederum der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun Kontra: „Paragraf 140 StGB bestraft ja auch nicht die Gesinnung, sondern die objektive Wirkung der Billigung auf den öffentlichen Frieden.“ Die Staatsanwaltschaft Görlitz hat nun gegen die Entscheidung aus Bautzen Beschwerde eingelegt. (Matthias Meisner)

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